Die Sommerpause ist vorbei, der „Tatort“ meldet sich zurück: Den Auftakt machen am Sonntag die Kommissare Ballauf und Schenk aus Köln.

Die einzige Zeugin spricht kein Wort. Wie könnte sie auch? Sie ist acht, hat mit ansehen müssen, wie ihre Mutter und ihr kleiner Bruder in der Nacht umgebracht wurden, und ihr Leben nur gerettet, weil sie sich im Haus versteckte. Ein Kind wird getötet: Der „Tatort“ kehrt mit emotionaler Wucht aus der Sommerpause zurück, daran lassen Autor Norbert Ehry und Regisseurin Dagmar Seume von der ersten Szene an keinen Zweifel – „Durchgedreht“ wird auch für die alten Kölner Hasen Ballauf und Schenk ein aufwühlender Fall.

Das Storygerüst des „Tatort“-Routiniers Ehry ist dabei eher klassisch und konventionell als wagemutig angelegt. Elegant verstreut er ein paar Spuren, die Polizisten und Betrachter erst einmal eine Weile auf Trab halten und die Dinge ins Rollen bringen.

Familiendrama im neuen Kölner „Tatort“

Blutiger Mord im Einfamilienhaus: Die achtjährige Anna (Julie-Helena) ist die einzige Zeugin, als nachts ein Unbekannter ins Haus einbricht und ihre Mutter und den kleinen Bruder tötet. Der erste „Tatort“ nach der Sommerpause beginnt mit einem Familiendrama. Mit „Durchgedreht“ startet die ARD am 21. August um 20.15 Uhr in die neue „Tatort“- Saison.
Blutiger Mord im Einfamilienhaus: Die achtjährige Anna (Julie-Helena) ist die einzige Zeugin, als nachts ein Unbekannter ins Haus einbricht und ihre Mutter und den kleinen Bruder tötet. Der erste „Tatort“ nach der Sommerpause beginnt mit einem Familiendrama. Mit „Durchgedreht“ startet die ARD am 21. August um 20.15 Uhr in die neue „Tatort“- Saison. © WDR | Martin Valentin Menke
Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und ...
Die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und ... © WDR | Martin Valentin Menke
... Freddy Schenk (Dietmar Bär, 2.v.l.) bringen Anna in Sicherheit. Die Achtjährige steht unter Schock und spricht seit der Tat kein Wort mehr.
... Freddy Schenk (Dietmar Bär, 2.v.l.) bringen Anna in Sicherheit. Die Achtjährige steht unter Schock und spricht seit der Tat kein Wort mehr. © WDR | Martin Valentin Menke
Das Leben von Sven Habdank (Alexander Beyer) ist aus den Fugen geraten: Er kann nicht fassen, dass seine Lebensgefährtin Freya und sein Sohn ermordet wurden und ist kaum vernehmungsfähig.
Das Leben von Sven Habdank (Alexander Beyer) ist aus den Fugen geraten: Er kann nicht fassen, dass seine Lebensgefährtin Freya und sein Sohn ermordet wurden und ist kaum vernehmungsfähig. © WDR | Martin Valentin Menke
Der Steuerfahnder ist gerade von einer Dienstreise zurückgekehrt. Hat er mit dem Doppelmord zu tun? Bekannte schildern ihn als nicht gerade geselligen Typen, der außerdem eifersüchtig gewesen sei ...
Der Steuerfahnder ist gerade von einer Dienstreise zurückgekehrt. Hat er mit dem Doppelmord zu tun? Bekannte schildern ihn als nicht gerade geselligen Typen, der außerdem eifersüchtig gewesen sei ... © WDR | Martin Valentin Menke
... und seine getötete Lebensgefährtin eingeengt habe.
... und seine getötete Lebensgefährtin eingeengt habe. © WDR | Martin Valentin Menke
Ballauf kann sich am Tatort noch keinen klaren Durchblick verschaffen. „Seine Tränen eben – das war doch Reue“. Und Schenk: „Der hat geweint, weil er an seinen Sohn gedacht hat, an seine Frau! Erinnerungen, Gefühle – schon mal gehört das Wort?“
Ballauf kann sich am Tatort noch keinen klaren Durchblick verschaffen. „Seine Tränen eben – das war doch Reue“. Und Schenk: „Der hat geweint, weil er an seinen Sohn gedacht hat, an seine Frau! Erinnerungen, Gefühle – schon mal gehört das Wort?“ © WDR | Martin Valentin Menke
Hilde Schwalb (Nicola Schössler, l.), die Schwester der Toten, nimmt ihre Nichte Anna sofort bei sich auf. Sie und ihr Mann Gunnar (Stephan Szá́sz) versuchen, das Mädchen auf andere Gedanken zu bringen. Doch weder Tante noch Onkel ...
Hilde Schwalb (Nicola Schössler, l.), die Schwester der Toten, nimmt ihre Nichte Anna sofort bei sich auf. Sie und ihr Mann Gunnar (Stephan Szá́sz) versuchen, das Mädchen auf andere Gedanken zu bringen. Doch weder Tante noch Onkel ... © WDR | Martin Valentin Menke
... noch die Kommissare können die einzige Zeugin zum Reden bringen.
... noch die Kommissare können die einzige Zeugin zum Reden bringen. © WDR | Martin Valentin Menke
Finanziell ist es um das Ehepaar nicht gut bestellt. Das Geld reicht vorne und hinten nicht. Haben sie etwas zu verbergen?
Finanziell ist es um das Ehepaar nicht gut bestellt. Das Geld reicht vorne und hinten nicht. Haben sie etwas zu verbergen? © WDR | Martin Valentin Menke
Wichtiges Indiz: Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch, Mitte) konnte herausfinden, dass der Täter männlich und Rechtshänder sein muss.
Wichtiges Indiz: Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch, Mitte) konnte herausfinden, dass der Täter männlich und Rechtshänder sein muss. © WDR | Martin Valentin Menke
Hier ist die Polizei: Die Ermittlungen führen zu dem ...
Hier ist die Polizei: Die Ermittlungen führen zu dem ... © WDR | /Martin Valentin Menke
... Journalisten Ole Winthir (Peter Benedict), der Dank des Steuerprüfers Sven Habdank mit seinem Schweizer Bankkonto aufflog. Und auch ...
... Journalisten Ole Winthir (Peter Benedict), der Dank des Steuerprüfers Sven Habdank mit seinem Schweizer Bankkonto aufflog. Und auch ... © WDR | Martin Valentin Menke
... der Bauunternehmer Pit Benteler (Max Herbrechter) ist in den Fokus des knallharten Steuerfahnders geraten. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung und Sozialabgabenbetrug. Doch ist das ein Mord-Motiv?
... der Bauunternehmer Pit Benteler (Max Herbrechter) ist in den Fokus des knallharten Steuerfahnders geraten. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung und Sozialabgabenbetrug. Doch ist das ein Mord-Motiv? © WDR | Martin Valentin Menke
Die Kommissare suchen nach einer Verbindung: Ist der Täter unter den Steuersündern zu finden, gegen die Sven Habdank ermittelt?
Die Kommissare suchen nach einer Verbindung: Ist der Täter unter den Steuersündern zu finden, gegen die Sven Habdank ermittelt? © WDR | Martin Valentin Menke
Noch eine weitere Spur scheint interessant: Die Beziehung der Habdanks war offenbar nicht die glücklichste. Wie es scheint, pflegte Freya Kontakt zu einem anderen Mann.
Noch eine weitere Spur scheint interessant: Die Beziehung der Habdanks war offenbar nicht die glücklichste. Wie es scheint, pflegte Freya Kontakt zu einem anderen Mann. © WDR | Martin Valentin Menke
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Der Mann der Ermordeten (Alexander Beyer) war zwar nach eigenen Angaben auf Dienstreise. Aber dass es mit seiner Ehe nicht zum besten stand, wird schon bald offensichtlich. Sein Bruder (Christian Erdmann) war der Schwägerin womöglich nicht nur freundschaftlich zugetan, der wirtschaftlich angeschlagene Schwager (Stephan Szász) empört, weil er und seine Frau (Nicola Schlösser) von ihr bei einem Grundstücksgeschäft hereingelegt wurden. Und dann gibt es zwei Burschen, die allen Grund haben, den Ehemann der Getöteten ins Herz zu treffen, denn der ist Steuerfahnder mit Leib und Seele: ein zynischer Journalist (Peter Benedict), dem er auf der Spur war, und ein pleite gegangener Bauunternehmer (Max Herbrechtler).

Der Fall ist wie gemacht für die Kölner Kommissare

Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch, M.) liefert den Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) die genauen Tatumstände: Der Täter ist männlich und Rechtshänder.
Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch, M.) liefert den Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r.) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) die genauen Tatumstände: Der Täter ist männlich und Rechtshänder. © WDR | Martin Valentin Menke

Der Fall ist wie gemacht, um Ball­auf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär), die diesmal in jeder Szene gemeinsam ermitteln, in ihre alten Rollenmuster fallen zu lassen: Schenk mit dem Verständnis des alternden Familienvaters, Ballauf mit der Pose des ewigen Einzelgängers. Der Konflikt fließt so beiläufig ein, dass er eher belebt als stört. Für Leichtigkeit indes ist kein Platz in dieser Tragödie, die beiden Altgedienten sind mit heiligem Ernst bei der Sache.

Regisseurin Dagmar Seume interessiert sich weniger für die Handlungselemente selbst, als für die Kraft des Dramas an sich, für die melancholischen Stimmungen, die sich bleiern über das Geschehen legen: das stumme Kind, der Vater, ein Verlierertyp, den Alexander Beyer so bärenstark hinlegt, dass man nie genau weiß, ob er aus Reue oder aus Verzweiflung weint, die Familie, die nun endgültig zerbricht, Männer, deren Welt gerade zerstört wird. Martin Tingvall hat schwerblütige Musik dazu komponiert, die für Augenblicke am Kitsch entlangschrammt, aber mehr ist, als jene unambitionierte Untermalung, die in ihrer Beliebigkeit lästig wird und so viele Fernsehfilme verklebt.

Zeit, damit die Bilder wirken können

Die achtjährige Anna (Julie-Helena) hat sich versteckt, als in der Nacht ihre Mutter und ihr Bruder getötet wurden.
Die achtjährige Anna (Julie-Helena) hat sich versteckt, als in der Nacht ihre Mutter und ihr Bruder getötet wurden. © WDR | Martin Valentin Menke

Seume nimmt sich Zeit für ihre Bilder, um sie wirken zu lassen, was nicht immer gelingt, aber doch sehr oft. Wie Witwer und Bruder Stirn an Stirn um die Wahrheit ringen, das packt. Ein Kind, das seine Albträume in wilden Zeichnungen zu Papier bringt, ist weniger originell.

Mit schönen Montagen, die zwei Zeitebenen miteinander verknüpfen, schafft Dagmar Seume einen nicht abreißenden Erzählfluss. Es wäre mutiger gewesen, wäre sie der Stille im Stil treu geblieben. Die Zuspitzung im Finale samt Auflösung ist ein Kniefall vor der Erwartungshaltung eines Krimipublikums, das Turbulenzen liebt. Schade.

Fazit: Kraftvolle „Tatort“-Rückkehr aus der Sommerpause mit kleinen Schwächen.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr