Nürnberg/Düsseldorf . Airline-Ärger auf Facebook: Hunderte Koffer sind nicht bei ihren Besitzern gelandet – und Beschwerden der Fluggäste laufen ins Leere.

Irene Dirmeier ist sauer. Dabei sollte die 52-Jährige mit Freude auf ihre Reise in die USA zurückblicken: Familienbesuch in den Staaten, ein Geschenk für ihren Sohn zum Abitur. Doch auf dem Rückweg sind der Fürtherin und ihrem Sohn Andenken und persönliche Gegenstände abhanden gekommen. Denn: Ihr Koffer ist seit drei Wochen verschwunden. Weil sie mit Nachfragen und Hilfeersuchen gegen Mauern rennt, hat sie aus Wut ihr Facebook-Profibild geändert – sie ist nicht die einzige: „Ich habe noch einen Koffer bei Air Berlin. 900 weitere Passagiere auch.“ Für diese Zahl gibt es keine Bestätigung, aber der Flughafen Düsseldorf spricht zumindest von Hunderten Koffern auf Abwegen.

Dirmeiers Gepäck wurde offenbar von Düsseldorf statt nach Nürnberg weiter nach Nizza geschickt. „Von dort aus hat dann mein Koffer die Welt bereist – auch Städte, die nicht mit N anfangen: Bologna, Stuttgart, München, Berlin. Dann kam er wieder in eine Stadt mit N: New York“, schreibt Dirmeier in einem Facebook-Post an die Air Berlin, die der Zubringer zu ihrer Reise war. Danach sei es noch nach Kopenhagen, Zürich und Barcelona gegangen: „Mein Koffer hat einiges erlebt und ist jetzt in Angola.“

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Die Informationen über ihren Koffer erhielt Dirmeier als Ausdruck von einem freundlichen Flughafenmitarbeiter, als sie nach Tagen des vergeblichen Wartens auf Informationen mit vielen Nachfragen dort vorstellig wurde. Eine Erklärung für die abenteuerliche Reiseroute gibt es jedoch nicht. Die Fluggesellschaft und deren Gepäckermittlungszentrale konnten die Auskunft bisher nicht bestätigen.

Zahlreiche Beschwerden von Passagieren auf Facebook

Einzelne Passagiere meldeten inzwischen, dass sie ihr Gepäck erhalten haben. Auskunft gibt es aber nicht für viele Kunden, die hilfesuchend mehrfach auf die Facebookseite der Fluggesellschaften schreiben. Die Beschwerden richten sich vor allem gegen Air Berlin und die Lufthansa-Tochtergesellschaft Eurowings zu Flügen via Düsseldorf. „Tag zwölf, nachdem mein Gepäck verloren ging“, schreibt ein Schwede. „Ich habe alle Mailadressen und Telefonnummern kontaktiert, die Sie mir gegeben haben, aber keine Antwort. “

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Air Berlin verweist in seinen Antworten auf seine Dienstleister für das Gepäck. Doch die Kontakte, die das Unternehmen nennt, funktionieren nicht. Auch nicht bei Versuchen unserer Redaktion: Der angegebene Anschluss der mit der Gepäckermittlung beauftragten Firma Baggage Express aus Berlin war nicht erreichbar. Links führten ins Nichts. Trotz zahlreicher solcher Rückmeldungen ist das Social-Media-Team offenbar angewiesen, weiter mit diesen Kontakten zu antworten. Auch das für die Gepäcklogistik am Flughafen zuständige Hamburger Unternehmen Aviation Handling Services (AHS) war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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Hunderte Koffer zeitweise in Düsseldorf liegen geblieben

Der Düsseldorfer Flughafen räumt eine „angespannte“ Situation bei der Gepäckabfertigung in der vergangenen Woche ein – vor allem bei Transferflügen. „Die Koffer von Umsteigepassagieren haben aus irgendeinem Grund in Düsseldorf den Anschlussflug verpasst“, so Flughafensprecherin Verena Wefers. Hunderte Koffer verschiedener Airlines seien so zeitweise liegen geblieben. Ein von den Fluggesellschaften beauftragter Dienstleister sei seinen Aufgaben „scheinbar nicht entsprechend nachgekommen“, so Wefers. „Dieser Umstand ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, und wir bedauern die Unannehmlichkeiten sehr, die die Passagiere auf Facebook schildern.“

Air Berlin räumt in einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion ein, dass es zu „Einschränkungen“ gekommen sei, die „unter anderem auf Ausfälle der Gepäcksortieranlage zurückzuführen“ seien. Der Dienstleister AHS habe Nachtschichten eingelegt, um den Rückstand schnellstmöglich aufzuarbeiten.

Kritik am generellen Verhalten von Air Berlin und anderen Fluggesellschaften kommt vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Für das Reisegepäck ist die Fluggesellschaft beziehungsweise der Reiseveranstalter verantwortlich“, sagt Felix Methmann, Referent für den Bereich Mobilität und Reisen. Passagiere auf Gepäcksuche an Dienstleister zu verweisen, sei ein übliches und kundenunfreundliches Vorgehen. „Geht Gepäck verloren und wollen Passagiere ihre Ansprüche durchsetzen, blocken Fluggesellschaften zunächst häufig ab“, sagt Jurist Methmann. „Flugreisende haben aber direkt gegenüber der Airline einen Anspruch.“

Verlorene Kleidung muss die Airline zahlen

Generell gilt: „Wenn Passagiere bei der Ankunft am Flughafen feststellen, dass ihr Gepäck fehlt, sollten sie den Verlust sofort beim Lost & Found-Schalter melden“. Dafür sollten Reisende die Gepäckregistrierungsnummern bereithalten, die am Check-In meist auf die Bordkarte geklebt werden. Die Nummern helfen, das Gepäck am Ende schneller wiederzufinden.

Stehen Passagiere etwa wegen eines verlorenen Koffers ohne Kleidung und Hygieneartikel dar, dürfen sie sich das Nötigste auf Kosten der Fluggesellschaft kaufen. Die Ersatzbeschaffung stehe bereits ab dem ersten Tag der Reise zu, müsse jedoch „angemessen“ sein, so Methmann. Eindeutig geregelt sei der Umfang nicht und müsse im Zweifelsfall vor Gericht entschieden werden. Belege sollten gut aufbewahrt werden, rät Methmann. Um den Anspruch auf Schadenersatz durchzusetzen, sollten Flugreisende zudem einen Nachweis über den Wert ihres Gepäckinhalts haben. Eine genaue Packliste oder Kaufbelege können dabei ebenso helfen wie beim Packen aufgenommene Fotos.

Irene Dirmeier hat den Anwalt eingeschaltet

Details sind international im „Montrealer Übereinkommen über die Beförderung im Luftverkehr“ geregelt. Demnach haben Flugreisende Anspruch auf Schadenersatz, wenn ein Koffer verloren geht oder er seinen Besitzer verspätet oder beschädigt erreicht. Der Höchstbetrag beträgt umgerechnet etwa 1300 Euro pro Person.

Urlauber, die eine Pauschalreise gebucht haben, können zudem für jeden Tag ohne Gepäck auch eine Minderung des Reisepreises verlangen. Als Richtwert gelten laut Methmann 20 bis 50 Prozent des Tagesreisepreises. Generell empfiehlt der Bundesverband der Verbraucherzentralen sich zur Durchsetzung der Ansprüche Rechtsbeistand zu suchen. „Hat man zuvor selbst unter angemessener Fristsetzung (etwa zwei Wochen) versucht, seine Kosten von der Airline erstattet zu bekommen, hat die Airline auch die Kosten für den Rechtsanwalt zu erstatten“, so Methmann.

Auch Irene Dirmeier hat inzwischen vorsorglich einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Sie gibt bei der Suche nach ihrem Koffer nicht auf und hofft, dass er doch noch auftaucht. Wohin er nach seinem Zwischenstopp in Angola geflogen sei, weiß die Fürtherin nicht: „Wundern würde mich gar nichts mehr“, sagte sie unserer Redaktion.