Berlin . Am Grill sind die Geschlechtergrenzen oft noch fest gezogen. Das ist eine männliche Bastion. Warum das so ist, erklärt ein Soziologe.

Es ist hart geworden für Männer in Zeiten, in denen jede zweite Frau eine eigene Bohrmaschine besitzt. Gäbe es nicht die letzte Bastion: den Platz hinter der Feuerschale. Mit dem Herrschaftsornat – der Grillschürze –, mit Grillzange und Grillgabel darf sich der Mann nach Feierabend als Herr über das Feuer inszenieren. Und nicht nur im privaten Garten: Bei den 21. Deutschen Grillmeisterschaften in Fulda kämpfen am Wochenende 40 Teams aus ganz Deutschland um den Grillmeistertitel. Männer sind dort unter sich – eine Welt, wie es sie heute kaum noch gibt. Nicht im Job, nicht einmal mehr auf dem Fußballplatz.

Was treibt den Mann an die Feuerstelle auf der Terrasse? Warum lässt die Frau sich mit dem Salatmachen abspeisen? Nicht nur Frauen fragen sich das manchmal, wenn sie mit dem Vorbereiten der Soßen in der Küche verschwinden, während der Herr des Hauses draußen effektvoll den Grill anfeuert. Auch die Wissenschaft hat reagiert und macht am Grillverhalten geradezu eine männliche Identitätskrise fest: „Wenn der Mann in der Arbeitswelt Gleichberechtigung erfährt, so ist es für ihn beim Grillen wie ein Reflex, eine spielerische Inszenierung, sich als Herr seiner Sippe, als Versorger der Großfamilie zu inszenieren“, sagt Soziologe Sacha Szabo. Er hat über das „Grillen, eine Wissenschaft für sich“ ein Buch geschrieben.

Wer das Feuer beherrscht, hat das Sagen

Ist es allein die Faszination der Technik – Weber-Kugelgrill oder edler Drehspieß – oder was ist es, was Männer zwischen 18 und 80 Jahren an die Grillzange treibt? Und zwar am liebsten ohne Hilfe.

Szabo macht es an der ewigen Machtfrage fest. Wer das Feuer beherrscht, hat das Sagen. „Archaisch“ sei das. Es sitzt also tief drin. Der Soziologe erklärt das so: Mit dem Verschwinden des offenen Feuers aus dem Haus kam dann das Grillen draußen auf. Ob Garten, Balkon, im Park oder am Flussufer – im Rauch der Kohle kann sich der Mann als Mann inszenieren, der im Fall des Falles sogar mal eine Stichflamme löscht. Eine Rolle, die ihm laut Wissenschaft mit der Frauenbewegung und dem damit einhergehenden Druck, auch mal den Flur zu wischen oder den Geschirrspüler auszuräumen, ein wenig abhanden gekommen ist.

Sven Dörge (55) nennt sich „Barbecue-Sommelier“ und hat das Grillen damit schon fast zur Wissenschaft erklärt. Zweimal war der Berliner deutscher Grillmeister, mittlerweile betreibt er das erfolgreiche Cateringunternehmen „Dickes B“ in der Hauptstadt.

Würstchen stehen nicht auf dem Grill-Plan

Dörge, der begeistert vom Wandel der Grillkultur spricht – sein Meistermenü war von der chinesischen Fünf-Elemente-Küche inspiriert – fing Feuer bei einer Grillmeisterschaft in Belgien. Dörge hat es natürlich auch bemerkt, das Fehlen der Frauen im Herzen des Feuers. Doch er interpretiert es anders: „Frauen mögen es doch auch, wenn der Mann für sie am Grill steht. Das ist wie die Tür aufzuhalten, ein Akt der Galanterie.“

An diesem Wochenende also können die „Natural Burn Grillers“ beim Fleischwenden bewundert werden. Etwa 20.000 Zuschauer werden erwartet. Die dürfen aber nicht enttäuscht sein: Es gibt keine Würstchen. Sie seien zu profan, heißt es von der Organisation. Stattdessen werden Fisch, Rindfleisch, Spareribs alias Schälrippchen auf dem Rost landen. Das Team des Titelverteidigers kredenzte der Jury im Vorjahr ein Schoko-Küchlein mit Gorgonzola.

Mag sein, dass dieser Trend am Grill manchem Mann zu verspielt ist. Doch laut Trendforschern gibt es Alternativen, die auch gut nachgefragt werden: Bierseminare, Schmiedeseminare. Hoch attraktiv seien Kurse, in denen Männer wie wild geworden mit Baggern durch Schlamm fahren können. Auch Panzerkurse sind im Angebot. Die meisten sind übrigens schon weit im Voraus ausgebucht.