Hannover. Er wollte sie „hässlich machen“: Einem 32-Jährigen wird nach einer Säure-Attacke auf seine Ex-Freundin versuchter Mord vorgeworfen.

Zuerst erzählt die junge Frau im Zeugenstand von der Zeit, als sie sich noch liebten. „Das war für mich eine Bilderbuchbeziehung“, sagt die 27-Jährige. „Er war ein Traummann, er kam mit Frühstück ans Bett.“ Dann häuften sich Streit und Spannungen mit dem 32-Jährigen, der am Freitag wegen versuchten Mordes im Landgericht Hannover auf der Anklagebank sitzt. Es geht um einen unfassbaren Säureangriff auf die zierliche Frau, den der Angeklagte gleich zu Prozessbeginn gesteht. Mit der Attacke habe er ihren schlechten Charakter auf ihr Äußeres übertragen wollen, meint er. „Ich dachte, ich muss sie irgendwie hässlich machen.“

Die 27-Jährige ist schwer entstellt und knöpft die Bluse ein wenig auf, um dem Richter zu zeigen, wie weit der alles verätzende Rohrreiniger geflossen ist. Kamerateams drängen sich vor Beginn der Verhandlung um die Kosmetikerin Vanessa Münstermann, die schon bald nach der Attacke Mitte Februar den Weg in die Öffentlichkeit suchte und ihr entstelltes Gesicht fotografieren ließ.

Angeklagter schildert Traumstart in Beziehung

„Sie wirken sehr stark, hier im Zeugenstand“, sagt der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch. Und dann fragt er nach der psychischen Verfassung. „Nachts plagen mich die Alpträume, da steht wieder einer und will mir was tun. Ich wache von meinen eigenen Schreien auf“, sagt sie. Erschütternde Verletzungen listet die Frau auf: Ihr linkes Ohr ist fast weggeätzt, ein Auge hat nur noch zehn Prozent Sehkraft, die Augenbrauen sind weg, ein Nasenloch zu.

Eifersucht sei nicht der Auslöser gewesen, betont der 32 Jahre alte Fitnesstrainer in seinem Geständnis. Auch er schildert einen Traumstart in die Beziehung, schon bald aber habe die Frau ihn herumkommandiert: „Sie war sehr eifersüchtig und wollte alles kontrollieren.“ Das Opfer hingegen schildert den Täter als unselbstständig, spricht von plötzlicher Aggression – über das, was die Beziehung zum Bröckeln bringt, werden im Gerichtssaal zwei unterschiedliche Versionen erzählt.

Kontakte des Angeklagten zu weiteren Frauen, das sagen beide, belasten das Verhältnis. Es kommt zu Beleidigungen über soziale Medien. Am Ende eskaliert offensichtlich die Situation: Sie zeigt ihn wegen Stalking und Gewalt an, er fühlt sich vor seinen Eltern zu Unrecht an den Pranger gestellt und will sie zur Klarstellung zwingen.

„Er hat mir nicht geholfen, er ist weggerannt“

„Ich habe gegoogelt, was verletzt“, schildert der Angeklagte die Vorbereitung des Anschlags. „Ich habe dann irgendwann was gefunden, diese Rohrgranate.“ 96-prozentige Schwefelsäure befindet sich in dem Industrieprodukt, das der Angeklagte in ein Glas abgefüllt und in seine Jackentasche steckt, ehe er der 27-Jährigen am frühen Morgen vor ihrer Wohnung auflauert. Nach einem kurzen Wortwechsel kippt er ihr die Säure ins Gesicht. „Er hat mir nicht geholfen, er ist weggerannt“, schildert das Opfer unter Tränen. In der Klinik wurde sie ins Koma versetzt. „Dann wachte ich auf, ohne Haare, ohne Gesicht, auf einem Auge blind.“

Der Angeklagte blickt immer wieder kurz mit angestrengtem Blick zu seinem Opfer herüber, dann senkt er den Kopf. Mehrfach sagt er, dass er die Tat bereut. 50.000 Euro als Schmerzensgeld hat er bereits an das Opfer überweisen lassen. „Als ich aus dem Koma erwachte, war die erste Frage an meinen Vater: warum?“, erzählt die junge Frau. Eine schlüssige Antwort darauf bleibt der Angeklagte schuldig. (dpa)