Kiel. „Tatort“-Schauspieler Axel Milberg ist ganz sicher kein Mann für den Durchschnitt. Jetzt wird der nachdenkliche Vielleser 60 Jahre alt.

Vor ein paar Jahren, nach dem Tod seiner Eltern, ist Axel Milberg nach Kiel gefahren und hat sein Elternhaus verkauft. Es steht an einem spärlich beleuchteten Weg im Stadtteil Düsternbrook, man riecht das nahe Meer. Milberg hatte immer eine spezielle Beziehung zu diesem alten Haus. „Das Besondere war, dass, solange ich denken kann, alles immer an derselben Stelle stand“, die Eltern liebten die Beständigkeit.

Milberg fühlt sich bis heute verbunden mit dem Ort seiner Kindheit. Aber er wusste, er würde dort wegmüssen, wollte er sich seinen Traum erfüllen. „Als ich in jungen Jahren Kiel verließ, war mir klar, ich musste mich neu erfinden. Ich kann nicht Schauspieler sein und in meinem Elternhaus wohnen.“ Milberg, der am heutigen Montag 60 Jahre alt wird, gehört zur Riege jener Schauspieler, die sowohl vom Theater- als auch vom Filmpublikum geschätzt werden.

„Tatort“-Rolle hat Karriere geprägt

Er besuchte die Otto-Falckenberg-Schauspielschule und war von 1981 bis ’98 Ensemblemitglied der Münchener Kammerspiele. Top-Regisseure brachten ihn zum Film. Er spielte in dem fünfteiligen Thriller „Der Schattenmann“ von Dieter Wedel und war in Helmut Dietls Komödie „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ zu sehen, in „Hannah Arendt“ und in der Skandalbuchverfilmung „Feuchtgebiete“. Doch eine Rolle hat seine Karriere, sein Image stärker geprägt, als jede andere: die des Kieler Kommissars Borowski im „Tatort“.

Immer wieder verleihen Milberg und die Drehbuchautoren diesen Wer-war-der-Mörder-Geschichten cineastische Klasse. Etwa als der inzwischen verstorbene schwedische Schriftsteller und Milberg-Freund Henning Mankell die Vorlagen zu zwei „Tatort“-Drehbüchern verfasste. Oder die Episode „Borowski und der freie Fall“, ein Politthriller im Umfeld der Barschel-Affäre, der Fiktion und Realität mischte. Unvergessen auch die Folge mit Lars Eidinger als unheimlicher Psycho-Stalker in „Borowski und der stille Gast“, der in die Wohnung von Fremden eindringt, verzückt deren Zahnbürste benutzt und lustvoll an liegengebliebenen Brötchenresten leckt – Szenen, die sich ins kollektive „Tatort“-Gedächtnis eingebrannt haben. Auch, weil man als Zuschauer hoffte, dass der aufrechte Borowski diesen Wahnsinnigen endlich stoppen würde. Der Kommissar ist ein Eigenbrötler, einer, der sich nicht einordnet. Axel Milberg spielt ihn mit trockenem Humor und feiner Mimik. Womöglich gibt es Überschneidungen zwischen Milberg und Borowski.

Savoir-vivre lernte Milberg von seiner Frau

Sein Seelenleben ist unergründlich, sagte Judith Milberg einmal über ihren Mann: „Axel ist gern ein bisschen unsichtbar und lässt Situationen auf sich wirken. Was da genau in ihm passiert, das ist das Geheimnisvolle an ihm.“ Sie, die Kunsthistorikerin, hat Milberg in mehr als 20 Jahren Ehe geöffnet. Den Sinn für das Schöne, das Genießen, das Glücklichsein, das alles habe er von ihr gelernt, sagt der Schauspieler. In ihrem Haus im Münchener Bezirk Nymphenburg stapeln sich Abertausende von Büchern. So wie Axel Milberg in eine besondere Stimmung gerät, wenn er von seinem Elternhaus erzählt, so verbindet er auch mit seinen Büchern Gefühle: „Ich erinnere mich bei jedem Buch haarscharf daran, wo ich es gekauft habe.“

In München ist er jetzt zu Hause. Doch die Heimat bleibt Kiel. Fast 30 Jahre, nachdem er die Stadt verließ, um Schauspieler zu werden, führte ihn der „Tatort“ zurück. Er hat in der ganzen Welt gearbeitet. Doch manchmal sehnt er sich nach der Beständigkeit seines Elternhauses. Er sagt: „Jemand, der an einem Ort bleibt und sich sozusagen bescheidet mit einem sehr begrenzten Programm, scheint mir der Sterblichkeit stärker zu trotzen als der Globetrotter, der sein Leben reich zu machen glaubt mit möglichst vielen Ereignissen.“