Abu Dhabi. Zwei Schweizer sind nur mit Sonnenkraft einmal um die Welt geflogen. Trotz des Erfolgs bleibt die Technik für Linienflieger Utopie.

Was für ein Triumph. Ohne einen Tropfen Kerosin, allein mit der Kraft der Sonne, sind die Schweizer Forscher, Piloten und Abenteurer Bertrand Piccard (58) und André Borschberg (63) um die ganze Welt geflogen. Eine Pionierleistung, die viele Experten noch vor wenigen Jahren für unmöglich hielten. Umso größer nun die Begeisterung über den Sonnenflieger „Solar Impulse 2“ (Si2). „Das war eine Heldentat, sowas auf die Beine zu stellen und durchzuziehen“, sagt Professor Josef Kallo, der beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Technologien für emissionsfreies Fliegen entwickelt.

Die Schweizer Flugpioniere und ihr Team mit mehr als 80 Ingenieuren und Technikern verdienten ein Riesenlob, findet auch DLR-Forscher Marc Böswald. „Sie haben in jahrelanger Arbeit jedes einzelne Bauteil genauestens bedacht, berechnet, geprüft und aufeinander abgestimmt, sodass diese Maschine so leicht und zuverlässig wie irgend möglich wurde.“

„Solar Impulse 2“ beendet Weltumrundung

Daumen hoch: Große Freude bei den zwei Piloten aus der Schweiz, Bertrand Piccard (r.) und Andre Borschberg, nach der Landung der insgesamt 17 Etappen langen Reise in Abu Dhabi.
Daumen hoch: Große Freude bei den zwei Piloten aus der Schweiz, Bertrand Piccard (r.) und Andre Borschberg, nach der Landung der insgesamt 17 Etappen langen Reise in Abu Dhabi. © REUTERS | JACK JABBOUR
Kurz zuvor war der Flieger von Kairo zu seiner letzten Etappe nach Abu Dhabi aufgebrochen.
Kurz zuvor war der Flieger von Kairo zu seiner letzten Etappe nach Abu Dhabi aufgebrochen. © dpa | Mostafa Alshemy
Die enorme Spannweite des Fliegers wird auf diesem Bild deutlich: Mit 63,40 Metern sind die Flügel fast genauso lang wie die einer Boeing 747-400 (64,4 Meter), die einst eines der längsten Passagierflugzeuge der Welt war.
Die enorme Spannweite des Fliegers wird auf diesem Bild deutlich: Mit 63,40 Metern sind die Flügel fast genauso lang wie die einer Boeing 747-400 (64,4 Meter), die einst eines der längsten Passagierflugzeuge der Welt war. © dpa | Stringer
Auf der insgesamt 40.000 Kilometer langen Reise entstanden zahlreiche beeindruckende Bilder. So wie hier zuletzt am 13. Juli 2015 beim Flug über die Cheops-Pyramide in Ägypten. Die beiden Piloten wechselten sich auf den 17 Etappen im Solo-Cockpit ab.
Auf der insgesamt 40.000 Kilometer langen Reise entstanden zahlreiche beeindruckende Bilder. So wie hier zuletzt am 13. Juli 2015 beim Flug über die Cheops-Pyramide in Ägypten. Die beiden Piloten wechselten sich auf den 17 Etappen im Solo-Cockpit ab. © Getty Images | Handout
Am 11. Juni steuerte Borschberg bei Nacht die „Solar Impulse 2“ über die Freiheitsstatue auf Liberty Island im New Yorker Hafen an und ...
Am 11. Juni steuerte Borschberg bei Nacht die „Solar Impulse 2“ über die Freiheitsstatue auf Liberty Island im New Yorker Hafen an und ... © REUTERS | © Handout . / Reuters
... durfte anschließend gleich über die imposante Skyline von Manhattan fliegen.
... durfte anschließend gleich über die imposante Skyline von Manhattan fliegen. © REUTERS | © Handout . / Reuters
Piccard drehte eine Ehrenrunde über die Golden-Gate-Brücke.
Piccard drehte eine Ehrenrunde über die Golden-Gate-Brücke. © REUTERS | © Handout . / Reuters
Die beiden Piloten mussten über den Arabischen Emiraten gegen diesige Sicht ankämpfen.
Die beiden Piloten mussten über den Arabischen Emiraten gegen diesige Sicht ankämpfen. © REUTERS | © Handout . / Reuters
Hawaii gehörte bereits im März zu den Stationen. Dort saßen beiden Piloten wegen überhitzten Batterien ihres Sonnenfliegers mehrere Monate fest.
Hawaii gehörte bereits im März zu den Stationen. Dort saßen beiden Piloten wegen überhitzten Batterien ihres Sonnenfliegers mehrere Monate fest. © REUTERS | © Handout . / Reuters
Im Mai ist Pilot Borschberg dieser traumhafte Schnappschuss vom Mississippi gelungen.
Im Mai ist Pilot Borschberg dieser traumhafte Schnappschuss vom Mississippi gelungen. © REUTERS | © Handout . / Reuters
Beeindruckende Sicht auf das Sonnenwärmekraftwerk Gemasolar Thermosolar Plant ...
Beeindruckende Sicht auf das Sonnenwärmekraftwerk Gemasolar Thermosolar Plant ... © dpa | Solar Impulse 2 / Handout
... im spanischen Andalusien, in der Nähe von Sevilla.
... im spanischen Andalusien, in der Nähe von Sevilla. © dpa | Amalie Decloux, Jean Revillard/
Ein Selfie von Bertrand Piccard darf zwischendurch natürlich nicht fehlen.
Ein Selfie von Bertrand Piccard darf zwischendurch natürlich nicht fehlen. © dpa | Solar Impulse
Ohne einen Tropfen Kerosin ging es unter anderem auch über das Rote Meer.
Ohne einen Tropfen Kerosin ging es unter anderem auch über das Rote Meer. © dpa | Bertrand Piccard/Solar Impulse
Der am 9. März 2015 in Abu Dhabi zu seiner Weltumrundung aufgebrochene Sonnenflieger ist nach insgesamt 17 Etappen und einer Zwangspause in Hawaii wieder sicher an seinem Startort gelandet.
Der am 9. März 2015 in Abu Dhabi zu seiner Weltumrundung aufgebrochene Sonnenflieger ist nach insgesamt 17 Etappen und einer Zwangspause in Hawaii wieder sicher an seinem Startort gelandet. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
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Flügel so groß wie ein Jumbojet und schwer wie ein Auto

Seit 2008 haben DLR-Experten die Entwicklung von „Solar Impulse“ unterstützt. Sie führten die Standschwingungstests durch, die zur Bewertung der sogenannten Flattergefährdung des Flugzeugs erforderlich waren. Eine Flügelspannweite größer als bei einem Jumbojet, aber nur ein kurzer Rumpf mit dem Ein-Personen-Cockpit bei lediglich dem Gesamtgewicht eines Mittelklasseautos – da hätten schon kleine Böen große Verformungen hervorrufen können, wären nicht alle Komponenten optimal aufeinander abgestimmt gewesen.

Kein Wunder, dass die größten Herausforderungen – und sensationellen Rekorde – jeweils die Überquerungen der Ozeane mit ihren schwer vorhersehbaren Windverhältnissen waren. Die ganze Welt staunte, als Borschberg in einem fünf Tage und Nächte dauernden Flug den Pazifik überquerte und dann müde, aber sicher auf Hawaii landete. Nach solchen Etappen wurde ordentlich gefeiert. „Zum Glück ist einer unserer Sponsoren ein Champagnerhersteller“, sagte Piccard.

Piloten wechselten sich ab

Die beiden wechselten sich auf den 17 Etappen im Solo-Cockpit ab. Jeder durfte weltbekannte Bauten überfliegen. Piccard drehte eine Ehrenrunde über die Golden-Gate-Brücke, Borschberg über der Freiheitsstatue. Piccard absolvierte den Solarflugrekord über den Atlantik nach Spanien, Borschberg winkte den Pyramiden bei Kairo von oben zu, ehe Piccard dann die letzte Etappe zum Start- und Zielflughafen Abu Dhabi in Angriff nahm.

Doch es ging natürlich um weit mehr, als das Aufsehen erregende Überfliegen von Sehenswürdigkeiten: „Wir wollen eine neue Welt repräsentieren, eine Welt mit sauberer Technologie“, sagte Piccard. „Denn wir glauben an eine saubere Zukunft und wir glauben, dass sie jetzt begonnen hat.“ Heißt das, wir können in absehbarer Zeit quasi mit der Sonne in den Urlaub fliegen, und der Kerosin-Zuschlag fällt weg? Nein. Denn was Reiseveranstalter wohl als netten Werbeslogan aufgreifen würden, bleibt trotz der eindrucksvollen „Si2“-Rekorde nach Einschätzung der meisten Experten auf lange Zeit Utopie.

Technik für Linienflüge nicht realisierbar

Dass Flugzeuge von Elektromotoren durch die Lüfte getragen werden, halten Forscher zwar für realistisch. Aber aus Solarzellen könne die erforderliche Antriebsenergie für Passagierflugzeuge einfach nicht gewonnen werden. Schon um mit nur einer Person zu fliegen, brauchte „Si2“ mehr als 200 Quadratmeter Fläche für Solarzellen auf den Flügeln. Für 100 Passagiere und hohe Fluggeschwindigkeiten wären jedoch mehrere Quadratkilometer nötig.

Die Lösung auf dem Weg zum emissionsarmen Fliegen mit Elektromotoren seien Hybride aus Gasturbinen oder Wasserstoffbrennzellen und Hochleistungsbatterien, sagt Josef Kallo. „Speziell mit Wasserstoffbrennstoffzelle funktioniert ein viersitziges Flugzeug namens „HY4“, das wir beim DLR entwickelt haben. Ende September soll es in Stuttgart zum offiziellen Erstflug starten.“
Bis zur Serienreife dieses deutschen Elektro-Viersitzers sei „noch Fleißarbeit von fünf bis sieben Jahren erforderlich“, sagt Kallo. Dann könne „HY4“ zum Beispiel als Lufttaxi auf kurzen Strecken eingesetzt werden. „Bis 20-Sitzer mit Wasserstoffbrennzellen unterwegs sind, dürften noch 15 Jahre vergehen, bei 70-Sitzern etwa 20 Jahre“, schätzt der DLR-Forscher.

Auch in den USA und anderen Ländern wird an der Entwicklung solcher Flugzeuge gearbeitet. Überall wird aber nur mit kleineren Maschinen und geringen Reichweiten gerechnet. Der Mittel- und Langstreckenverkehr bleibt auf lange Zeit den Kerosin-Fliegern vorbehalten – und er wird noch zunehmen.

Flugzeugbauer rechnen mit Zuwächsen im Luftverkehr

Die Flugzeugbauer Airbus und Boeing erklärten kürzlich, dass sie mit starken Zuwächsen im Luftverkehr rechnen – vor allem in aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie Indien, China oder Brasilien. Nach ihren Schätzungen werden Airlines weltweit in den nächsten 20 Jahren zwischen 33.000 und 40.000 neue Flugzeuge mit jeweils mindestens 100 Sitzplätzen anschaffen.

Der Gesamtwert liegt laut Schätzungen bei mehr als fünf Billionen Euro. Wenigstens ein kleiner Teil davon könnte mit umweltschonenden Technologien verdient werden, meint DLR-Forscher Böswald. Die Schweizer hätten für „Si2“ Innovationen geschaffen, die bei der Konstruktion herkömmlicher Flugzeuge verwendbar wäre. Denkbar sei zum Beispiel, dass eines Tages mit Solarzellen auf den Tragflächen ein Teil der für die Bordversorgung benötigten Energie gewonnen wird. (dpa)