Erlangen. Chirurgen wollen nächstes Jahr erstmals in Deutschland eine Gebärmutter transplantieren. Für viele Frauen wäre das eine große Chance.

Für viele Frauen ist ein eigenes Kind der größte Wunsch. Doch nicht für alle kann dieser Traum in Erfüllung gehen. Manche Frauen haben keine funktionierende Gebärmutter – entweder von Geburt an, oder weil das Organ wegen Krankheit oder Unfall entfernt werden musste.

Ein Team aus Erlanger Ärzten will ihnen helfen: Die Mediziner des Universitätsklinikums wollen Gebärmütter transplantieren – zum ersten Mal in Deutschland. Es ist ein Eingriff, der nicht ohne Risiko ist – für die potenzielle Organspenderin, die Empfängerin und auch für das womöglich später darin wachsende Kind.

Der Erlanger Gynäkologe Matthias Beckmann ist jedoch überzeugt, dass das Risiko beherrschbar ist und sich lohnt. Denn für die betroffenen Frauen sei es die einzige Möglichkeit, auf legalem Weg in Deutschland ein eigenes Kind zu bekommen.

„Ich bin nicht besonders risikofreudig. Aber die Gesetzgebung treibt die Frauen in die Illegalität“, sagt Beckmann mit Blick auf das hiesige Verbot von Leihmutterschaft und Eizellspende. „Diesen Frauen kann man in Deutschland derzeit einfach nicht helfen. Das heißt, wir müssen ein ganz anderes Verfahren finden.“ Auch zwei Gruppen in Heidelberg und Tübingen planen den Eingriff.

2014 kam in Göteborg ein gesundes Kind zur Welt

Dass die Transplantation machbar ist und dass damit gesunde Kinder geboren werden können, hat der Gynäkologe Mats Brännström in Schweden gezeigt. Im Jahr 2014 brachte in Göteborg zum ersten Mal weltweit eine Frau mit einer gespendeten Gebärmutter ein gesundes Baby auf die Welt. Inzwischen sind fünf Kinder auf diese Weise geboren worden.

Auch in anderen Ländern wurde die OP versucht. Weltweit gebe es publizierte Daten von knapp 20 Fällen, in denen die Transplantation geklappt habe, sagt Beckmann. Die Dunkelziffer der Misserfolge sei sicher „zwei- bis dreimal so hoch“.

Infrage kommen für die OP Frauen, bei denen die Gebärmutter wegen einer genetischen Veränderung von Geburt an fehlt oder zu klein ist – betroffen sind 5000 bis 10.000 Frauen in Deutschland. Und solche, die das Organ durch eine bösartige Erkrankung oder durch Infektion oder Unfall verloren haben.

Die Gebärmutter wird später wieder entfernt

Am liebsten würden die Erlanger Organe von lebenden Verwandten transplantieren. Weil die Eingriffe dann besser planbar sind als bei Organspenden von hirntoten Unfallopfern. „Das müssen wir aber auch in Betracht ziehen“, sagt Beckmann. Das Alter der Gebärmutter sei dabei egal.

Empfängerinnen müssen wie nach jeder Transplantation Medikamente nehmen, die das Abwehrsystem des Körpers unterdrücken. Daher wollen die Ärzte die Gebärmutter nach der Schwangerschaft wieder entfernen.

Für den ersten Eingriff sind viele Vorarbeiten nötig: In Erlangen wird seit zehn Jahren die Gebärmutter erforscht – ihre Funktionen und Mobilität, wie sie an Blutgefäße angeschlossen ist und wie die Wehentätigkeit funktioniert. Nun soll die Transplantation in Tierversuchen mit Schafen getestet werden.

Für viele dafür nötige Schritte hätten die Mediziner erprobte Standardtechniken, sagt der 55-Jährige Beckmann. Neu entwickelt werden müsse eine Technik beim Einsetzen der Gebärmutter: Bei vielen Frauen, die von Geburt an keinen Uterus haben, seien die Blutgefäße zu kurz. Chirurgen wollen ein künstliches Gefäß anlegen, das die Verbindung zwischen Uterus und Blutgefäß überbrückt.

Für betroffene Frauen derzeit die einzige Alternative

Noch ist unklar, ob Bayern dem Uni­klinikum die Genehmigung erteilt. Beckmann sagt, wenn alles gut laufe, „haben wir im Frühjahr nächsten Jahres die Genehmigung und das Know-how“. Die Deutsche Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM) lehnte Gebärmuttertransplantationen vor vier Jahren noch ab.

Nach den erfolgreichen OPs von Brännström hat sich das geändert: „Herr Brännström hat uns eines Besseren belehrt“, sagt Jan-Steffen Krüssel vom Beirat der DGRM. Das Verfahren funktioniere. Das Ganze setze jedoch einen „mechanisch exzellenten Operateur voraus“, sagt Krüssel. Die Transplantation sei derzeit für die betroffenen Frauen die einzige Alternative – „zugegebenermaßen mit sehr hohem Aufwand und nicht ohne medizinisches Risiko“.