Berlin. Eine neue App informiert über zahlungsunfähige Firmen und Privatpersonen. Rechtlich ist das erlaubt. Trotzdem ernten die Macher Kritik.

Rund 50.000 Mal wurde im ersten Halbjahr 2016 in Deutschland eine Insolvenz angemeldet. 50.000 Unternehmen oder Privatpersonen, die wahrscheinlich kein gesteigertes Interesse daran haben, ihre Zahlungsunfähigkeit an die große Glocke zu hängen. Dementsprechend wenig begeistert dürften sie sein angesichts der Tatsache, dass man die Geschichte ihrer Geldprobleme nun ganz bequem auf dem Smartphone nachlesen kann.

Die neue App „Achtung Pleite“ hat nach eigenen Angaben die Daten von rund 98 Prozent aller deutschen Schuldner gesammelt und aufbereitet. Mehr als eine Million Insolvenzfälle, die für jeden, der 2,99 Euro in die Anwendung investiert, auf seinem Smartphone erscheinen.

Denn der schwarze Geier vor grünem Hintergrund, der sich nach dem Download zwischen den Logos von Whatsapp, Facebook und anderen Apps einnistet, gibt viele Details der Schuldner preis. Nach Name, Straße, Ort, Stadtteil und Postleitzahl lässt sich die Suche eingrenzen. „Nur zwei Klicks“ reichen, werben die rheinland-pfälzischen Macher der App, um gesuchte Schuldner zu finden – und sich damit mehr Sicherheit für seine Geschäfte zu verschaffen: Ist mein Auftraggeber zahlungsfähig? Ist der Online-Shop, bei dem ich bestellen will, in der Insolvenz? Kann ich die Baufirma bedenkenlos engagieren? Diese Sorgen will die App ihren Nutzern nehmen.

Einladung zum „Schulden-Voyeurismus“?

Juristisch ist das kein Problem. Die zuständigen Gerichte in Deutschland machen Insolvenzen öffentlich bekannt. Auch im Internet lassen sich Schuldner finden. Auf insolvenzbekanntmachungen.de werden die Bekanntmachungen aus dem gesamten Bundesgebiet gesammelt – kostenfrei. Nach Bundesland, Gericht und Registerart lässt sich die Suche dort einschränken. Im Prinzip ist das nicht viel weniger, als „Achtung Pleite“ bietet. Trotzdem ernten die Entwickler viel Kritik.

Wer sich nämlich in der App einen Schuldner genauer anschauen will, bekommt neben den Gerichtsdokumenten des Insolvenzverfahrens auch die vollständige Adresse geliefert. Das erlaubt es „Achtung Pleite“ nicht nur alle Schuldner aufzulisten, sondern auch in einer Kartenansicht zu zeigen, die man bis auf einzelne Straßenzüge vergrößern kann. Das führt zu einer anderen Öffentlichkeit als auf dem kostenfreien Justizportal. Ohne viel Mühe lässt sich nach Schuldnern und den Geschichten ihrer Bonitätsprobleme etwa in der eigenen Nachbarschaft suchen. Kritiker mahnen, die App verführe zu einer Art „Schulden-Voyeurismus“, sie stelle Leute an den Pranger.

Ebenso sei noch ungeklärt, inwieweit „Achtung Pleite“ sich an die Datenschutzrichtlinien hält. Laut Gesetz dürfen Insolvenzfälle im Internet nur zwei Wochen nach ihrer Bekanntmachung über eine uneingeschränkte Suche zu finden sein. Weiter ist vorgeschrieben, dass die Daten sechs Monate nach Aufhebung oder Einstellung eines Verfahrens gelöscht werden müssen; kommt ein Verfahren zum Abschluss, müssen die Daten spätestens drei Jahre danach aus dem Speicher verschwinden. Zumindest Letzteres sichern die Betreiber in ihrer Produktbeschreibung zu.