Leipzig/Dresden. Jahrelang beschäftigte die Dresdner Waldschlößchenbrücke die Justiz. Das Urteil: Ihr Bau war rechtswidrig – doch sie bleibt stehen.

Die Entscheidung der Unesco war für die stolze Stadt Dresden eine Blamage: 2009 verkündeten die Kulturschützer, dem bekannten Dresdner Elbtal seinen Status als Weltkulturerbe abzuerkennen. Der Grund war die damals noch im Bau befindliche Waldschlößchenbrücke über die Elbe: Die verändere das Landschaftsbild „dramatisch“. Die Brücke hatte schon zuvor zu schweren Zerwürfnissen innerhalb der sächsischen Landeshauptstadt geführt. Einerseits hatten sich die Dresdener in einem Bürgerentscheid für den Bau der Elbquerung ausgesprochen, anderseits gab es Massenproteste, es kam sogar zu Anschlägen auf die Baustelle. Naturschutzverbände klagten, doch umsonst: Heute überspannt die gewaltige Stahlbetonkonstruktion mit einer Gesamtlänge von mehr als 600 Metern fast die gesamte Breite der Elbauen.

Daran wird sich nichts ändern. Dem juristischen Tauziehen zwischen dem Land Sachsen und Naturschützern, das die sächsische Metropole seit Jahren in Atem hält, folgte am Freitag ein Urteil. Das Bundesverwaltungsgericht befand in Leipzig: Der dem Bau zugrunde liegende sogenannte Planfeststellungsbeschluss, vergleichbar mit der Baugenehmigung im privaten Bereich, war teilweise rechtswidrig. Dennoch: Die Brücke darf stehen bleiben. Denn die Behörden können nachbessern. Damit ging eine Klage der Grünen Liga Sachsen ins Leere, die den Beschluss in Gänze kippen wollte. Das Urteil ist ein weiterer Höhepunkt einer unendlichen Posse.

Seit zwei Jahrzehnten tobt der Streit um die Brücke

Seit zwei Jahrzehnten tobt der Streit um die Waldschlösschenbrücke. Sie ist eines der umstrittensten Bauprojekte Deutschlands. Vor 20 Jahren hatte der Stadtrat mit 41 zu 22 Stimmen den ersten Beschluss zum Brückenbau gefasst. Schon bald hagelte es Proteste, es ging zum einen um ökologische, zum anderen um ästhetische Überlegungen. 2005 geriet die Brücke erstmals überregional in die Schlagzeilen. Die Dresdner hatten das einer ziemlich seltenen Fledermausart zu verdanken, der Kleinen Hufeisennase, die in den Elbauen lebt. Naturschützer forderten, die Tierchen vor zu viel Verkehr zu bewahren – der Gedanke liegt nahe, dass die Fledermäuse in den Augen der Aktivisten ein geeignetes Druckmittel waren, um die ungeliebte Brücke zu verhindern.

Die Kleine Hufeisennase ist so selten, dass sie kaum jemand je gesehen hat. Zu ihrem Schutz, so legte das Oberverwaltungsgericht fest, dürften während der Flugzeit die Autos nach der Eröffnung auf der vierspurigen Brücke höchstens 30 Stundenkilometer fahren. Unter der Brücke soll eine Leitpflanzung, die 220.000 Euro zusätzlich gekostet hat, die kleinen Säugetiere zu ihren Schlafplätzen führen. Die Gerichtsurteile und die damit verbundenen Verzögerungen verlängerten nicht nur die Bauzeit – die Eröffnung wurde dreimal verschoben –, sie trieben auch die Kosten hoch auf etwa 180 Millionen Euro. So wurde die Brücke zum teuersten Bauwerk ihrer Art in Deutschland.

Abriss der Brücke gilt als unwahrscheinlich

Trotzdem wurde die Elbquerung 2013 feierlich für den Verkehr freigegeben, seitdem fahren täglich Tausende Autos und Laster über die Brücke. Die Gerichte befassten sich weiter mit dem Bauwerk, die Grüne Liga hatte gehofft, den Verkehr doch noch stoppen zu können. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier sprach zu Beginn der Verhandlung vielen Beobachtern aus der Seele: „Die Brücke steht, der Verkehr fließt. Wäre es da nicht an der Zeit, sich gütlich zu einigen?“ Er schlug einen Vergleich vor. Ansonsten, warnte er, müsse noch viel Steuergeld in die Hand genommen werden, um das Verfahren abzuschließen. (Aktenzeichen: 9 C 3.16)

Ein Abriss der Brücke kommt laut Richter Bier nur als Ultima Ratio in Betracht und gilt als unwahrscheinlich. Doch auch Autofahrer sind nicht wirklich zufrieden mit ihr: Die LED-Beleuchtung sei zu stark, der Straßenbelag sei „wellig“. Ein Ende des Streits ist weiterhin nicht in Sicht.