Berlin. Kazim Akboga ist der Mann hinter „Is mir egal“. Passend zur Europameisterschaft kommt er mit einem eigenen Fan-Song.

Der Comedian Kazim Akboga hatte kürzlich eine „Camus-Phase“. Das heißt: Er hat mehrere Romane von Albert Camus gelesen, unter anderem sein berühmtestes Werk „Der Fremde“. Einmal brät sich die Hauptfigur ein Ei in der Pfanne und sucht nach Brot im Haus. Albert Camus schreibt auf Seite 28: „Ich hatte keins mehr da und hatte auch keine Lust, hinunterzugehen und welches zu kaufen.“ Albert Camus wollte das Buch eigentlich „Der Gleichgültige“ nennen.

Durchbruch mit „Is mir egal“

Kazim Akboga, der 33 Jahre alte Deutschtürke, hat den Satz „Is mir egal“ auf seinem rechten Arm als Tattoo geschrieben. Das bezieht sich auf sein Lied, das ihm vor rund zwei Jahren eine kleine Fangemeinde einbrachte und vor einem halben Jahr zu einem viralen Werbehit für die Berliner U-Bahn geworden ist. Er singt: „Keine Arbeit/is mir egal/Keine Geld/is mir egal/Zweite Mahnung/is mir egal“ und so weiter.

In diesen Tagen wird er bei Youtube sicher die Sechs-Millionen-Marke knacken – sein zweiter Hit klingt ähnlich orientalisch, und auch der Text ist eingängig. Es geht um die Fußball-EM, und er singt: „Deutschland ist gute Land/Deutschland holt die Pokal.“

Geschrieben hat es Kazim Akboga, weil er gern Fußball schaut. „In Hannover bin ich neulich aus dem Zug gestiegen, nur um ein Deutschland-Spiel in einer kleinen Kneipe zu schauen.“ Er selbst spielt lieber mit Worten und kokettiert mit gebrochenem Deutsch und falscher Grammatik. „Ich habe ein Statement und baue das mit einer einfachen Melodie zusammen.“ Gerade dadurch erreicht er die Millionen. „Meine Songs sind eher Slogans“, sagt er. Bei „Is mir egal“ hat genau das geklappt. „Aber ich finde“, und er schaut dabei ganz ernst, „es ist durchaus ein sozialkritischer Song, Verweigerung ist schließlich ein politischer Akt.“

Ausbildung zum Fremdsprachensekretär

Wenn Kazim Akboga von seiner Kindheit und Jugend erzählt, lernt man, woher diese Verweigerung kommt. In einem kleinen Ort bei Schweinfurt aufgewachsen, hat er lange mit sich gehadert. Die Schule habe er zwar abgeschlossen, aber er sei damals „ein Loser“ gewesen, habe gestottert. Inzwischen ist das kaum hörbar. Dann lernte er Fremdsprachensekretär, mit den Sprachen Englisch und Spanisch. Aber gearbeitet hat er nie in dem Job, ging stattdessen nach Hamburg an eine Werbeagentur und textete fünf Jahre lang in Glasbüros für Großfirmen. Er hasste den Druck und das frühe Aufstehen.

Von dort zog er vor drei Jahren nach Berlin und wollte es als Künstler versuchen. „Is mir egal“ wurde ein Überraschungshit, sicherlich, weil er ein Lebensgefühl traf. Dabei schrieb Albert Camus schon 1964 auf Seite 74: „Bleiben oder gehen – es kam auf dasselbe hinaus.“

Mittlerweile hat er 123.000 Abonnenten auf Youtube

Und nach dem Hit? „Ich hab erst mal den Medienansturm überstanden“, sagt er, „und mich über die vielen neuen Follower auf meinem Kanal gefreut.“ Sein Vater hätte ihn lieber in einer festen Anstellung gesehen, aber er macht seine Kunst nicht für seine Eltern – oder für die Fans. Kazim Akboga sieht sie eher als Therapie an. „Das ist in meinem Kopf und muss einfach raus“, sagt er. Nicht alles sei da jetzt immer auf dem Punkt, das müsse es auch nicht. Er sagt: „Manchmal finde ich mich klug.“ Das ist sicher auch so ein Satz, hinter den sich viele seiner Fans stellen können. Wer ist schon perfekt? Dann lieber einen Antihelden.

Rund 123.000 Abonnenten sind es mittlerweile, die seinen Youtube-Kanal regelmäßig anschauen und kommentieren, nicht nur positiv. Bösartig waren die Kommentare, als er sich an der Debatte um „Böhmermann/Erdogan“ beteiligte: „Missgeburt“ und „Elender Hund“ nannten sie ihn. Morddrohungen kamen hinzu. Das hat ihn getroffen, und am dritten Tag war das Video gelöscht. Er wird das Lied nie wieder aufführen. Es war ihm zum ersten Mal nicht mehr egal.

Auftritte in Großraumdiskotheken

Kazim Akboga sagt, dass er sich „noch finden“ müsse. Er probiere halt rum. „Ich mach die meisten Sachen in meinem Leben halt: irgendwie.“ „Irgendwie“ klingt auch nach: „egal“. Aber dass sein Talent in den ganz kurzen Weisheiten liegt, hat immerhin ein Buchverlag bereits erkannt. Im Herbst erscheint sein erstes Werk. Darin werden nur kurze Sprüche stehen, zum Beispiel: „Iss so, weil iss so.“ Noch ist es nicht fertig. „Ich muss es morgen noch zu Ende schreiben“, sagt er. „Irgendwie müssen da auch noch Zeichnungen rein.“

Vielleicht tauchen dann auch Zitate aus seinem neuen Song „Deutschland ist gute Land“ auf: „Das is’ diese Mittelfeld/wo den jeden gefällt“ und „Verteidigen macht beste Mann/Gegner macht nix Bamm Bamm“. Akboga singt das Lied jetzt an den Wochenenden in Großraumdiskotheken, immer in seinem typischen Outfit: ein weißes lockeres Hemd über einer Jogginghose. Manchmal schaut sein Bauch darunter hervor. Egal. Nur nicht perfekt sein. Am Ende wollen sie dann alle „Is mir egal“ hören.

In Zukunft mehr Bühnenauftritte

Als Nächstes plant er mehr Bühnenauftritte, aber weiß noch nicht, ob er genug Inspiration für ein eigenes abendfüllendes Comedyprogramm hat. Zumindest seinen Bühnennamen hat er schon. „Leider“, sagt er, „ist es auch mein echter Name: Kazim.“ Seine Eltern haben ihn ausgesucht. Eine von vielen Bedeutungen lautet: „Der, der keinen Ehrgeiz hat.“