Berlin. Knurrig und trinkfest, romantisch und tiefsinnig. Der Waliser ist schwer zu fassen. Sieben coole Typen aus einem kleinen, großen Land.

„Ich würde lieber zur Hölle fahren als nach Wales.“ Das sagte vor etwa hundert Jahren Herbert Henry Asquith. Er regierte von 1908 bis 1916 als Premierminister des Vereinigten Königreichs. Zu dieser Zeit war es in England üblich, auf Wales von oben herabzublicken. Das hat sich inzwischen geändert und an diesem Mittwoch können die Waliser, wenn sie im Halbfinale der Fußball-EM gegen Portugal antreten, ihrerseits auf die Engländer herabsehen, die nach ihrem schmählichen Aus gegen Island längst wieder zu Hause sind.

Die Waliser sind nicht viele, gerade einmal 3,06 Millionen Einwohner zählt das Land. Doch sie wissen sich zu wehren, wie schon die Belgier im Achtelfinale der EM leidvoll erfahren mussten. Und Wales hat neben den Fußballern einiges an Prominenz zu bieten, wie ein Blick in seine Geschichte verrät.

Llywelyn ap Gruffydd. Er war der letzte Gebieter eines unabhängigen Wales, bevor es von Eduard I. von England erobert wurde. Deshalb wird er heute auch Llywelyn Ein Llyw Olaf genannt, was so viel heißt wie „Llywelyn, unser letzter Herrscher“. Er starb 1282 in der Schlacht von Orewin Bridge. Ihm wurde der Kopf abgeschlagen und auf den Zinnen des Tower von London ausgestellt. Über den Verbleib seines Körpers ranken sich zahlreiche Mythen. 2005 verkündete ein Ausgrabungsteam, die Überreste des tapferen Llywelyn geortet zu haben – unter einem Pub in Cardiff.

George Everest (1790-1866)
George Everest (1790-1866) © Getty Images | Hulton Archive

George Everest. Wales ist kein hochgebirgiges Terrain. Der Snowdon (Schneeberg) misst als höchste Erhebung des Landes gerade einmal 1085 Meter. Der sagenhafte König Artus soll dort begraben liegen. Dass der höchste Berg der Welt aber ausgerechnet nach einem Waliser benannt wurde, hat seinen Grund: George Everest (1790-1866), Namensgeber des Mount Everest, arbeitete 13 Jahre als Leiter der Großen Trigonometrischen Vermessung Indiens. Als der Mann aus Crickhowell erfuhr, dass das Dach der Welt nach ihm benannt werden soll, reagiert er leicht irritiert: Die heimische Bevölkerung könne doch seinen Namen gar nicht richtig aussprechen, gab er zu Protokoll.

Shirley Bassey. Die gelernte Kellnerin aus Cardiff landete den ersten walisischen Nummer-1-Hit: „As I love you“. 1959 war das – der Start zu einer Weltkarriere. Später lieferte die Sängerin die unvergesslichen Soundtracks zu James-Bond-Filmen. „Diamonds are forever“ und „Goldfinger“ sind Evergreens aus Wales.

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Guto Nyth Brân. Ein Sportler darf nicht fehlen in dieser Liste. Der gute Guto, geboren im Jahre 1700 in Bedwas, machte schon als Kind durch seinen flotten Laufstil auf sich aufmerksam. Über ihn heißt es, dass er von zu Hause nach Pontypridd und zurück laufen konnte, bevor das Wasser im Kessel seiner Mutter kochte. Immerhin eine Strecke von elf Kilometern. Bald fand er keine Gegner mehr, die mithalten konnten. Guto Nyth Brân gewann schließlich auch sein größtes Rennen, als es um ein Preisgeld von 1000 Guineas ging. Nach furiosem Endspurt brach er kurz hinterm Ziel tot zusammen. Als Läufer blieb er ungeschlagen – und in Wales unvergessen.

Dylan Thomas (1914-1953)
Dylan Thomas (1914-1953) © Getty Images | Gabriel Hackett

Dylan Thomas. Waliser gelten als trinkfest. Einer, der dieses Image pflegte, war der Dichter Dylan Thomas, geboren 1914 in Swansea. Dem Kriegsdienst entging er, indem er volltrunken zur Musterung erschien und krankheitshalber freigestellt wurde. Eines seiner am häufigsten zu findenden Zitate lautet: „Ich werde den Verdacht nicht los, dass Abstinenzler die Sachen nicht mögen, auf die sie verzichten.“ Thomas starb 1953, in New York, fernab von Wales. 2015 wurde ein Asteroid nach ihm benannt.

Bertrand Russell. Also sprach der Mann aus Trellech: „Wer ein Philosoph werden will, darf sich nicht vor Absurditäten fürchten.“ Russell fürchtete sich vor gar nichts – und wurde einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts, bekam 1950 sogar den Nobelpreis für Literatur. Russel gilt als einer der Väter der Analytischen Philosophie, und wer weiß, vielleicht wüsste der walisische Nationaltrainer heute Russells Analyse zu schätzen, wenn er vor dem Portugalspiel vor der Frage steht: Dreierkette oder Viererkette?

 Laura Ashley (1925-1985)
Laura Ashley (1925-1985) © imago stock&people | United Archives International

Laura Ashley. Wer in einem Ort geboren wird, der einen so geheimnisvollen Namen wie Merthyr Tydfil trägt, der ist zum Träumen geboren. Laura Ashley begann in der heimischen Stube mit eigenen Servietten- und Kopftuch-Kreationen – um in den 60er- und 70er-Jahren mit ihren langen Rüschenkleidern und romantischen Blumenmustern die Modewelt zu erobern. Laura Ashley, so sagen manche, habe sich von den Mythen und Legenden ihrer walisischen Heimat inspirieren lassen. Lebte sie noch, würde sie heute wohl immer noch träumen – vielleicht vom Endspiel bei der Europameisterschaft...