Washington. Rebellisch wie ein Kind, gerecht wie eine Königin: So wurde Olivia de Havilland von ihrem Ex Errol Flynn beschrieben. Nun wird sie 100.

Madonnenhaft an das Gute im Menschen zu glauben und vornehm zu leiden, wenn das Böse doch zum Vorschein kommt, darin machte Melanie Hamilton niemand etwas vor. Noch im Sterben begegnete die scheue Südstaatenlady ihrer Schwägerin Scarlett O’Hara und deren Hang zu Männern mit und ohne Ehering so nachsichtig, dass man auch beim 99. Anschauen des Klassikers „Vom Winde verweht“ den Zuruf nicht unterdrücken konnte: Melanie, dem rücksichtslosen Biest gehören die Augen aus den Höhlen gekratzt! Aber Olivia de Havilland war nicht so.

Nicht auf der Leinwand, wo ihr die Drehbücher oft überirdische Selbstlosigkeit abverlangten. Was dabei in Vergessenheit geriet: Die Hollywood-Ikone war im echten Leben ein harter Knochen, über den ihr langjähriger Film- und kurzzeitiger Lebensabschnittspartner Errol Flynn sagte: „Sie ist rebellisch wie ein Kind, aber gerecht und majestätisch wie eine Königin.“ Am 1. Juli feiert Olivia de Havilland ihren 100. Geburtstag.

De Havilland stritt erfolgreich gegen Warner Brothers

Ihrem Gerechtigkeitssinn verdanken Generationen von Schauspielern jenes Maß an Bewegungsfreiheit, das in de Havillands Berufsanfängerjahren in der Traumfabrik alles andere als selbstverständlich war. In einem Musterprozess gegen ihr Studio, die damals allgewaltigen Warner Brothers, setzte de Havilland durch, dass Darsteller ihre Arbeitgeber, ihre Rollen und Filme fortan weitgehend selbst aussuchen durften und nicht mehr wie Leibeigene von Set zu Set geschoben wurden.

Bis ins hohe Alter betrieb Olivia de Havilland Yoga und malte. Das Bild zeigt sie im Jahr 2011.
Bis ins hohe Alter betrieb Olivia de Havilland Yoga und malte. Das Bild zeigt sie im Jahr 2011. © imago stock&people | imago stock&people

Die Rebellenpose tat der Schauspielerin, die ihrer älteren Schwester und ebenfalls sehr erfolgreichen Darstellerin Joan Fontaine in tiefer Hassliebe verbunden war, wider Erwarten gut. Ihre beiden Oscars bekam de Havilland lange nach „Vom Winde verweht“ für die Rolle der Jody Norris in „Mutterherz“ (1946) und für die ausgenutzte, betrogene und herumgeschubste Catherine in William Wylers Melodram „Die Erbin“.

Entdeckt wurde Olivia de Havilland von Max Reinhardt. Der aus Österreich emigrierte Regisseur sah sie 1935 in einer Schüleraufführung des „Sommernachtstraums“ von Shakespeare und engagierte sie vom Fleck weg für Bühne und Kamera. Wenig später begann an der Seite von Errol Flynn ihre Ära in Piraten- und Fechtfilmen wie „Captain Blood“ und „The Adventures of Robin Hood“. Im Südstaatenepos „Vom Winde verweht“ stand sie im Schatten von Clark Gable (alias Rhett Butler) und Vivian Leigh, die den Part der Scarlett spielte.

Yoga und Kreuzworträtsel bis ins hohe Alter

Bereits in den 50er-Jahren zog de Havilland der Liebe wegen nach Paris. Die Metropole an der Seine wurde an der Seite des Schriftstellers Pierre Galante ihre Wahlheimat, aus der sie sich nur noch sporadisch verabschiedete. Etwa 1964 für den Psychothriller „Wiegenlied für eine Leiche“. In dem Werk, das meist im Spätabendprogramm gezeigt wird und heute immer noch für Grusel sorgt, machte sich Regisseur Robert Aldrich de Havillands Image als frommes Lämmchen auf subtile Weise zunutze. An der Seite der großen Bette Davis spielte die Jubilarin eine düstere Frau, der das Leben die Seele verschüttet hat.

Olivia de Havilland hat bis ins hohe Alter Kreuzworträtsel gelöst, Yoga betrieben und sich der Malerei gewidmet. Älteren Datums ist der Beweis für ihr satirisches Talent als Schriftstellerin. Ihr Buch „Jeder Franzose hat eine“ wurde zum Bestseller, weil sich die Amerikaner vor allem sexlastige Geschichten über Mätressen und Seitensprünge erhofften. Olivia de Havilland schrieb aber über die Wein- und Cognactrinker ihrer zweiten Heimat. Und über deren Lebern.