Marseille. Nach den Ausschreitungen in Marseille sind sechs Briten zu Haftstrafen verurteilt worden. Auch Fans anderer Nationen wurden bestraft.

Nach den Ausschreitungen von Marseille sind EM-Fans im Schnellverfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Ein Gericht in der südfranzösischen Hafenstadt verurteilte am Montag sechs Briten, drei Franzosen und einen Österreicher wegen ihrer Beteiligung an den Zusammenstößen im Umfeld des Spiels Russland gegen England. Wie die französische Nachrichtenagentur AFP meldete, erhielt ein 29-jähriger Franzose die härteste Strafe: Er wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, die Hälfte davon auf Bewährung. Der Mann hatte drei Menschen getreten sowie mit der Faust und dem Gürtel geschlagen.

Die sechs Briten, darunter ein 20-jähriger Koch und ein Krankenpfleger aus einer Psychiatrie, müssen für bis zu drei Monate in Haft, etwa für den Wurf einer Bierflasche in Richtung von Polizisten. „Ich entschuldige mich bei den Bewohnern und der Polizei von Marseille. Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagte einer von ihnen vor Gericht. „Das sieht mir nicht ähnlich.“

Verurteilten hatten Alkohol getrunken

Für einen weiteren Franzosen gab es vier Monate Haft, der dritte Einheimische bekam sechs Monate auf Bewährung – er ist der Einzige, der laut Urteil nicht ins Gefängnis muss. Fast alle Verurteilten hatten keine Vorstrafen und hatten sehr viel Alkohol getrunken. Die Strafe des Österreichers wurde in dem Bericht zunächst nicht genannt.

Die Vorkommnisse hatten Furcht vor weiteren Krawallen bei der Fußball-Europameisterschaft geschürt. An den Ausschreitungen sollen 150 „extrem trainierte“ russische Hooligans beteiligt gewesen sein, die es auf Randale angelegt hatten – von ihnen wurde bislang kein einziger gefasst.

„Sie sind gekommen, um sich zu schlagen“, sagte der französische Staatsanwalt Brice Robin am Montag. Die russischen Hooligans hätten extrem schnell gehandelt und seien dann wieder verschwunden. Nun werden Videoaufnahmen ausgewertet, um die Gewalttäter doch noch zu identifizieren.

„Überfall“ eines „paramilitärischen Kommandos“

Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen wurden 35 Menschen verletzt, vier davon schwer, ein weiterer Mensch schwebte am Montagnachmittag noch in Lebensgefahr. Beim überwiegenden Teil der Verletzten handelt es sich Robin zufolge um Engländer.

Der Historiker Sébastien Louis, ein französischer Experte für Gewalt-Fans, der die Vorfälle in Marseille beobachtete, beschrieb das Vorgehen russischer Hooligans als „Überfall“ eines „paramilitärischen Kommandos“.

Der Chef der britischen Polizeidelegation bei der EM, Mark Roberts, sagte, die russischen Hooligans seien hoch organisiert und aggressiv. „Unsere Spotter in Marseille (Beamte, die nach Gewalttätern Ausschau halten) haben gesehen, wie sie Mundschutze, Kampfsport-Handschuhe und Tücher anlegten, bevor sie englische Fans im Hafen angriffen“, erzählte Roberts dem „Guardian“. Es sei allerdings auch eine kleine Minderheit englischer Fans nach Marseille gekommen, um Ärger zu machen.

Alkoholverbot in „sensiblen Bereichen“

Nach Angaben des Pariser Innenministeriums wurden von Freitag bis Sonntagabend in Frankreich 116 Menschen im Zusammenhang mit Fußball-Randale vorläufig festgenommen. 63 von ihnen mussten für Verhöre in Polizeigewahrsam bleiben. Drei gewalttätige Fans seien ausgewiesen, fünf weiteren Einreiseverbote ausgesprochen worden.

Um weitere Krawalle zu vermeiden, setzen die Städte Lyon und Toulouse nun auf Einschränkungen beim Verkauf von Alkohol. Die jeweils zuständigen Präfekten verboten es, Fans Alkohol zum Mitnehmen zu verkaufen. Innenminister Bernard Cazeneuve hatte die örtlichen Behörden nach den Gewaltszenen von Marseille aufgefordert, in „sensiblen Bereichen“ Alkoholverbote zu verhängen. (dpa/rtr/jei)