Washington/Louisville. Am Freitag wird Muhammad Ali in seiner Heimatstadt Louisville beerdigt. Unzählige Fans und prominenten Wegbegleiter werden erwartet.
Für den Tag, an dem Allah das letzte Handtuch für ihn wirft, wollte Muhammad Ali nichts dem Zufall überlassen. Seit Jahren, sagte sein Sprecher Bob Tunnel, stand darum die Choreographie für die Trauerfeier fest, mit der sich der größte Sportler aller Zeiten, ein amerikanischer Mythos mit weltumspannender Geltung, einmal verabschieden wird. Louisville, wo Ali als Cassius Marcellus Clay am 17. Januar 1942 als Sohn eines Plakatmalers und einer Putzfrau geboren wurde, wird dabei in dieser Woche die Hauptrolle spielen.
Seine am Ohio-River liegende Geburtsstadt in dem für hochprozentigen Bourbon und edle Rennpferde bekannten US-Bundesstaat Kentucky rüstet sich für das größte Medien-Ereignis ihrer Geschichte. Nachdem der engste aber stattliche Familienkreis, Ali hat neun Kinder von vier Frauen, am Donnerstag in einer privaten Zeremonie mit einem Imam Abschied genommen hat, wird am Freitagmorgen um 9 Uhr von seinem erst vor wenigen Tagen als Museum eröffneten pinkfarbenen Geburtshaus in der Grand Avenue Nr. 3302 ein von Zehntausenden gesäumter Trauerkorso durch die ganze Stadt ziehen. Endstation: Friedhof Cave Hill, die Stätte seiner letzten Ruhe, wo der 1964 zum Islam übergetretene Muhammad Ali nach muslimischem Ritus beigesetzt wird.
Trauerfeier mit Prominenz
In der nahe gelegenen KFC Yum!-Arena werden nach einer Würdigung durch Gesandte verschiedener Religionen ab 14 Uhr der frühere Präsident Bill Clinton, der Hollywoodschauspieler Billy Crystal und der renommierte Sportmoderator Bryant Gumbel an den an den Folgen eines septischen Schocks in Scottsdale verstorbenen Ausnahme-Athleten erinnern. Der 74-Jährige, der 1981 seinen letzten Box-Kampf bestritt und seit 32 Jahren an der Parkinson-Krankheit litt, war am vergangenen Montag wegen hartnäckigen Atembeschwerden von seinem Hauptwohnsitz Paradise Valley nahe Phoenix ins Krankenhaus eingeliefert worden. Als sich sein Zustand nicht stabilisierte, wurde die Familie eingeflogen. Sie saß am Sterbebett, als Ali am Freitagabend gegen 23 Uhr Ortszeit starb. Seine Tochter Hana berichtete via Twitter, das Herz ihres Vaters habe noch 30 Minuten lang geschlagen, als alle andere Organe bereits versagt hatten.
Bereits wenige Stunden, nachdem sich die Todesnachricht über die sozialen Medien verbreitet hatte, wurde ein großzügiger Gebäude-Komplex in der Innenstadt Louisvilles zum Epi-Zentrum der Anteilnahme. Hier, an der 6. Straße ganz nah am Wasser, hatten ihm Stadtväter, Gönner und Wegbegleiter nach jahrelangem Vorlauf für 80 Millionen Dollar schon zu Lebzeiten eine aus lichtdurchfluteten Ausstellungsräumen, Bibliothek, Hörsaal, Kino, Amphi-Theater und Studienzentrum bestehende Erinnerungsstätte gebaut, für die der Begriff Museum beileibe nicht ausreicht.
Tausende legten Blumen nieder und verneigten sich
Das 2005 im Beisein von Ex-Präsidenten (Carter und Clinton), Hollywood-Stars (Brad Pitt und Angelina Jolie), alten Freunden (Kris Kristofferson) und vielen früheren Box-Weltmeistern eröffnete „Muhammad Ali Center“ ist ein „Tempel der Begegnung“, wie die Lokalzeitung „The Courier-Journal“ treffend schrieb. Vor allem junge Menschen sollen hier „Alis Botschaft von Respekt, Hoffnung und Verständnis hören“, sagte die Sprecherin der Einrichtung einmal dieser Redaktion. „Sie sollen inspiriert werden, das Beste aus sich zu machen.“ Tausende kondolierten dort am Wochenende, legten Blumen nieder und verneigten sich tief bewegt vor dem Haus, an dem Bürgermeister Greg Fischer wie an anderen öffentlichen Gebäuden auch die amerikanische Flagge auf Halbmast setzen ließ.
Wer die auf sechs Stockwerken und gut 9000 Quadratmeter verteilten heiligen Hallen einmal besuchen durfte, kann die Erzählung vom „Geist von Louisville“ besser verstehen. Wer nie das Glück hatte, Ali zu seinen besten Zeiten live zu erleben, seine Eleganz im Ring gegen Kampfmaschinen wie Sonny Liston, George Foreman und Joe Frazier, seine rhetorische Wucht, sein politisches Sendungsbewusstsein und sein unerschöpfliches Show-Talent, der lernt hier, warum die Prophezeiung des Schriftstellers Alex Haley („Roots“) tatsächlich stimmt: „99,999 Prozent aller Menschen sind 100 Jahre nach ihrem Tod vergessen. Und von denen, an die man sich erinnert, hat nur ein kleiner Teil die Welt spürbar und positiv beeinflusst. Einer von ihnen ist Ali.“
Mehr als eine Ansammlung von Erinnerungsstücken
In aufwändig gestalteten Räumen sind auf Videoleinwänden die Highlights aus 15 ausgewählten Kämpfen zu sehen. In einem nachgebauten Trainingscamp hängen Sandsäcke, auf die Ali zigtausendfach eingeprügelt haben soll. Die Fackel, mit der Muhammad Ali vor den Augen der Welt 1996 zitternd das olympische Feuer von Atlanta entzündete, fehlt ebenso wenig wie der mit Edelsteinen verzierte weiße Ringmantel, den Elvis Presley ihm einst geschenkt hatte. Auch die Original-Kampfplakate vom „Rumble in the Jungle“ und vom „Thrilla in Manila“ sind unversehrt hinter Glas zu bewundern. Dazu Hunderte Fotos, Text-Ausrisse und Kunst-Objekte, die dem charismatischer Athleten gewidmet sind. Allein die Archive seines Freundes Howard Bingham, der Ali seit 1962 als persönlicher Fotograf immer wieder auch abseits des Rings in Szene setzte, sind eine Reise nach Kentucky wert.
Und doch ist das Ganze unendlich viel mehr als eine Ansammlung von Erinnerungsstücken und aufpoliertem Schein. Beim Durchlaufen fällt einem ein Satz des früheren US-Außenministers Colin Powell ein. „Kämpfen war Alis Beruf“, sagte der frühere Vertraute von George W. Bush, der Ali 2005 mit der Freiheitsmedaille auszeichnete, der höchsten zivilen Ehrung der USA, „aber Frieden war seine Leidenschaft.“
Das Leben von Box-Legende Muhammad Ali
Muhammad Ali ging dornenreichen Weg
Dafür ging Muhammad Alu einen dornenreichen Weg, wie er heute kaum mehr vorstellbar ist. „I ain’t got no quarrel with them Viet Cong“ – ich habe kein Hühnchen mit dem Vietcong zu rupfen. Mit diesem Spruch verweigerte der damals 25-Jährige, dem nach seiner Goldmedaille bei Olympia in Rom in seiner streng rassengetrennten Heimatstadt die Bedienung in einer Milchbar verwehrt wurde, 1967 den Kriegsdienst in Vietnam. Konsequenz: Berufsverbot. Sein WM-Titel nach dem Sieg gegen Sonny Liston wurde ihm aberkannt, er bekam keine Lizenzen und damit keine Kämpfe mehr. Die Bundespolizei überwachte ihn. Der paranoide FBI-Chef Edgar Hoover nannte ihn den zweitgefährlichsten Staatsfeind nach dem Schwarzen-Führer Malcolm X.
Ali reiste als Prediger, er war bereits zum Islam übergetreten, durchs Land. „Ich war entschlossen, ein Nigger zu sein, den die Weißen nicht kriegten.“ Erst 1970, mit fast 29, fand er nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs zurück zu seiner Bestimmung im Ring und macht sich mit den Kämpfen gegen Frazier und Foreman sportlich unsterblich.
Dass und wie er den Militärdienst ablehnte, dass er an der Seite von Martin Luther King vehement die Sache der Bürgerrechtsbewegung vertrat, machte auf Generationen Eindruck. Aus dem Sportler Ali wurde die überlebensgroße Ikone, die sich der Logik der Realpolitik hartnäckig verweigerte. Nach dem Einmarsch Saddam Husseins in Kuwait erreichte Ali in persönlichen Verhandlungen mit dem Diktator die Freilassung von 15 amerikanischen Geiseln. Als Friedensbotschafter der Vereinten Nationen schwebte ihm vor, dass sein Zentrum in Louisville einmal der Begegnungsort wird für Streitparteien der Weltpolitik. Für Menschen, die sich „mit Respekt begegnen“, ganz gleich, „wie tief die Gräben zwischen ihnen sind“. Seine Anhänger in Europa können digital Anteil nehmen. Die Facebook-Seite „MuhammadAliTributes“ nimmt Kondolenz-Einträge entgegen. Der Trauerzug am Freitag wird im Internet live gestreamt.