Hamburg. Es sah nach einem fast perfekten Verbrechen aus. Die Empfänger von spektakulär getarntem Kokain waren aber schlicht gestrickt.

Rund 80 Kilo Kokain aus Paraguay sollten als Grillkohle getarnt über Hamburg nach Bayern geschmuggelt werden – dafür muss ein 62-Jähriger nun für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis. Der gelernte Koch bekam 20.000 Euro in Geld und buchstäblich viel Kohle für das millionenschwere Geschäft, das offenbar aus Südamerika gesteuert wurde.

Das Hamburger Landgericht verurteilte den Mann aus der Nähe von Augsburg am Freitag wegen Einfuhr und Handels von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Ein 49 Jahre alter Mitangeklagter wurde freigesprochen. Er habe zu der Tat beigetragen, aber nicht gewusst, dass es um ein Kokaingeschäft ging. Die Staatsanwaltschaft hatte eine achtjährige Haftstrafe für den älteren Angeklagten und eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren für den jüngeren gefordert.

Selbst drei Spürhunden fanden nichts

Der Zoll hatte im August vergangenen Jahres 863 „Kokaineier“ entdeckt, perfekt getarnt unter einer Ladung von 18 Tonnen Grillkohle. Bei der Kontrolle hatten drei Drogenspürhunde nichts erschnuppert, auch bei einer Durchleuchtung in einer Röntgenanlage konnten die Beamten nichts sehen, wie der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung erklärte.

Erst die Durchsuchung der Kohlesäcke von Hand hatte das „Koks“ zutage gefördert. Das sehr reine Rauschgift habe einen Wert von drei bis fünf Millionen Euro gehabt, wie üblich gestreckt hätte es im Straßenverkauf zehn bis 15 Millionen Euro einbringen können.

Zoll schickte Fracht auf Weiterreise

Die Zöllner verschlossen und versiegelten den Container wieder und ließen ihn an seinen Bestimmungsort Gessertshausen bei Augsburg gehen. Im Oktober wurden dort drei Verdächtige verhaftet. Wie sich herausstellte, war einer von ihnen nur ein ahnungsloser Strohmann zur Gründung der Importfirma gewesen. Die anderen beiden kamen vor Gericht.

Sie hatten im Prozess umfangreiche Geständnisse abgelegt, die die Strafkammer in ihrer Strafzumessung würdigte. Auch der Hauptangeklagte habe womöglich nicht von Anfang an gewusst, dass es um Kokain ging. Eine befreundete Familie aus Südamerika hatte ihn nach früheren Gefälligkeiten um einen Gefallen gebeten. Für die Abwicklung des Geschäfts mit der Grillkohle bekam der 62-Jährige 20.000 Euro. Weil er wegen Betrugs vorbestraft war und keine Firma gründen konnte, schaltete er einen Freund ein, den 49 Jahre alten Angeklagten. Auch dieser hatte als Handwerker Ärger mit dem Finanzamt. Darum suchte er einen selbstständigen Fliesenleger als Strohmann, der für wenige hundert Euro seinen Namen hergab.

Angeklagte saßen auf Bergen von Kohle

In den Räumen der Firma sammelten sich nach „Testlieferungen“ aus Paraguay rund 70 Tonnen Grillkohle an, mit dem geplanten Verkauf an Super- und Baumärkte klappte es nicht. Für billiges Geld versuchten die Angeklagten, die Säcke direkt an Kunden zu verscherbeln. Reich wurden sie dabei nicht. Während für den Transport der Kohle jeweils mehrere tausend Euro pro Container bezahlt werden mussten, bekam der 49-Jährige einmal 1000 Euro aus einer angeblichen Steuererstattung von seinem Freund und 50 Euro für seine Hilfe beim Entladen eines Containers. Die persönlichen Verhältnisse des Hauptangeklagten überprüfte das Gericht, um Hinweise auf möglichen Reichtum zu finden. Das Ergebnis: „Das ist ein armer Hund“, sagte der Richter. In der Wohnung des Angeklagten werde nur auf Matratzen geschlafen.

Der früh gealterte und kränkliche Mann, von Beruf Koch, habe gehofft, seine finanzielle Lage etwas zu verbessern. „Sie sind nicht der klassische Drogendealer“, sagte der Richter und fügte hinzu: „Es ist schwer nachzuvollziehen, dass sie sich auf so einen Quatsch eingelassen haben.“ Die Menge von 80 Kilo Kokain sei exorbitant. Angesichts des Strafrahmens von bis zu 15 Jahren seien siebeneinhalb Jahre eine milde Strafe.

Gutgläubigkeit schützte vor Strafe

Der freigesprochene 49-Jährige hätte nach Ansicht des Gerichts merken können, dass es nicht nur um Grillkohle ging. Aber als Handwerker sei er „einfacher gestrickt“ und zudem kein guter Geschäftsmann. Dass er gutgläubig gehandelt habe, sei nicht zu widerlegen. Dem Freispruch fügte der Richter die Mahnung hinzu: „Seien sie nie wieder so gutgläubig!“ Der 49-Jährige zeigte sich von dem noch nicht rechtskräftigen Urteil erleichtert.

Der Staatsanwalt kündigte an, die Entscheidung zu prüfen. Er deutete aber an, dass er voraussichtlich auf Rechtsmittel verzichten werde. Der Verteidiger des 62-Jährigen erklärte, die Strafe sei noch im erwarteten Strafrahmen, für seinen kranken Mandanten sei sie gleichwohl sehr hart. Er werde mit ihm besprechen, ob er Revision einlege. (dpa)