Norristown. Es wird nun ernst für Bill Cosby: Der US-Schauspieler muss wegen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs aus dem Jahr 2004 vor Gericht.

Die juristische Hängepartie ist vorbei. Alle Versuche, sich hinter teuren Anwälten und Paragrafen zu verstecken sind gescheitert. 20 Monate nach Bekanntwerden massivster Vorwürfe muss sich Bill Cosby, einst Amerikas beliebtester Fernseh-Entertainer und moralische Instanz, wegen sexuellen Missbrauchs in einem Strafverfahren verantworten. Die Anklage wird am 20. Juli verlesen.

as hat Richterin Elizabeth McHugh gestern nach einer dreistündigen Anhörung in Norristown im US-Bundesstaat Pennsylvania entschieden. Dem 78-Jährigen, der die Entscheidung mit versteinerter Miene entgegennahm, drohen bis zu zehn Jahre Haft. Es wäre das endgültige Ende einer Legende.

Immer mehr Frauen meldeten sich mit der gleiche Geschichte

Seit Herbst 2014 hält der tiefe Sturz des reichsten und wirkungsmächtigsten TV-Unterhalters der vergangenen 40 Jahre („Bill Cosby Show“) das Land in Atem. Damals holte der Komiker Hannibal Buress auf offener Bühne „Leichen“ Cosbys aus dem Keller und damit das Denkmal vom Sockel. „Googelt mal die Kombination Cosby und Vergewaltiger“, rief er ins Publikum. Eine Lawine löste sich, die das Saubermann-Image des Megastars, der als Dr. Heathcliff Huxtable für Millionen Amerikaner Vorbild und Freund war, für immer begrub.

Eine Frau nach der anderen suchte plötzlich das Licht der Öffentlichkeit und schilderte in schmerzhaft anzuhörenden Details immer wieder ein und dieselbe Geschichte: Wie Cosby sie mit Hilfe von heimlich in Drinks gemixten Beruhigungspillen gefügig gemacht und zum Beischlaf missbraucht haben soll.

„Genügend Indizien vorhanden“

Inzwischen, so hat die „Washington Post“ recherchiert, liegen Anschuldigungen von 58 Frauen vor. In 19 Städten in 11 Bundesstaaten (plus Kanada) beschäftigen sich Gerichte mit Cosby. Die meisten Fälle gründen sich, weil die Taten verjährt sind, auf den Vorwurf der Verleumdung. Der 78-Jährige hatte über Monate erfolgreich mit einer Armada von Anwälten alles unternommen, um die Frauen als geldgierige Lügnerinnen zu diskreditieren und einen Prozess zu verhindern.

Ausgerechnet im gestern zur Vorverhandlung aufgerufenen Fall Andrea Constand riss die Erfolgsserie. Richterin McHugh sah „genügend Indizien“, um die Wahrheit in einem Gerichtsverfahren ans Licht zu bringen.

Zur fatalen Begegnung der früheren Uni-Basketballtrainerin Constand mit Cosby kam es 2004. Die schlanke Frau mit den rotbraunen Locken, die heute 43 Jahre alt ist und im kanadischen Toronto lebt, fühlte sich danach sexuell missbraucht und ging zur Polizei. Staatsanwalt Bruce Castro lehnte 2006 ein Strafverfahren gegen Cosby ab – aus Mangel an Beweisen. Zivilrechtlich einigte sich Cosby mit Constand und zahlte eine hohe Geldsumme, über die Stillschweigen bewahrt wird. Der Fall, in dem eine 900 Seiten lange eidesstattliche Erklärung Cosbys die Schlüsselrolle spielt, schien für immer zu den Akten gelegt.

Cosby hat gestanden - irgendwie

Dann kam vor einem Jahr, als Cosby bereits im Wochentakt für Negativ-Schlagzeilen sorgte, Castros Nachfolger Kevin Steele mit der Ansage ins Amt, unter ihm werde es keinen Straf-Rabatt für Promis geben. Er rollte den Fall, der auf schwere sexuelle Nötigung hinausläuft, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist wieder auf.

Die bis dahin geheime eidesstattliche Erklärung wurde, von Medien erstritten, öffentlich und förderte eine Sensation zutage: Bill Cosby, seit über 50 Jahren verheiratet, hatte schon vor zehn Jahren umfänglich gestanden, was seine Anwälte, er selbst schweigt, bis heute abstreiten: Der Star flößte jungen Frauen die in den 70er Jahren beliebten Qualuudes-Pillen ein – nur, um mit ihnen Sex zu haben. Andrea Constand, die am Dienstag nicht anwesend war, sagte damals gegenüber der Polizei, die Tabletten hätten sie paralysiert. „Meine Beine waren wie Pudding, ich konnte nicht mehr sprechen.“

Die Lager vor dem noch nicht terminierten Prozessbeginn sind klar verteilt: Die Staatsanwaltschaft sagt mit Blick auf die eidesstattliche Erklärung, dass Cosby sich selbst überführt hat. Unfug, kontert Cosby Verteidiger Brian McMonagle. Den Sex mit Constand hätten beide gewollt. „Warum sonst wäre sie danach noch mehrfach privat zu Cosby gekommen und hätte ihm Geschenke gemacht?“.