Washington. Nicht alles in ihrem Leben lief glatt – aber Sängerin Cher stand immer wieder auf. Nun wird die gefeierte Künstlerin 70 Jahre alt.
Auf die Frage, wer den nächsten Atomkrieg überlebt, hat Cher, die altersloseste Vertreterin im Diven-Geschäft, einmal geantwortet: „Insekten – und ich.“ Das Bekenntnis zur Unverwüstlichkeit war nicht wirklich ironisch gemeint. Cherilyn Sarkasian LaPierre behauptet seit einem halben Jahrhundert ihren Sitz in der Loge der Entertainerinnen mit Weltgeltung. Am Freitag wird die geborene Stehauffrau 70.
Ein Glück. Was wäre uns alles versagt geblieben, hätte sich die Tochter einer Cherokee-Indianerin und eines armenischen Lkw-Fahrers nicht schon in jungen Jahren auf ein damals unübliches Karriereziel festgelegt: Gesamtkunstwerk. Zum Geburtstag eine kleine Lobeshymne. Besser zu lesen, wenn man einen ihrer größten Hits in den CD-Schacht schiebt: „If I Could Turn Back Time.“ Für die Älteren: „Gypsies, Tramps and Thieves“ tut es auch.
Cher lebt ganz eigenen Feminismus
Wer die Zeit zurückdreht im Leben der Oscar-, Emmy-, Grammy- und Golden-Globe-Preisträgerin, die als Stil-Ikone, Las-Vegas-Revuestar und mit Gold- und Platinplatten Ausgezeichnete zum popkulturellen Inventar des 20. Jahrhunderts gehört, kommt an Salvatore Bono nicht vorbei. „I Got You, Babe“ sang sie 1965 zusammen mit dem leicht aufbrausenden Hilfsarbeiter. Das unschuldige Hippie-Liedchen katapultierte das Duo „Sonny and Cher“ in den Olymp. Niemand ahnte, dass dem Gatten die Hand ausrutschte, wenn das Scheinwerferlicht erloschen war. 1974 ging die Ehe in die Brüche. Wie auch später der zweite Lebensbund mit dem Rockmusiker Gregg Allman.
Ikone Cher wird 70: Ihr Leben in Bildern
Cher zog aus diesen Schiffbrüchen Lehren, die James Brown in seinem Lied „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ nicht mal erahnte: Frauen nehmen sich am besten, was sie wollen. Geben tut es ihnen sonst niemand. Cher nahm sich alles. Warren Beatty, Eric Clapton, David Geffen, Richie Sambora und Tom Cruise zum Beispiel. Ihr ganz eigener Feminismus lässt sich in einem Satz bündeln, den Cher ihrer Entourage auf den Weg gegeben haben soll, wenn sie bei Konzerten einen attraktiven Jüngling erspähte: „Lasst ihn waschen und bringt ihn in mein Zelt!“.
Selbstoptimierung als Therapie
Ihre Selbständigkeit ging ins Körperliche. Schon früh verfügte Cher nach eigenen Maßstäben über ihre Schönheit. Beharrlich lässt sie seit Jahrzehnten nacharbeiten, was Falten schlägt oder der Schwerkraft zu viel Tribut zollt. Die Neujustierungen zwischen Hals und Hintern summieren sich zu einem Triumph über die Vergänglichkeit. Wer die Makellosigkeit als künstlich diffamiert, den straft die Pop-Göttin mit Was-willst-du-denn-Bürschen-Blitzen aus den dunklen Augen. Dass sich Cher mit jeder Operation ein Stück ihrer Angst wegschnippeln ließ, irgendwann in Versenkung und Armut zu verschwinden, wussten anfangs nur wenige. Selbstoptimierung als Therapie.
In den 80er Jahren bewies Cher es ihren vielen Missgünstlingen erneut. Ob als Akw-Arbeiterin in „Silkwood“ oder als Mutter in „Die Maske“ - schauspielerisches Talent war nicht zu leugnen. Die Kamera liebte sie. 1988 hatte sie auch ihre Kritiker mit „Mondsüchtig“ in die Knie gezwungen. Wie sie als Buchhalterin Loretta Castorini einen verknitterten Pizzabäcker (gespielt von Nicholas Cage) zum Leben und Lieben erweckte, das war hohe Kunst. Und einen Oscar wert.
Erbitterte Trump-Gegnerin
Dass Cher in den späten 90ern zur Musik zurückfand, ist ein Kapitel für sich. Hits wie „Believe“ und „Strong Enough“, die ihre Fan-Gruppe von der Teenie-Fraktion bis zu Schwulen-Gemeinde erweiterte, lieferte sie im Alter von über 50 ab. Seither haben Chronisten aufgehört zu zählen, wie viele Abschiedstourneen die eingefleischte Demokratin und erbitterte Gegnerin des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump gegeben hat. Mit 70 plant Cher gerade ihre nächsten Konzerte. Vor dem Tod hat sie wie ihre Großmutter keine Angst. Zwei Wochen vor ihrem Tod bestand die alte Dame darauf, eine Pediküre zu bekommen. „Die Frauen in unserer Familie“, sagt Cher, „wollen eben mit schönen Füßen in den Himmel“.