Schwalbach/Berlin . In einer Garage in Hessen werden Leichenteile gefunden. Es gibt Hinweise, dass der Täter weitere Frauen und auch ein Kind ermordet hat.

Die „Overall Jazz Gang“ spielte mehr als 20 Jahren lang zusammen in Frankfurt und Umgebung, ein Auftritt in einem Jazzkeller ist dokumentiert auf Youtube. Ein Kritiker lobt die „sprichwörtliche Spielfreude“ der sieben Musiker und sagt, sie seien „im Rhein-Main-Gebiet die beliebteste Bands in dem Bereich des traditionellen Jazz“. Manfred S., Witwer, Gartenbauer und Entrümpler aus Schwalbach, spielte das Saxophon und die Klarinette im „OJG“, wie die Band sich kurz nannte. Er bestand darauf, bei einigen Auftritten nicht Manfred genannt zu werden – sondern gab sich den Künstlernamen „Alaska“. Ein Hinweis auf ein Doppelleben?

Genau diesen Namen – „Alaska“ – trägt seit zwei Jahren eine 15-köpfige Arbeitsgruppe des Landeskriminalamts Hessen. Die Ermittler versuchen herauszufinden, ob mit den Überresten einer verstümmelten Frauenleiche in der Garage von Manfred S. auch andere Morde im Zusammenhang stehen – darunter auch der Mord an einem 13 Jahre alten Jungen. Diese Tat liegt 18 Jahre zurück. Manfred S. selbst war im August 2014 im Alter von 67 Jahren an Krebs gestorben.

Verweste Überreste in Fass

Die Situation in der von Manfred S. und einem Geschäftspartner angemieteten Garage im Jahr 2014. In dem blauen Fass fanden sich Leichenteile.
Die Situation in der von Manfred S. und einem Geschäftspartner angemieteten Garage im Jahr 2014. In dem blauen Fass fanden sich Leichenteile. © Polizei Frankfurt | Polizei Frankfurt

Als seine Tochter kurz nach dessen Tod seine Garage aufräumen ließ, stieß man auf Fässer mit verwesten Überresten eines Menschen: ein Kopf, ein Oberkörper, ein Fuß, ein Unterschenkel, zum Teil verwest. Schon damals im Jahr 2014 konnte festgestellt werden, dass es sich bei der Toten um eine Prostituierte aus dem Raum Frankfurt handelte, die zudem zur Tatzeit obdachlos und drogenabhängig gewesen sein soll. In der Garage fanden die Ermittler zudem zahlreiche Äxte und Sägen. Die Prostituierte verschwand im Jahr 2003 im Alter von 43 Jahren. Die Fässer sollen im Jahr 2008 in die Garage gebracht worden sein. Es waren typische blaue Industriefässer, mit Alkohol befüllt. An ihrer Außenseite waren sie mit dem Buchstaben „B“ gekennzeichnet.

Jetzt deutet das LKA Hessen an, dass Manfred S. ein Serienmörder gewesen sein könnte. „Nach Auswertung dieser Tat besteht aufgrund der grausamen Vorgehensweise eine hohe Wahrscheinlichkeit“, so ein LKA-Sprecher am Mittwoch, „dass dieser Tat Tötungsdelikte vorausgegangen sind.“ Die Ermittler gehen demnach davon aus, dass der mutmaßliche Täter Manfred S. noch für mindestens vier weitere – zum Teil 45 Jahre zurückliegende – Morde verantwortlich sein könnte. Es geht dabei um bisher ungeklärte Morde an vier Prostituierten, von denen zwei im Jahr 1971 verschwanden und zwei weitere in den Jahren 1991 und 1993. Alle Opfer seien brutal zugerichtet worden, aufgeschnitten und die Organe seien entnommen worden. Der mutmaßliche Täter muss demnach sadistisch veranlagt gewesen sein.

Auch 13-jähriger Tristan Opfer von Manfred S.?

„Darüber hinaus“, so Christoph Schulte vom LKA Hessen weiter, „wurde auch der Fall Tristan Brübach aus dem Jahr 1998 in die Überlegungen mit einbezogen.“ Den Widerspruch, dass es sich bei dem sechsten Opfer um ein männliches Kind handele, nennt das LKA nur einen „scheinbaren Widerspruch“ – und verweist wie im Fall der Prostituierten auf die „spezielle Tathandlungen“. Ein Sprecher wird konkreter: „Die Art, in der die Tat begangen wurde, ist wie ein Verhaltens-Fingerabdruck für uns.“

In diesem tunnelartigen Durchbruch unweit des Bahnhofs in Frankfurt-Höchst wurde 1998 die Leiche des 13-jährigen Tristan gefunden.
In diesem tunnelartigen Durchbruch unweit des Bahnhofs in Frankfurt-Höchst wurde 1998 die Leiche des 13-jährigen Tristan gefunden. © dpa | Arne Dedert

Das heißt, dass der Täter auch bei Tristan mit einer großen Brutalität vorging. Es wird spekuliert, dass er Körperteile als eine Art Trophäe nutzte. Der Junge war in einem Tunnel des Liederbachs gefunden worden, nicht weit von der Stadtgrenze von Frankfurt am Main entfernt. Aufgrund der sehr schweren Verletzungen konnte der damals 13-Jährige nicht identifiziert werden. Jemand hatte ihn noch im Tunnel am Hals so aufgeschnitten, dass er verblutete. Dann habe ihn der Täter vor den Tunnel geschleppt und verschiedene Körperteile entfernt.

Die Polizei suchte jahrelang nach dem Täter, bei einem freiwilligen Fingerabdruck-Test machten damals Tausende Männer mit, Manfred S. offenbar nicht. Insgesamt gingen die Ermittler 20.000 Spuren nach. Drei Jugendliche hatten die Tat beobachtet, ihre Beschreibung des Mörders führte aber zu keiner Festnahme. Der Vater von Tristan, der 17 Jahre lang ebenfalls nach einer Erklärung suchte, starb im vergangenen Jahr.

LKA schließt weitere Mordfälle nicht aus

Die hessische Landespolizei schließt auch „einen Zusammenhang mit weiteren Morden“ nicht aus, hieß es. Am Donnerstag will sie Einzelheiten zu den Ermittlungen im Fall um „Alaska“ bekannt geben. Es könnte auch sein, dass der mutmaßliche Serientäter Manfred S. nicht alleine gehandelt habe – der Komplize könnte noch leben. Deshalb ermittelte das Team in den vergangenen Monaten weiter, obwohl der mutmaßliche Haupttäter tot ist.

Über Manfred S. ist nicht viel bekannt. Er soll leidenschaftlich Saxophon gespielt haben, seine ehemaligen OJG-Bandmitglieder wollen sich auf Anfrage zu dem Fall nicht äußern. Nachbarn sagen, Manfred S. sei immer freundlich gewesen. Auf seinem Computer aber fanden die Ermittler viele Filme mit sadistischen Folterszenen.