Anklam. Otto Lilienthal hat mit seinen Erfindungen Luftfahrtgeschichte geschrieben. Aber war sein Flieger so gut wie unsere modernen Flugzeuge?

Der Nachbau des 1893/1894 konstruierten Fliegers des Pioniers Otto Lilienthal hat einen Test im Windkanal bestanden. Die Versuche im niederländischen Marknesse seien erfolgreich verlaufen, teilten das Otto-Lilienthal-Museum und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Göttingen am Dienstag mit.

Der in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) nachgebaute Gleiter habe Windgeschwindigkeiten bis zehn Meter pro Sekunde erfolgreich standgehalten und aerodynamische Werte geliefert. Die daraus erstellen Datensätze hätten geradezu Lehrbuchcharakter, sagte der Leiter des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik, Andreas Dillmann.

Warum ist Lilienthal abgestürzt?

Mit den Windkanal-Tests des 6,70 Meter breiten Flugapparates haben die Forscher mit modernsten wissenschaftlichen Methoden die Flugeigenschaften des motorlosen Apparates erfasst, der als erstes Serienflugzeug der Welt gilt. Zahlreiche Datensätze müssten nun ausgewertet werden, sagte der Leiter des Anklamer Lilienthal-Museums, Bernd Lukasch. Unter anderem erhoffen sich die Experten auch Hinweise auf die Ursache des Absturzes im Jahr 1896, bei dem der Flugpionier ums Leben kam. „Wir freuen uns, dass der Lilienthal-Nachbau den Hightech-Anforderungen im Windkanal standgehalten und brauchbare Ergebnisse geliefert hat“, sagte Lukasch.

Der Flugpionier Lilienthal startete im Frühjahr 1891 im brandenburgischen Derwitz seinen ersten Flugversuch und arbeitete sich später mit seinem sogenannten Normalsegelapparat auf Weiten von 250 Meter vor. 1889 veröffentlichte Lilienthal sein Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. Eine theoretische Abhandlung über die Flugeigenschaften seiner Gleiter blieb er der interessierten Nachwelt jedoch schuldig.

Flieger war seiner Zeit voraus

Nun haben die Forscher die Werte mit den Windkanal-Tests nachgeliefert. Die einzelnen Daten wie Auftriebskurve, polare und Nickmomentkurve deuteten auf eine absolut saubere Konstruktion hin, die in allen Flugbereichen eigenstabil sei, hieß es. In Bezug auf die Flugcharakteristik entspreche der Gleiter einem typischen Schul-Segelflugzeug der 1920er und 1930er Jahre.

Ermittelt wurde auch die Gleitzahl, die mit knapp 4 niedrig sei und der eines heute üblichen Gleitschirms entspreche, sagte Lukasch. Die Gleitzahl gibt das Verhältnis von Auftrieb und Luftwiderstand und das Verhältnis zwischen zurückgelegter horizontaler Strecke und Höhenverlust im Gleitflug wider. Heutige Segelflugzeuge erreichen nach Angaben von Lukasch Gleitzahlen von bis zu 60 und in Einzelfällen auch darüber.

Mit den Windkanal-Versuchen wollten die Forscher den Flugpionier ehren, der vor 125 Jahren seinen ersten erfolgreichen Flugversuch absolvierte. Die Ergebnisse der Tests und der Nachbau des Lilienthal-Gleiters sollen vom 1. Juni an auf der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) in Berlin präsentiert werden. (dpa)