Das ist „Web 0.0“ – Ein Dorf verwandelt sich ins Internet
Kunstprojekt
Das ist „Web 0.0“ – Ein Dorf verwandelt sich ins Internet
| Lesedauer: 2 Minuten
Walter Bau
Klatsch, gefällig? Die Holzback in Civitacampomarano ist blau wie das Twitter-Logo, aber der Gesprächspartner sitzt vis-à-vis. Ein Künstler machte aus dem italienischen Dorf ein Abbild des Internets.
Foto: Biancoshock / www.biancoshock.com
Ebay ist ein Supermarkt, WhatsApp eine Telefonzelle, Twitter eine Parkbank. Ein Dorf in Italien spielt Internet – nur eben ohne Netz.
Berlin.
Civitacampomarano hat es nicht leicht. In dem Dorf in der italienischen Region Molise, das einst immerhin mehr als 3000 Einwohner zählte, leben heute noch gerade einmal 400 Menschen. Die meisten sind jenseits der 50 und ohne Internet groß geworden, die Jüngeren hat es längst in die nächste Stadt gezogen.
Hauptattraktion ist ein mittelalterliches Schloss, Mitte Mai feiert man das Fest des Schutzpatrons Liberatore. Der Verkehr auf der nahen Strada Statale 157 ist überschaubar und Internet haben in Civitacampomarano die wenigsten. Für den Mailänder Künstler Biancoshock ist das Dorf in den Apenninen der ideale Ort.
Für ein kleines, aber feines Straßenkunstfest, mit dem sich der Ort in den letzten Jahren einen Namen gemacht hat, verwandelte Biancoshock das 520 Meter hoch in den Bergen gelegene Dorf kürzlich in ein, nun ja, real existierendes Internet. Der Künstler transportierte für alle Web-Nutzer unverzichtbare Institutionen wie Ebay, Google oder YouTube zurück ins wirkliche Leben. „Web 0.0“ nennt er sein Projekt, von dem auch ein Video existiert.
Und das sieht dann so aus: Die Googlemail wandert in den Briefkasten aus Blech. Wer Botschaften übermitteln will, kann die grün gestrichene WhatsApp-Telefonzelle benutzen – oder den altmodischen Aushangkasten, genannt „Facebook“. Der Chat bei Twitter findet auf der Holzbank in der Ortsmitte statt. Die Dorfälteste mit ihrer Erfahrung und Lebensklugheit personifiziert das Online-Lexikon Wikipedia. Und so weiter.
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Der Street-Art-Künstler Biancoshock, der aus seiner Person gern ein Geheimnis macht, hat es sich als Künstler zu eigen gemacht, seine Ideen und Projekte für eine begrenzte Zeit an einem klar umrissenen Ort umzusetzen – und sie dann auf Fotos, in Videos oder im Internet fortleben zu lassen. Er wolle aktuelle Lebenswirklichkeiten widerspiegeln, erzählte er dem italienischen Onlineportal „vocidicitta.it“.
Zuerst bringe er die Betrachter zum Schmunzeln und Staunen, um ihnen dann sein eigentliches Anliegen zu präsentieren. Im Falle des kleinen italienischen Ortes: Die Vereinsamung des Einzelnen in der Gesellschaft durch das unpersönliche und anonyme Internet. Einen passenderen Ort als das langsam sterbende Civitacampomarano konnte der Künstler dafür kaum finden.
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