Berlin. Motörhead-Drummer Mikkey Dee spricht im Interview über die letzten Monate mit Lemmy Kilmister, dessen Gesundheit und das Bandleben.

Drummer Mikkey Dee hat 24 Jahre zusammen mit Bandleader Lemmy Kilmister bei Motörhead gespielt. Am 27. Mai veröffentlichen Motörhead die Live-DVD „Clean Your Clock“, eines der letzten Konzerte mit dem im Dezember gestorbenen Sänger Kilmister. Dee spricht im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur über die letzten Monate in der Band und lässt auch einen Blick hinter die Kulissen zu.

Lemmy ist vor gut vier Monaten gestorben. Hast Du seinen Tod mittlerweile realisiert?

Motörhead-Drummer Mikkey Dee galt als der vernünftige Typ in der Band: Er nahm keine Drogen.
Motörhead-Drummer Mikkey Dee galt als der vernünftige Typ in der Band: Er nahm keine Drogen. © dpa | Jörg Carstensen

Mikkey Dee: Ja, das habe ich. Obwohl ich dachte, dass er nicht sterben würde. Ich dachte, dass er sich nach dem Ende der Europa-Tour im Dezember zu Hause in Los Angeles erholen würde und wir dann dieses Jahr in den USA weiter touren könnten. Am Ende war Lemmy aber doch sehr gebrechlich.

Hat er am Ende selber daran geglaubt, dass es noch weiter geht?

Dee: Als es ihm auf unserer letzten Tour schon ziemlich schlecht ging und wir dachten, dass wir sie abbrechen müssen, hat er zu mir gesagt: „Mikkey, mache dir keine Sorgen. Ich gehe zurück nach Los Angeles, dann werde ich mehr essen und wieder zunehmen.“ Er hat wirklich unglaublich viel abgenommen. Er hat vor den Shows nichts gegessen und ist danach sofort eingeschlafen.

Hat er jemals über seinen schlechten Gesundheitszustand geklagt?

Dee: Niemals. Das einzige, was ihn verbittert hat, war das Älterwerden. Er hat mir gesagt: „Es ist scheiße, älter zu werden, Mikkey.“ Er war sehr wütend darüber, dass er nicht mehr so wie früher in die Strip-Clubs und Casinos gehen konnte und beim Trinken und Rauchen kürzer treten musste.

Du hast von 1992 an fast 24 Jahre in Lemmys Band gespielt. Wie war Deine Beziehung zu ihm?

Dee: Er war wie mein Bruder, mein Freund. Die Band war wie eine Familie. Mit Lemmy habe ich mehr Zeit verbracht als mit meiner eigenen Familie (lacht).

Gab es auch Streit in der Band wie in jeder richtigen Familie?

Dee: Als ich zur Band gekommen bin, habe ich sehr viele Probleme mit der Plattenfirma, dem Management oder der Merchandise-Firma gesehen. All diese Leute haben die Band bloß ausgenutzt, doch die anderen hatten keine Ahnung davon. Weißt Du, ich mag diesen ganzen Business-Kram. Doch Lemmy hat das gehasst, er hatte keinen Bock auf die geschäftliche Seite im Rock'n'Roll-Business. Wir haben uns deshalb oft in die Haare bekommen.

Du galtest als der vernünftige Typ in der Band, weil Du als einziger keine Drogen genommen hast. Gab es deshalb Verstimmungen oder Spannungen in der Band?

Dee: Lemmy hat mal aus Spaß zu mir gesagt: „Mikkey, wenn Du anfängst Drogen zu nehmen, schmeiß ich dich raus!“ Irgendeiner in der Band musste schließlich den Überblick behalten.

Lemmy war bekannt dafür, Drogen und Alkohol gut zu vertragen. Hast Du ihn jemals betrunken oder außer Kontrolle erlebt?

Dee: Niemals, all die Jahre habe ich ihn niemals besoffen oder irgendwelchen Mist machen sehen. Man wusste immer, woran man bei ihm war. Es gab nie irgendwelche unschönen Überraschungen mit ihm. Er konnte manchmal hart sein und dir deutlich sagen, was er von dir hält. Er war einfach eine unglaublich ehrliche Haut mit einer starken Meinung.

Was für ein Typ war Lemmy abseits der Bühne?

Dee: Eigentlich war Lemmy ein Einzelgänger, der am liebsten für sich war. Mit den Jahren haben Phil und ich gelernt zu merken, wann wir ihn besser in Ruhe lassen. Auf Tour war er am liebsten in seinem Umkleideraum, hat seine Bücher gelesen und am Spielautomaten gesessen.

Mitte Mai kommt die DVD „Clean Your Clock“ von der letzten Tournee auf dem Markt. Die beiden Konzerte in München fanden gut einen Monat vor seinem Tod statt. In welchem Zustand war er damals?

Dee: Auf der gesamten Europa-Tour war er sehr schwach. Er hat unglaublich kämpfen müssen, damit er überhaupt auftreten konnte. Er war zu dünn und ihm hat die Energie gefehlt. Trotzdem hat er seine Sache sehr gut gemacht. Natürlich kann man unseren Auftritt nicht mit denen vor zehn oder 15 Jahren vergleichen. Es zeigt aber, wie Motörhead zu diesem Zeitpunkt wirklich waren. Wir haben nichts geschönt oder overdubbed. Motörhead waren schon immer authentisch.

Zur Person: Mikkey Dee, geboren am 31. Oktober 1963 in Göteborg, ist griechischer Abstammung. Sein eigentlicher Name lautet Micael Kiriakos Delaouglou. Der Drummer stieg 1992 bei Motörhead ein, zuvor spielte er bei King Diamond und Dokken. (dpa)