Hamburg. Start für ein großes Abenteuer: „Perlan 2“ soll den Höhenweltrekord brechen. Airbus-Chef Tom Enders fliegt bei der Generalprobe mit.

Fliegen ist Alltag bei Airbus, doch dieses Projekt ist für den europäischen Flugzeugbauer kein „business as usual“: In diesem Sommer soll das Segelflugzeug Perlan 2 in eine Höhe von 90.000 Fuß (27,4 Kilometer) aufsteigen. Ohne Motor. An den Rand des Weltraums. Höher als jemals ein Flugzeug zuvor. „Das Airbus-Projekt Perlan Mission 2 ist ein historisches Unterfangen ganz im Sinne der Luftfahrtpioniere der ersten Stunde“, sagt Tom Enders, Vorstandsvorsitzender der Airbus Group. Der Konzern erhofft sich neben der Bestmarke neue Erkenntnisse im Hinblick auf den Klimawandel, die Weltraumforschung – und für das Kerngeschäft mit Passagierjets.

Enders ist an diesem Wochenende selbst ins Basiscamp nach Minden in den US-Bundesstaat Nevada gereist. Er will als Co-Pilot in den Segelflieger einsteigen. Falls das Wetter mitspielt. Denn das spielt bei der Mission die wichtigste Rolle – vor allem in diesem Sommer, wenn im argentinischen Winter der Rekordflug steigen soll. Die Gipfel der fast 7000 Meter hohen Anden begünstigen Aufwärtsströmungen, die Segelflugzeuge im Idealfall bis in die Stratosphäre steigen lassen. „Die Polarwirbel im Zusammenspiel mit dem polaren Nachtjetstream mit Geschwindigkeiten von mehr als 480 Kilometern pro Stunde wirken wie ein Fahrstuhl für den Gleiter“, sagt Elizabeth Austin, Chefmeteorologin des Projekts. „Wenn wir einen idealen Tag erwischen, können wir auf 90.000 Fuß kommen.“

Segler erreicht mehr als 640 Kilometer pro Stunde

Höher flogen laut Airbus-Angaben selbst die Militärflugzeuge Lockheed U-2 und SR71 nicht. Das Internetlexikon Wikipedia weist für die SR71 einen Höhenrekord für Düsenjets im Horizontalflug von 25.929 Metern auf. Den absoluten Höhenrekord hält demnach der russische Kampfjet Mig mit 37.650 Metern, allerdings im Parabelflug. Die bisherige Bestmarke für Segelflieger stammt aus 2006. Der mittlerweile verstorbene US-Milliardär und Abenteurer Steve Fossett schaffte zusammen mit Einar Enevoldson in dem Gleiter Perlan 1 eine Höhe von 50.772 Fuß. Passagierjets fliegen normalerweise auf maximal 13.000 Metern.

Beim Nachfolgermodell Perlan 2 sitzt die Crew in einer Druckkabine und wird mit reinem Sauerstoff aus einem Kreislauftauchgerät versorgt, das vergleichbar ist mit einem von Astronauten im Weltall eingesetzten System. Auf der geplanten Rekordhöhe herrschen weniger als zwei Prozent der auf Meereshöhe vorhandenen Luftdichte. Obwohl er keinen eigenen Antrieb hat, würde der Zweisitzer mit mehr als 640 Kilometern pro Stunde dort oben fliegen.

Der 573 Kilogramm schwere Segler mit 25,60 Metern Spannweite soll Daten über die Dicke der Ozonschicht, den Klimawandel und Wetterphänomene liefern. „Wir werden lernen, wie sich ein Flugzeug in immer größeren Höhen verhält“, sagt Airbus-Stratege Ken McKenzie. „All diese naturwissenschaftlichen Erkenntnisse können uns eines Tages helfen, die Höhen zu steigern, in denen kommerzielle Fluglinien fliegen.“ Auf 90.000 Fuß ähnele die Atmosphäre der auf dem Mars – spannend für die Airbus-Raumfahrtsparte, die ferngesteuerte Fahrzeuge für den Planeten entwickelt und baut.

Bedingungen müssen perfekt sein

Den Trip nach Nevada kennt Enders bereits. Im März war er in Minden, wenige Tage nachdem die Piloten in der Luft erstmals mit Sauerstoff versorgt wurden. Enders zeigte sich beeindruckt und stolz. Mit Chefpilot Jim Payne abheben konnte er damals nicht. Das Wetter verhinderte es. Wenn es an diesem Wochenende klappt, wollen die beiden die Sauerstoffversorgung checken. Dem Praxistest soll ein neues Versiegelungsmaterial der Kabine unterzogen werden, das besser auf die kalten Temperaturen in großen Höhen ausgelegt ist. Mehr als 15.000 Fuß sind laut Wettervorhersage wohl nicht drin. Nach dem Erstflug im September soll schrittweise die Flughöhe bis zur Stratosphäre erhöht werden, um Daten über das Flugverhalten des Segelfliegers in jeder Höhe zu sammeln.

Ob der Rekord wirklich schon in diesem Jahr fällt, ist offen. Die Bedingungen müssen exakt passen. Grundsätzlich sei der Zeitraum Juni bis September in Argentinien für den Höhenflug zwar gut geeignet, aber für die Bestmarke müssen sie perfekt sein, sagt Chefmeteorologin Austin: „Wir werden in jeder Saison maximal eine Handvoll Möglichkeiten dafür haben. Vielleicht wird es zwei bis drei Jahre dauern, bis wir unser Ziel von 90.000 Fuß erreicht haben.“