Milwaukee/Washington. Dramatischer Unglücksfall in USA: Ein Junge spielte im Auto mit einer scharfen Waffe – und erschoss seine Mutter, die am Steuer saß.

Nach Todesfällen, die auf sträflich nachlässiges Verhalten im Umgang mit Waffen zurückgehen, suchen Amerikaner regelmäßig nach Erklärungen und Ausreden. So war es auch, nachdem Patrice Price mit zwei von drei Kindern (ein und zwei Jahre alt) und ihrer Mutter in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin im Auto ihres Freundes auf dem Highway 175 unterwegs war. Gegen 10.30 Uhr löste sich plötzlich ein Schuss. Price spürte einen lähmenden Schmerz im Rücken. „Mama, lass mich nicht sterben“, rief die 26-Jährige noch. Dann brach sie über dem Steuer zusammen. Wenige Minuten später war die junge Mutter tot. Ihr eigener Sohn, der ohne Kindersitz auf der Rückbank saß, hatte sie von hinten durch den Fahrersitz tödlich getroffen.

Im Fußraum des Autos lag eine geladene Pistole. Der Zweijährige entdeckte sie, ohne das Patrice Price oder ihre auf dem Beifahrersitz mit dem anderen Kind angeschnallte Mutter es bemerkten – und drückte ab. Wieder einmal beugt sich das vor Waffen strotzende Land über die Frage: Was ist zu tun, damit Kleinkinder nicht immer wieder unbeabsichtigt zu Todesschützen werden, weil Erwachsene Pistolen wie harmlose Alltagsgegenstände ungesichert herumliegen lassen?

„Fehlende Sensibilität für die latent tödliche Gefahr“

„Wegschließen. Munition getrennt aufbewahren. Waffen gehören nicht unbeaufsichtigt in Kindernähe“, heißt es pauschal in Internet-Foren der „National Riffe Association“ (NRA), die viele Kritiker mindestens mitverantwortlich dafür machen, dass in den USA Jahr für Jahr an die 30.000 Menschen durch Waffengewalt ihr Leben lassen. Warum Patrice Price, die von Freunden und Familienangehörigen als „umsichtige, liebende Mutter“ beschrieben wird, das Schießeisen arglos im Fußraum unter dem Fahrersitz lagerte, wird nie zweifelsfrei zu klären sein. „Fehlende Sensibilität für die latent tödliche Gefahr, die von Waffen ausgeht, war mit Sicherheit ein Faktor“, sagen Forscher der American University in Washington. Was sie wundert: Obwohl sich zuletzt spektakuläre Fälle häuften und die Berichterstattung darüber in den Medien zunahm, „passiert es immer wieder“.

Erst im März hatte die 31-jährige Waffen-Närrin Jamie Gilt in Jacksonville/Florida ihre Unachtsamkeit beinahe mit dem Leben bezahlt. Ihr vierjähriger Sohn, mit dem sie gemeinsam mit Waffen im Internet auf Fotos posierte, hatte ihr im Auto in den Rücken geschossen. Auch er hatte ein geladene Pistole im Fonds gefunden, damit gespielt und dann geschossen. Nach Recherchen der Anti-Waffen-Organisation „Everytown for Gun Safety“ gab es in diesem Jahr bereits rund 80 Fälle, bei denen Kinder oder Jugendliche Menschen mit Schusswaffen verletzten oder töteten.

Freund der Mutter hatte die Waffe im Wagen gelassen

Im Fall Price erinnern Verkehrs-Psychologen an einen Leitsatz, der sich von selbst versteht: „Benutzt Kindersitze! Sie bieten nicht nur Sicherheit bei Unfällen, sie schränken auch die Bewegungsfreiheit von entdeckungsfreudigen Knirpsen ein.“

Patrice Price besaß keine Kindersitze. Ihr eigenes Auto war nach Angaben der Polizei in Milwaukee wenige Tage vor der Tragödie gestohlen worden. Um sich fortbewegen zu können, nutzte sie den Wagen ihres Freundes. Ihm, einem Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, gehörte auch die Pistole vom Kaliber .40, die der kleine Junge während der Fahrt entdeckte. Dass der Security-Guard mit einer Anklage wegen fahrlässigen Verhaltens zu rechnen hat, ist nach Einschätzung von Juristen „unwahrscheinlich“. „Wenn man ihr nicht das Auto geklaut hätte, wäre das alles nie passiert“, sagte ein in Tränen aufgelöster Onkel von Price einem Radio-Sender in Milwaukee.

Bei der Trauerfeier am Dienstagabend sagte Pastor Charles Barnett, dass „wir dankbar sind für das Leben, dass Patrice Price geführt hat“. Ein Grund dafür: Neben ihren drei Kindern betreute die junge Afro-Amerikanerin eine weitere Familienangehörige. Die Frau war bei einer Schießerei schwer verletzt worden.