Berlin. Ihre Wespen-Taille sorgt bei Liebhabern bis heute für Aufregung. Dabei ist sie schon 70. Die Vespa ist inzwischen zum Kult geworden.

Irgendetwas an ihren Rundungen und Kurven, an der Wespentaille und dem unverwechselbaren Design ruft beim Anblick einer Vespa noch immer nostalgische Erinnerungen an die Nachkriegszeit wach. Es waren die wilden Fünfzigerjahre, die Mädels bezirzten die Männer in schwingenden Petticoats und Röhrenhosen, Elvis Presley und Bill Haley rockten aus Kofferradios – und ein alles überstrahlendes Gefühl von Freiheit bahnte sich seinen Weg von den Alpen bis nach Sizilien.

Heute feiert die Vespa ihren 70. Geburtstag. „Wir definieren die Vespa als eine ‚jung gebliebene 70-Jährige‘, die noch Jahrzehnte voll großer Veränderungen und Revolutionen vor sich hat“, sagt Davide Zanolini, Sprecher der Gruppe Piaggio, in deren Werk im toskanischen Pontedera der Mythos 1946 geboren wurde. Heute gehört der Roller genauso zu Italien wie Pizza, Pasta und Pompeji.

Aber nicht nur in seiner Heimat ist das schnittige Zweirad ein Hit – 18 Millionen Exemplare in 150 Modellen sind bis heute in alle Welt ausgeschwärmt. 64 davon stehen bei Karl Scharl im bayrischen Mauern. Scharl betreibt ein privates Vespa-Museum – in seinem Haus. Vom Keller bis ins Wohnzimmer. „Die Vespa ist Freiheit“, sagt der 45-Jährige. Mit vier Jahren saß er erstmals auf der Vespa seines Vaters. Da war es um ihn geschehen. „Es ist diese einmalige Form, die ist einfach schön.“ Leidenschaft ist eben schwer in Worte zu fassen. Mit 16 schließlich überließ ihm der Vater die Vespa. „Es passiert oft, dass eine Vespa vom Vater an den Sohn weitergegeben und so gut gepflegt wird, dass sie viel länger überlebt, als es für ein Fahrzeug normal wäre“, erklärt Vespa-Sprecher Zanolini. „So wird sie zum Kultobjekt, zum wahren Sammlerstück.“

Piaggio rief begeistert: „Sie schaut aus wie eine Wespe“

Begonnen hatte die Erfolgsstory, als das Flugzeugwerk Piaggio nach dem Zweiten Weltkrieg ein erdverbundenes Standbein suchte. Unternehmenschef Enrico Piaggio erkannte, was die Masse der Bevölkerung, die sich kein Auto leisten konnte, brauchte: ein einfaches, aber motorisiertes Fortbewegungsmittel für zwei Personen. Beauftragt wurde der Luftfahrtingenieur und Erfinder Corradino d’Ascanio. Der war eigentlich kein Freund von Motorrädern, fand sie unbequem, sperrig, mit Reifen, die nur schwer zu wechseln waren und Ketten, die die Hosenbeine einölten.

Also entwickelte Corradino einen Roller mit einem 125-ccm-Zweitaktmotor und selbsttragender Karosserie. Damit war der Motorroller leichter als herkömmliche Zweiräder. Durch den Direktantrieb am Hinterrad musste niemals eine Kette geschmiert werden – und der freie Durchstieg vor dem Sitz war nicht nur bequem, man konnte darin auch mal einen Sack Äpfel transportieren. Breites Hinterteil, schmale Taille: „Sie schaut aus wie eine Wespe (Italienisch: Vespa)!“, rief Piaggio begeistert. Der Name einer Legende war geboren – und wurde am 23. April 1946 zum Patent angemeldet. Wenige Jahre später brausten Audrey Hepburn und Gregory Peck im Film „Ein Herz und eine Krone“ auf einer Vespa durch Rom – Fotos davon zieren bis heute in Italien Postkarten. Es sollten noch viele Filme folgen, in denen der Roller auftaucht, von der Rockoper „Quadrophenia“ über „American Graffiti“ bis zu „Der talentierte Mr. Ripley“. Diven wie Joan Collins, Jayne Mansfield und Nicole Kidman wurden im Film oder am Set am Vespa-Lenker gesichtet. Und selbst der französische Präsident François Hollande fuhr auf seiner Vespa zur Geliebten – und den Paparazzi vor die Linse.

Ganz so mondän geht es bei Vespa-Sammler Karl Scharl nicht zu. Bei ihm ist die Vespa keine Diva sondern Teil der Familie. Fast jeden Tag fahren sie gemeinsam zur Arbeit – und immer noch in die weite Welt. „Mit meiner V98 bin ich schon durch ganz Europa“, erzählt Scharl. Erst im vergangenen Jahr ging es nach Kroatien und natürlich Italien. Hier, wo sie bis heute zum natürlichen Straßenbild gehört. Und zu ihrem 70. Geburtstag ist sich Davide Zanolini sicher: „Die Vespa erlebt gerade einen der besten Momente ihrer Geschichte.“