Koblenz. Ermittler gründen einen Schein-Rockerklub, um echte Hells Angels zu provozieren. Doch wegen des putzigen Namens schmunzelten die nur.

Es mutet an wie ein Aprilscherz, aber die Nachricht ist nicht vom 1. April: In Rheinland-Pfalz wurden verdeckte Ermittler in Kutten gesteckt, um den Motorradclub „Schnelles Helles“ zu gründen. So sollte belastendes Material gegen die „Hells Angels“ gesammelt werden. Bekannt wurde das in einem Prozess am Koblenzer Landgericht, wo acht „Höllenengeln“ wegen eines gewaltsamen Rachefeldzugs gegen konkurrierende „Outlaws“ angeklagt sind. Unter den Angeklagten ist unter anderem der Chef der Bonner Abordnung, der durch seine geschlossene Haustür einen Polizisten erschossen hatte, weil er an einen Überfall verfeindeter Rocker geglaubt hatte. In dem Fall war er freigesprochen worden.

„Kleiderschränke“ ausgewählt

Um trotz des Schweigens in der Szene mit den Ermittlungen voranzukommen und belastendes Material zu gewinnen, hatten die Ermittler die angestammten Rocker offenbar provozieren wollen: Wie aggressiv werden die „Hells Angels“, wenn in „ihrem“ Machtbereich ein neuer Rockerclub auftaucht, dazu noch mit einem Logo, das stark an das eigene erinnert? Wie, „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR berichten, wurden für den Club aus ganz Deutschland verdeckte Ermittler zusammengezogen, die glaubwürdig Rocker abgeben sollten. Richtige Kleiderschränke seien das gewesen, habe sich ein Zeuge später erinnert.

Doch die „Hells Angels“ waren davon weder beeindruckt noch provoziert, wie die „Rhein-Zeitung“ im Februar aus dem Prozess berichtete. Einer der Angeklagten sagte demnach, bei dem Namen „Schnelles Helles“ habe man den Club nicht so ernst genommen. Man habe eher „an eine Trinkgemeinschaft“ denn an wahre Rocker gedacht. Die „Hells Angels“ hatten im April 2015 Wind davon bekommen, dass ein Club mit rot-weißem, ganz ähnlich aussehendem Emblem, auf ihrem Terrain unterwegs ist.

Polizeirocker druckten eigene Bierdeckel

Die Polizisten in Kutten hatten sich auch alle Mühe gegeben, entsprechend aufzufallen. Nach den Informationen von WDR und NDR wurden die Lederwesten beim Leibschneider der „Hells Angels“ geordert, einschlägige Motorradwerkstätten damit abgeklappert und Bierdeckel mit dem Logo bedruckt. Allerdings gerieten sie offenbar in Gesprächen immer wieder in knifflige Situationen, weil viele der neuen Rocker sich in ihrer vermeintlichen Heimat nicht entsprechend auskannten.

Die Verteidiger der „Hells Angels“ üben im Prozess regelmäßig scharfe Kritik an den Ermittlungsbehörden und deren Methoden. Gerade erst nannte ein Anwalt den Prozess der Rhein-Zeitung zufolge „Monsterkino“. Bereits drei Zeugen wurden verhaftet wegen des Verdachts der Falschaussage.

Dem Bericht von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR zufolge ist der Einsatz von polizeilichen Lockspitzeln in Strafverfahren mit Risiko verbunden. Der Bundesgerichtshof hat demnach erst 2015 klargestellt, dass es zur Einstellung des Verfahrens führen kann, wenn der Staat Angeklagte zum Rechtsbruch angestiftet hat.

Polizei betrieb Dönerbude

Ein solcher Aufwand bei Ermittlungen ist ungewöhnlich, aber nicht einzigartig. Im Zuge der Ermittlungen zu Morden an Türken, die erst später als NSU-Mordserie enttarnt wurde, hatte die Polizei in Nürnberg sogar ein halbes Jahr lang einen Dönerimbiss betrieben und Lieferanten zunächst absichtlich nicht bezahlt. Begründung der Ermittler: Ausländer aus dem Bereich der organisierten Kriminalität sollten so aus der Reserve gelockt werden.