Berlin. Wohnungseinbrüche nehmen deutlich zu – im vorigen Jahr um fast zehn Prozent. Durchschnittlich erfolgt alle drei Minuten ein Einbruch.

Weniger als 30 Sekunden braucht ein Einbrecher, um eine unverschlossene Wohnungstür zu öffnen. Ein einfaches Fenster lässt sich der Polizei zufolge noch schneller aufhebeln. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist seit 2008 kontinuierlich gestiegen – auch im zurückliegenden Jahr, wie „Die Welt“ nun berichtet. Von 2014 auf 2015 sei die Zahl der erfassten Einbrüche um fast zehn Prozent auf 167.136 Fälle gewachsen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf die neue Kriminalstatistik, die im Mai offiziell vorgestellt werden soll. Ermittlern und Politikern bereitet der Trend seit langem Sorgen.

Wohnungen und Häuser sind schlecht gesichert, die Täter können auch deshalb gezielt zuschlagen, meinen Kriminologen. „Autos sind heutzutage viel besser gesichert als Wohnungen. In jedem Haushalt gibt es viele kleine, hochwertige technische Geräte wie Smartphones und Laptops – das lohnt sich für die Einbrecher“, sagt die Soziologin Gina Wollinger vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN), das zum Thema Einbruchsdiebstahl forscht.

Zunahme in Hamburg, NRW und Niedersachsen

Einfamilienhäuser und Erdgeschosswohnungen sind am stärksten gefährdet, wie eine Untersuchung des KFN zeigt. Überdurchschnittlich hoch war der „Welt“ zufolge die Zunahme der Wohnungseinbrüche in Hamburg (plus 20,2 Prozent), in Nordrhein-Westfalen (plus 18,1 Prozent) und in Niedersachsen (plus 13,1 Prozent). Bundesweit stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche seit 2005 um mehr als 50 Prozent – durchschnittlich geschehe alle drei Minuten ein Einbruch, rechnet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor.

Im Jahr 2014 wurden nur etwa 16 Prozent der Wohnungseinbrüche aufgeklärt, wie aus der damaligen Kriminalstatistik hervorging. Die GdP sieht die Jagd nach den Tätern durch fehlendes Personal in den Ermittlungsbehörden erschwert. „Das Einzige, was hilft, ist ein hoher Ermittlungsdruck und eine sichtbare Präsenz der Polizei, vor allem in den Wohngebieten und zu bestimmten Tageszeiten“, sagt der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek.

Spurenauswertung läuft meist schleppend

Aus Sicht von Kriminologen sind Personalmangel und Stellenabbau bei der Polizei jedoch nur bedingt für die geringe Aufklärungsquote verantwortlich. Selten hinterlassen die Einbrecher Spuren, es gibt kaum Anhaltspunkte für die Polizei, sagt Wollinger. Deshalb gehe die Spurenauswertung schleppend voran. „Auf Ergebnisse der DNA-Analysen wartet die Polizei manchmal bis zu einem Jahr. Andere Delikte wie Mord haben Vorrang.“

Für die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) steht fest: „Die Fälle, die aufgeklärt werden, lassen immer häufiger den Schluss zu, dass es sich bei Haus- und Wohnungseinbrüchen um bandenmäßig, organisierte Kriminalität handelt.“ Soziologin Wollinger hält die Gefahr von im Ausland organisierten Verbrechergruppen hingegen für überschätzt. Dem KFN zufolge handelt es sich bei Einbrechern um keine homogene Gruppe. Vielfach wohnten die Täter nur wenige Straßen entfernt, beobachteten ihre Opfer oder auch etwa deren Statusmeldungen in den sozialen Netzwerken. „Wenn jemand öffentlich schreibt, er ist in den nächsten zwei Wochen im Urlaub, kann das natürlich auch Einbrecher anlocken“, sagt Wollinger.

Kriminologen fordern gesetzliche Einbruchssicherung

Kriminologen schlagen vor, per Gesetz eine Einbruchssicherung für jeden Haushalt ähnlich einer Brandschutzverordnung einzuführen. Die Absicherung solle nicht nur auf freiwilliger Basis der Bewohner passieren. „Auch wenn die Menschen sehr unvorsichtig sind, kann die Prävention nicht alleine von der Bevölkerung geschultert werden.“

Dem KFN zufolge leiden Opfer noch Monate und teilweise Jahre unter den Einbrüchen. Denn die Tat bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre. Beinahe jeder Vierte leide mindestens ein Jahr nach dem Einbruch unter erheblichem Stress. Viele klagen demnach über Angstgefühle und Schlafstörungen. Fast 25 Prozent der Betroffenen würden gerne umziehen, und beinahe 10 Prozent machen das dem KFN zufolge auch. (dpa)