Berlin. Minus 230 Grad Celsius, kilometerhohe Wassereisberge: Die Nasa-Sonde „New Horizons“ hat spannende Erkenntnisse über den Pluto gewonnen.

Der Zwergplanet Pluto in den Außenbezirken unseres Sonnensystems ist alles andere als eine eintönige Eiswüste. Das hat die Raumsonde „New Horizons“ der US-Raumfahrtbehörde Nasa eindrucksvoll gezeigt, die im vergangenen Sommer als erster irdischer Besucher den Pluto aus der Nähe untersucht hat. In der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Science“ fassen die „New Horizons“-Forscher bisherige Erkenntnisse zusammen.

Eine Animation der Nasa-Raumsonde „New Horizons“, die den Pluto und seine Monde untersuchte.
Eine Animation der Nasa-Raumsonde „New Horizons“, die den Pluto und seine Monde untersuchte. © REUTERS | NASA

Die Pluto-Oberfläche ist demnach ein komplexes Durcheinander verschiedener Landschaftsformen. Es gibt weite, glatte Ebenen, fließende Gletscher, zerklüftetes Terrain, Schluchten, Berge, Mulden, Verwerfungen und vieles mehr. Rund 30 Geländearten weist eine kürzlich von der Nasa veröffentlichte Karte aus. Manche Regionen sind mit einem Alter von maximal zehn Millionen Jahren geologisch gesehen ausgesprochen jung, andere bis zu vier Milliarden Jahre alt. Aktive geologische Prozesse formen Teile der Oberfläche fortwährend wieder neu.

Auf dem Zwergplaneten ist es mit minus 230 Grad Celsius extrem kalt. Verschiedene Eisarten bedecken den Planeten, darunter Stickstoff- (N2), Kohlenmonoxid- (CO), Methan- (CH4), Ammoniak- (NH3) und Wassereis (H2O), das sich zum Teil zu kilometerhohen Bergen türmt. Da Wassereis leichter ist als stickstoffhaltiges Eis, driften in manchen Gegenden Wassereisberge durch das Stickstoffeis. Die Astronomen haben auf den Bildern der Raumsonde ganze Ketten von dahintreibenden, bis zu 20 Kilometer breiten Hügeln ausgemacht, die durch die Tiefebene Sputnik Planum wandern.

Oberfläche der Tiefebene wird immer wieder neu geformt

Sputnik Planum ist eine Hälfte der großen, auffällig herzförmigen Region am Plutoäquator, die als „Tombaugh Regio“ bezeichnet wird – zu Ehren des Pluto-Entdeckers Clyde Tombaugh (1906–1997) aus den USA. Die Tiefebene Sputnik Planum ist mit rund 870.000 Quadratkilometern ungefähr so groß wie Schweden und Norwegen zusammen. Sie ist besonders glatt, hat nicht einen einzigen Einschlagkrater und gilt daher als sehr jung. Die Ebene besteht wahrscheinlich aus Stickstoff-, Kohlenmonoxid- und Methaneis, wie Jeffrey Moore vom Ames-Forschungszentrum der Nasa und Kollegen in ­„Science“ schreiben.

Ein Bild des Pluto, das „New Horizon“ zur Erde funkte. Die herzförmige Formation auf dem Zwergplaneten trägt den Namen „Sputnik“.
Ein Bild des Pluto, das „New Horizon“ zur Erde funkte. Die herzförmige Formation auf dem Zwergplaneten trägt den Namen „Sputnik“. © REUTERS | NASA

Im zentralen und nördlichen Teil der Ebene zeigen sich zellartige Strukturen. Der Mittelpunkt dieser Zellen erhebt sich bis zu 50 Meter über die Ränder. Vermutlich handele es sich um eine Art Konvektionszellen, in denen Eis aus der Tiefe emporsteige, so die Forscher. Auf diese Weise kann die Oberfläche der Tiefebene in geologisch kurzen Zeiträumen immer wieder neu geformt werden, sodass auch Einschlagkrater nicht lange erhalten bleiben.

Anders als Pluto ist sein größter Mond Charon offensichtlich derzeit nicht geologisch aktiv. Er muss jedoch vor rund vier Milliarden Jahren großräumige tektonische Prozesse und eine Erneuerung seiner Oberfläche erlebt haben, berichten die Forscher. Charons Oberfläche ist größtenteils mit Wassereis bedeckt und zeigt am Nordpol eine auffällige rötliche Färbung. Die Oberfläche sei unter den Eismonden im äußeren Sonnensystem einzigartig, schreiben Will Grundy vom Lowell-Observatorium und Kollegen in einem weiteren Fachartikel. Vermutlich stammt Charons Rouge am Nordpol von speziellen Kohlenwasserstoff-Verbindungen namens Tholinen, die auch Pluto sein rötliches Aussehen geben.

Pluto ist viel kälter als erwartet

Möglicherweise fange der Mond Tholine ein, die von Pluto ins All geweht werden, spekulieren Wissenschaftler um Randall Gladstone vom Southwest Research Institute, die mithilfe der Sonde „New Horizons“ Plutos Atmosphäre untersucht haben. Die Beobachtungen seien überraschend, so die Forscher. So sei die obere Atmosphäre des Zwergplaneten mit etwa minus 200 Grad Celsius viel kälter als erwartet. Dabei sei nicht klar, auf welche Weise sie so stark gekühlt werde.

Die kalte obere Atmosphäre bremse den Verlust von Gasen ins Weltall, erläutern die Wissenschaftler. Offensichtlich verliert der Zwergplanet viel weniger seiner dünnen Gashülle an den umgebenden Weltraum als gedacht. Das zeigt sich auch in den Messungen der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind, einem steten Strom schneller Teilchen, der von der Sonne durch das gesamte Planetensystem nach außen fließt. Zwar verändert Pluto messbar seine Weltraumumgebung. Die Wechselwirkungszone mit dem Sonnenwind sei auf der Sonnenseite des Zwergplaneten jedoch nur etwa drei Plutodurchmesser groß und damit deutlich kleiner als erwartet, berichten Frances Bagenal von der Universität von Colorado und Kollegen.

Trotz der eisigen Kälte taut auf Pluto flüchtiges Eis, verdunstet und füllt so die Atmosphäre regelmäßig nach. In der dünnen Gashülle hat „New Horizons“ überraschend Dunstschichten entdeckt, die sich bis in 200 Kilometer Höhe ziehen. Etwa 20 verschiedene Dunstschichten ließen sich unterscheiden, berichtet das Team um Gladstone. Der Dunst, der den ganzen Zwergplaneten umhülle, bestehe wahrscheinlich aus den organischen Verbindungen Methan, Acetylen (C2H2), Ethen (C2H4) und Ethan (C2H6), die allesamt von „New Horizons“ in der Plutoatmosphäre nachgewiesen wurden. Hauptbestandteil der Lufthülle ist wie auf der Erde Stickstoff.

Planet und Monde entstanden wohl durch Kollision

Bei Charon ließ sich dagegen keine Atmosphäre nachweisen. Obwohl Pluto und sein größter Mond oberflächlich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten haben, gehen die Astronomen davon aus, dass beide durch den Zusammenstoß zweier Himmelskörper gemeinsam entstanden sind. Diese Vorstellung stützt auch die Analyse der vier anderen Plutotrabanten mithilfe von „New Horizons“, die beim Bau der Sonde noch gar nicht bekannt waren. Die beiden Monde Nix und Hydra wurden 2005 mit dem Weltraumteleskop „Hubble“ entdeckt, kurz vor dem Start der Plutosonde am 19. Januar 2006. 2011 und 2012 entdeckte „Hubble“ dann die Trabanten Kerberos und Styx.

Ein weiteres Bild der Sonde „New Horizon“ zeigt die Oberfläche des Pluto.
Ein weiteres Bild der Sonde „New Horizon“ zeigt die Oberfläche des Pluto. © REUTERS | NASA

Bei ihrem Vorbeiflug am 14. Juli 2015 spähte „New Horizons“ intensiv, aber erfolglos nach weiteren kleinen Monden im Plutosystem. Zumindest innerhalb von 80.000 Kilometern um Pluto gebe es keine weiteren Trabanten mit Durchmessern von mehr als rund 1,7 Kilometern berichten Forscher um Hal Weaver von der Johns-Hopkins-Universität in „Science“. Die vier kleinen Monde Styx, Nix, Kerberos und Hydra haben alle eine längliche Form, sie sind an ihrer längsten Seite zwischen 16 und 65 Kilometer groß und umkreisen Pluto in 43.000 bis 65.000 Kilometern Entfernung. Ihre Umlaufzeit beträgt 20 bis 38 Tage, wobei sie sich wesentlich schneller um sich selbst drehen. Die Rotationszeit der Monde beträgt nur einen halben bis fünf Erdentage.

Interessanterweise liegen die Rotationsachsen der kleinen Monde alle in etwa senkrecht zu den Rotationsachsen von Pluto und Charon. Das kann kein Zufall sein, meinen die Astronomen um Weaver. Insgesamt seien die Rotationseigenschaften der Monde einzigartig im Sonnensystem. Die Forscher werten die Beobachtung als Beleg für die Hypothese, dass die kleinen Plutomonde aus derselben kosmischen Kollision hervorgegangen sind, in der auch das Doppelsystem Pluto-Charon entstanden ist.

Monde reflektieren bis zu 83 Prozent des Sonnenlichts

Erstmals konnte „New Horizons“ die Oberflächen der Monde untersuchen. Sie sind allesamt – wie Pluto und Charon – ungewöhnlich hell, gemessen an den typischen Objekten in dieser fernen Region des Sonnensystems. Die kleinen Monde reflektieren zwischen 56 und 83 Prozent des einfallenden Sonnenlichts. Die Forscher gehen daher davon aus, dass die kleinen Trabanten ebenso wie der größere Charon vor allem mit Wassereis bedeckt sind. Auf den beiden größeren der vier kleinen Monde haben die Astronomen mithilfe von „New Horizons“ Einschlagkrater erspäht: elf auf Nix und drei auf Hydra. Sie schließen daraus, dass die Mondoberflächen uralt sind und sich bereits vor mindestens vier Milliarden Jahren formten.

Farbaufnahmen zeigen, dass Hydra etwas blauer ist als Nix, was auf eine größere Eisbedeckung hindeuten kann. Der größte Krater auf Nix hat zudem einen rötlichen Hof, der entweder vom Material des Einschlagkörpers stammen kann oder von Material, das durch den Einschlag aus der Tiefe des Mondes an die Oberfläche geschleudert wurde.

Während die Raumsonde „New Horizons“ den Zwergplaneten längst verlassen hat, funkt sie noch immer Beobachtungsdaten aus dem Juli zurück zur Erde. Erst vor Kurzem hat die Nasa die bislang detailreichste Aufnahme der eisigen Plutotiefebene Sputnik Planum veröffentlicht, auf der noch bis zu 77 Meter große Details zu erkennen sind. Von den noch folgenden Beobachtungsdaten der Sonde erhoffen sich die Astronomen weitere Einblicke.