Meiningen. Ein Streit um einen Koran war eskaliert in Gewaltexzessen: Nach Randale in Suhl sind die Urteile gegen fünf Asylbewerber gesprochen.

Nach den Ausschreitungen in einem Flüchtlingsheim im thüringischen Suhl sind fünf Männer zu Bewährungs- und Haftstrafen verurteilt worden. Richterin Manuela Pallasch sagt bei der Urteilsbegründung im Landgericht Meiningen, die 18- bis 27-Jährigen, die aus Afghanistan und dem Irak stammen, hätten sich des Landfriedensbruchs schuldig gemacht. Der Vorfall hatte bundesweit Empörung und eine Debatte um Gewalt in Flüchtlingsunterkünften ausgelöst. Ein rund 30-minütiges Video hatte die Vorfälle dokumentiert.

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„Wenn ich Gäste bei mir beherberge, da erwarte ich von meinen Gästen ein Mindestmaß an Anstand. Das haben Sie vermissen lassen“, sagt Pallasch. Dann zählt sie am Freitag im Landgericht Meiningen die Taten der fünf Männer auf: Steinwürfe, Bewaffnung mit Eisenstangen, zerborstene Scheiben, Belagerung eines Wachleutebüros, demolierte Autos. Ein 27-Jähriger habe einen anderen Flüchtling krankenhausreif geschlagen.

Die Männer, die Pallasch zu Strafen zwischen 12 und 16 Monaten auf Bewährung und zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, gehörten zu einer aufgebrachten Menge. Diese konnte im August 2015 von Wachleuten und Polizisten nur mit Mühe davon abgehalten werden, einem anderen Flüchtling an den Kragen zu gehen. Dieser hatte in den Augen vieler ein Tabu gebrochen: Er riss demonstrativ Seiten aus dem Koran.

Regelrechte Jagd auf Polizisten

„Sie war aggressiv, wütend, hasserfüllt.“ So habe sie die Stimmung empfunden, hatte eine 24 Jahre alte Polizistin zu Prozessbeginn ausgesagt. Die Polizistin war bei dem Einsatz dabei. Sie sprach auch davon, dass die Menge regelrecht Jagd auf die Polizisten gemacht habe, die die Lage beruhigen wollten.

In Suhl ist Thüringens größte Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Mit 1800 Menschen war diese im vergangenen Sommer überbelegt. Auch die Lebensumstände in der Unterkunft – viele Menschen auf engem Raum – könnten eine Rolle bei den Auseinandersetzungen gespielt haben, die in der Nacht zum 20. August eskalierten, sagt Pallasch.

„Das ist aber keine Rechtfertigung dafür, was Sie getan haben.“ Die Täter sollten den Polizeibeamten danken, „dass sie in ganz erstaunlicher Weise Ruhe bewahrt haben“. Nur ein Beamter habe, nachdem seine Gruppe arg bedrängt wurde, die Waffe gezogen – aber nicht entsichert.

Asylbewerber hatten zur Beruhigung der Menge beigetragen

Staatsanwalt Markus Knapp kreidet den Tätern auch an, dem Ansehen anderer Flüchtlinge zu schaden. Sie hätten „rechtsradikalen Kräften Argumente geliefert, seien sie auch nur vorgeschoben“, so Knapp. Die Richterin betont, dass auch Asylbewerber dazu beigetragen hätten, die wütende Menge zu stoppen.

Vier Tätern gibt das Gericht die Chance, sich zu bewähren – und 300 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Wäre es nach dem Staatsanwalt gegangen, hätte es keine Bewährungsstrafen für die Männer gegeben, die seit Herbst in Untersuchungshaft saßen.

Pallasch macht deutlich, dass deren Entschuldigungen und Geständnisse dazu beitrugen, dass die Strafe milder ausfiel als von der Staatsanwaltschaft gefordert. „Sie haben ehrliches Bedauern und Reue gezeigt“, bescheinigt die Richterin einem 18-Jährigen. Als Staatsanwalt Knapp ein Jahr und vier Monate Haft für ihn forderte, vergrub er sein Gesicht in den Händen, um Tränen zu verbergen.

Sein Anwalt sagt von ihm: „Er hat schon in jungen Jahren Gewalt, Krieg und Tod erlebt.“ Er solle die Zeit, die er in Deutschland habe, sinnvoll nutzen, gibt ihm die Richterin auf den Weg. (dpa)