Brüssel/Paris. Der mutmaßliche Paris-Attentäter Salah Abdeslam soll nach Frankreich ausgeliefert werden. Er soll auch nach Deutschland gereist sein.

Nach der Festnahme des mutmaßlichen Terroristen Salah Abdeslam geht die Suche nach weiteren Beteiligten der Anschläge von Paris weiter. „Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert“, sagte Frankreichs Präsident François Hollande am Freitagabend. Die Zahl derjenigen, die sich an der Vorbereitung der November-Anschläge mit 130 Toten in verschiedener Form beteiligt hätten, sei größer als zunächst angenommen. Aufgabe der Ermittler sei es, alle zu identifizieren, sagte Hollande.

Der mutmaßliche Top-Terrorist Salah Abdeslam ist unterdessen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf einen Krankenhaussprecher am Samstag in Brüssel. Der 26-Jährige war bei seiner Festnahme am Freitag leicht am Bein verletzt worden.

Laut Südwestrundfunk (SWR) soll sich Abdeslam vergangenen Herbst kurzzeitig in Süddeutschalnd aufgahlten haben. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte, dass der Verdacht bestehe, dass Abdeslam in Ulm gewesen sei. Mehr sagte sie nicht. Das sei Gegenstand der Ermittlungen. Nach Recherchen des SWR wurde wenige Wochen vor den Paris-Attentaten ein Mietwagen auf den Namen von Abdeslam in Brüssel angemietet. Die Ermittler seien sich sicher, dass er selbst der Fahrer war. In Ulm selbst sei das Auto dann kaum eine Stunde gewesen. Abdeslam habe dort womöglich Komplizen in einer Flüchtlingsunterkunft abgeholt.

Salah Abdeslam wurde seit November als ein Hauptverdächtiger der Terrorattacken von Paris gesucht – und nun in Brüssel gestellt.
Salah Abdeslam wurde seit November als ein Hauptverdächtiger der Terrorattacken von Paris gesucht – und nun in Brüssel gestellt. © FMG | FMG

Insgesamt fünf Festnahmen in Molenbeek

Abdeslam gilt als einer der wenigen bekannten Überlebenden der Terrorzelle, die für die Anschläge vom 13. November verantwortlich gemacht wird. Die anderen Terroristen hatten sich entweder mit Sprengstoffgürteln in die Luft gesprengt oder waren erschossen worden.

Die Festnahme Abdeslams erfolgte in der als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Gemeinde Molenbeek. Insgesamt nahmen die Ermittler nach eigenen Angaben fünf Verdächtige fest - darunter offenbar eine Familie, die Abdeslam Zuflucht gewährte. Augenzeugen hatten von Schüssen während des Polizeieinsatzes berichtet.

Der Polizeieinsatz am Freitag fand unter anderem auf dem Gelände einer Schule in Molenbeek statt. Die Polizei hatte das Gelände abgeriegelt. Kurz bevor offizielle Stellen die Festnahme Abdeslams bekannt gaben, verließ ein eskortierter Rettungswagen den Schulhof. Auf der folgenden Karte ist der Einsatzort in der Kortrijkstraat in Molenbeek zu sehen:

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Schnellstmögliche Auslieferung an Frankreich

Der französische Verteidigungsrat und der belgische Sicherheitsrat kommen an diesem Samstag jeweils zusammen, um über die aktuelle Lage zu beraten. Abdeslam soll so schnell wie möglich nach Frankreich ausgeliefert werden. Dies sei lediglich eine Formalie, sagte der belgische Justizminister Koen Geens. Der mutmaßliche Paris-Attentäter hingegen lehnt seine Auslieferung nach Frankreich ab. Das meldete die Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf dessen Anwalt, Sven Mary, am Samstag. Abdeslam gebe zu, am 13. November in Paris gewesen zu sein, und kooperiere mit der belgischen Justiz, sagte der Anwalt demnach weiter. Abdeslam wäre der erste Terrorverdächtige, dem wegen der Pariser Anschläge in Frankreich der Prozess gemacht wird.

Auf die Spur von Abdeslam hatte Fahnder eine Hausdurchsuchung am vergangenen Dienstag gebracht. Bei ihr war aus einer Wohnung heraus auf Polizisten geschossen worden. Bei dem anschließenden Zugriff wurde ein Verdächtiger getötet, zwei andere konnten fliehen. Einer von ihnen war womöglich Abdeslam.

Bei der Polizeiaktion am Dienstag im Brüsseler Stadtteil Forest waren auch vier Polizisten verletzt worden. Die belgischen Ermittler hatten den von einem Scharfschützen erschossenen Verdächtigen anschließend als 1980 geborenen Algerier mit dem Namen Mohamed Belkaid identifiziert. Sie gehen nach jüngsten Angaben nun davon aus, dass er die falsche Identität Samir Bouzid genutzt hatte und damit wohl einer von zwei Männern ist, die gut zwei Monate vor den Anschlägen mit Abdeslam in Ungarn waren. Sie wurden damals auf dem Weg nach Österreich kontrolliert.

Opfervereinigung zeigt sich erleichtert

Hollande sagte, ein Mitwirken Abdeslams an den Attentaten stehe außer Zweifel. „Er war in Paris an diesem schrecklichen Abend des 13. November. Es ist sicher, das er in der ein oder anderen Art und Weise an den Anschlägen beteiligt war.“

Die Opfervereinigung „13. November“ reagierte erleichtert auf die Festnahme Abdeslams. Ihr Präsident George Salines, dessen Tochter im „Bataclan“ getötet worden war, sagte dem Sender BFMTV: „Ich bin überrascht, erleichtert und empfinde Genugtuung, dass es einen echten Prozess gegen jemanden geben wird, der sehr direkt in die Attentate verwickelt war.“ (dpa/rtr/ac/les)