Berlin. Frühlingszeit ist Paarungszeit. So sehr strengen sich die Tiere an, um ihre Erbinformationen in die nächste Generation zu bringen.

Viele verausgaben sich bis zur völligen Erschöpfung, und manche verlieren gar ihren Kopf: Der Liebesreigen der Tiere wirkt bizarr, spektakulär, mitunter auch mühselig. Warum schleppt der Pfau einen hinderlich üppigen Schwanz umher? Warum genießen Gottesanbetermännchen nicht lieber fröhlich ihr Dasein, als gleich beim ersten Sex ihr Haupt einzubüßen? Immer geht es darum, seine Erbinformation möglichst häufig in die nächste Generation zu bringen. Wissenswertes zum tierischen Liebesleben.

• Kampf der Geschlechter

Männlein und Weiblein verfolgen bei der Partnerwahl prinzipiell das gleiche Ziel: möglichst viele Nachkommen. Sie haben aber unterschiedliche Wege, dies zu erreichen. „Männchen können potenziell sehr viel mehr Nachkommen haben – je mehr Weibchen sie rumkriegen, desto mehr Nachkommen haben sie“, erklärt der Zoologe Gerhard Haszprunar, Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. Daher sei die Paarungsstrategie der Männchen bei fast allen Arten auf Polygamie ausgerichtet, die der Weibchen dagegen mehr auf Qualität. „Aus diesem Spannungsverhältnis ergeben sich alle möglichen Varianten“, erklärt der Biologe. „Die Auswahl trifft allerdings fast immer das Weibchen.“ Auch beim Menschen werde das deutlich: „Darum schenken die Männer den Frauen die Blumen zum Hochzeitstag und nicht umgekehrt.“

• Signale der Macht

Das üppige Pfauenrad, ein mächtiges Hirschgeweih: Signale, die Kraft und Gesundheit ihres Trägers zeigen sollen, gibt es im Tierreich zuhauf. Die meisten solcher Merkmale geben ehrlich Auskunft über die Fitness, so Haszprunar. Schummelei werde von der Evolution gnadenlos abgestraft. „Das Weibchen will ja wirklich den Besten haben für seine begrenzte Zahl an Nachkommen.“ Die Damen hätten derlei Prahlerei in der Regel nicht nötig, weil sie sowieso immer begehrt würden. „Männchen tun sich darum mit dem Selbstrepräsentieren leichter und können es meist auch besser, das sieht man ja auch beim Menschen.“

• Strategiespiele

Größe gegen Gewitztheit: Weibchen wählen oft strategisch klug, wie ihr Partner sein sollte. „Für eine große, starke Hirschkuh ist es sinnvoll, sich mit dem Kräftigsten, dem Platzhirschen, zu paaren – in diesem Fall ist durchsetzungsfähiger männlicher Nachwuchs zu erwarten“, erklärt Haszprunar. Bei einem schmächtigen Weibchen aber zähle der Nachwuchs wahrscheinlich ohnehin nicht zu den Stärksten. „Es ist dann vielleicht die bessere Idee, den Schlauesten als Vater zu wählen, der es schafft, zum Zuge zu kommen, obwohl er nicht der Stärkste ist.“ Für den Platzhirsch bedeute es immensen Stress, solche Techtelmechtel zu verhindern. „Darum hält er auch höchstens eine Saison durch oder zwei.“

Ähnliche Schummeleien gibt es bei Beutelmeisen (Remiz pendulinus). „Beide Partner sind darauf aus, möglichst rasch zu verschwinden und noch ein weiteres Gelege an den Start zu bringen“, erklärt die Evolutionsbiologin Claudia Fricke von der Universität Münster. „Das Weibchen versucht darum geheimzuhalten, wie viele Eier es schon gelegt hat – und das Männchen versucht, doch immer mal hineinzulugen.“ Wer zuerst verschwindet, sobald das Gelege vollzählig ist, lässt den anderen demnach als Gelackmeierten zurück: Er – oder sie – muss sich um den Nachwuchs kümmern und bekommt zumindest in dieser Saison keine zweite Chance auf Fortpflanzung.

• Gewalt in der Ehe

Wenn es um den Fortbestand des eigenen Erbguts geht, können Männchen durchaus rabiat werden: Oft bleibt es wie bei Seeottern oder Rotwild bei wilder Anmache. Seeelefanten aber erzwingen von den weit kleineren Weibchen Sex – auch Orang-Utans tun dies häufiger. Erpel schrauben sich mit Korkenzieherpenissen regelrecht in Weibchen hinein – die dies mit einer anders herum gewundenen Vagina erschweren, wie Fricke erklärt. Bettwanzen besitzen nadelartige Penisse, und bei manchen Käferweibchen zeugen Narben von rabiaten Zugriffen ihrer mit bedornten Penissen ausgestatteten Partner. „Sich so oft wie möglich zu paaren ist für Männchen immer positiv – für Weibchen oft nicht“, erklärt Fricke. „Das sorgt für Konflikte.“

• Geschenke

Nicht nur Gewalt, auch Präsente sind im Tierreich fast immer Männersache. Bei Pinguinen sind es kleine Steinchen, die das Herz einer Dame dahinschmelzen lassen. Laubenvögel bauen prachtvolle Liebespavillons, die sie mit Kieseln, Federn oder anderen Fundsachen schmücken. Listspinnenmännchen bringen ein eingewickeltes Beuteinsekt mit – und verhindern so, selbst zum Opfer der Holden zu werden. Ist vom Mitbringsel nach vollzogenem Akt noch etwas übrig, schnappt es sich das Männchen mitunter – und versucht, mit dem neu verpackten Rest bei einer weiteren Spinnendame zu landen.

• Nebenbuhler

Rivalenkämpfe kosten Energie – und manchmal gar das Leben. Eine gewitzte Art, sie zu umgehen, habe sich bei manchen Fischarten und beim Kampfläufer entwickelt, sagt Fricke: Männchen, die wie Weibchen aussehen. Während die Konkurrenz noch rangelt, schleichen sie sich an die Damen heran. Auch bei Sonnenbarschen sieht ein Teil der Männchen weiblich aus und schafft es so, sich vom Rivalen geduldet anzuschleichen und die Eier der Barschdame zu befruchten.

Ebenfalls weit verbreitet sind Maßnahmen zur Beseitigung von Spermien der Konkurrenten: Bei Libellen und Heckenbraunellen, einer Vogelart, versuchen die Männchen, das Sperma des Vorgängers erst mal aus dem Genitaltrakt zu fummeln, auch Drohnen (männliche Honigbienen) beseitigen die Spuren ihres Vorgängers.

• Es geht auch ohne

Als Ausnahmeerscheinung gelten die Bdelloid-Rädertierchen: Sie hatten seit 80 Millionen Jahren keinen Sex mehr. Manche Wirbellose wie Wasserflöhe und Blattläuse können sich sowohl sexuell als auch mit unbefruchteten Eizellen fortpflanzen. Über diese Parthenogenese setzten die Weibchen oft besonders viele Nachkommen in die Welt, erklärt Zoologe Gerhard Haszprunar. Auf Sex werde gesetzt, wenn genetische Variabilität gefragt ist – etwa bei vielen Parasiten in der Umgebung.