Karlsruhe. Ein Schmerzpatient zog fast ein Kilo Cannabis auf, um Tee zu brühen. Wegen eines Sonderfalls im Strafrecht wurde er freigesprochen.

Die Uhrzeit, zu der die Richter am Karlsruher Amtsgericht ihr Urteil gefällt haben, trägt Symbolcharakter. Um genau 16.20 Uhr sprachen sie am Mittwoch einen 45-jährigen Schmerzpatienten frei, der in seiner Wohnung insgesamt 887 Gramm Marihuana angebaut hatte, um sich daraus schmerzlindernden Tee zu brauen. Ob die Richter wohl absichtlich diese Uhrzeit zur Verkündung des Urteils gewählt haben? Schließlich ist das eine besondere Uhrzeit – zumindest unter Kiffern.

Am 20. April um 16.20 Uhr treffen sich Kiffer weltweit – zum Kiffen

Jedes Jahr am 20. April – in US-Schreibweise 4/20 – um exakt 16.20 Uhr treffen sich weltweit Zehntausende Kiffer, um gemeinsam einen Joint zu rauchen. Warum der „420 Day“ wirklich ins Leben gerufen wurde, ist zwar nicht überliefert. Aber es ist davon auszugehen, dass das vom Amtsgericht Karlsruhe zu jener Uhrzeit gefällte Urteil bei einigen Kiffern zu Freudensprüngen geführt hat – auch wenn die meisten von der Entscheidung wohl nicht einmal betroffen sind.

Der 45-jährige Mann, der jetzt freigesprochen wurde, leidet seit einer Operation unter starken Schmerzen, die 2014 nach dem Genuss eines mit Cannabis aufgebrühten Tees plötzlich verschwanden. Wie die „Badische Zeitung“ berichtet, habe sich der Schmerzpatient danach mehrere Stecklinge über einen Online-Versandhandel besorgt, um in seiner Wohnung eigene Pflanzen für seinen Cannabis-Tee aufzuziehen. Als kurze Zeit später der österreichische Lieferant aufflog und die Polizei auch gegen die Besteller länderübergreifend ermittelte, geriet auch der Schmerzpatient ins Visier der Polizei. Bei einer Hausdurchsuchung im November 2014 fand die Polizei insgesamt 887 Gramm Marihuana – das ist genug, um den Mann für mindestens ein Jahr ins Gefängnis zu stecken.

Richter sahen Paragraf 34 des Strafgesetzbuches erfüllt

In diesem Fall urteilten die Karlsruher Amtsrichter jedoch zugunsten des Schmerzpatienten. Wie Sebastian Glathe, Rechtsanwalt des Angeklagten, auf seiner Internetseite erklärt, sahen sie den im Strafgesetzbuch verankerten Paragrafen 34 erfüllt, auf den der Jurist für seinen Mandanten plädiert hatte. Demzufolge sind Straftaten nicht rechtswidrig, wenn sie aus der Notwendigkeit heraus begangen wurden, Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. Der Anwalt konnte dem Gericht laut „Badischer Zeitung“ glaubhaft machen, dass bei seinem Mandanten keine schulmedizinische Arznei mehr hilft. Nach einem im Mai 2015 ausgestellten Gutachten bekam der Schmerzpatient die Erlaubnis vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, sich das Marihuana legal in der Apotheke zu kaufen.

Da auch die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragt hatte, ist davon auszugehen, dass das Urteil rechtskräftig wird. „Mit dieser Entscheidung ist nun erstmals anerkannt worden, dass kranke Menschen, die medizinisch indiziert Cannabis konsumieren, nicht rechtswidrig handeln“, schreibt Anwalt Glathe in einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite.

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