Prag. Die Scorpions können auch im Rentenalter noch begeistern – vor allem mit Musik statt mit Skandalen. Jetzt kommen sie nach Deutschland.

Prag im Vorfrühling. Kühl ist es, aber die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel. Unten an der Moldau schieben sich Touristenmassen über die Karlsbrücke, oben in einem Luxushotel lässt sich Scorpions-Gitarrist Rudolf Schenker in einen Sessel fallen. Gemacht ist das Bett, ordentlich das Zimmer und neben ihm steht eine Tasse Tee. Sieht weder nach Sex noch nach Drugs aus, aber in Sachen Rock ’n’ Roll, da geht noch was. Denn Schenker ist wie üblich ganz in Leder gehüllt, trägt dunkle Brille zu hellem Haar und ein Lächeln auf den Lippen.

Vor ein paar Stunden erst ist die Band – aus Kiew kommend – in Prag gelandet. Am nächsten Tag schon wird sie nach Budapest weiterziehen. Seit mehr als einem Jahr geht das schon so – USA, Asien, Osteuropa, demnächst endlich auch mal wieder Deutschland. Ein ordentliches Pensum, zumal die Scorpions sich ja 2010 eigentlich zur Ruhe setzen wollten.

Entspannte Atmosphäre hinter den Kulissen

Aber da winken die Jungs mittlerweile ab. Wie auf einer guten Party sei das, erklärt Schenker. „Da ist es auch unheimlich schwierig, wenn alle gut drauf sind, und du sagst, du gehst jetzt nach Hause.“

Also sind sie geblieben. Schenker, Sänger Klaus Meine, Matthias Jabs (Gitarre), Paweł Mąciwoda (Bass) und James Kottak (Schlagzeug). Zumal ja ein Jubiläum anstand. Denn bei einem Blick in ein altes Kassenbuch hat Schenker festgestellt, dass die Band sich vor 50 Jahren gegründet hat. „Und da haben wir gesagt, wir wären ja bekloppt, wenn wir das nicht feiern.“

Routine nach über 5000 Konzerten

An diesem Abend machen sie das in Prag. Während die knapp 20.000 Besucher bereits in die Halle strömen, sitzt die Band noch beim Abendessen. Reis und Huhn gibt es, tschechisches Gulasch und auch eine Käseplatte steht auf den zusammengeschobenen Tischen im Catering-Raum. Jabs freut sich, dass Hannover 96 ausnahmsweise mal gewonnen hat in der Fußball-Bundesliga. Alles ist entspannt. Nach über 5000 Konzerten herrscht Routine hinter den Kulissen.

Auf der zweistöckigen Bühne aber, da „ist jeder Abend eine Herausforderung“, wie Schenker sagt. Es ist allerdings eine, die sie gerne annehmen und die sie gekonnt meistern. Allen voran Rudolf Schenker. Als ob er Kilometergeld bekommen würde, rennt er beim Gitarrenspiel über die Bühne. Von links nach rechts, von oben nach unten. Mal geht er in die Knie, mal macht der die „Windmühle“, indem er seinen rechten Arm wild rotieren lässt. Und in keiner Sekunde sieht man ihm dabei seine 67 Jahre an. Aber auch die anderen wirken nicht so, als müssten sie nach dem Auftritt in ein Sauerstoffzelt.

Weil er seine Stimme schonen will, gibt Sänger Klaus Meine kaum Interviews

So reisen sie in knapp zwei Stunden durch fünf Jahrzehnte Rock-Geschichte, die sie selber geschrieben haben. Spielen ein wenig was vom jüngsten Album, spielen aber auch die alten Hits wie „Still Loving You“ oder „Rock You Like a Hurricane“. Und natürlich weht irgendwann auch der „Wind of Change“ über die Bühne. Ein Lied wie ein Fluch? „Nein“, sagt Schenker. „Wenn man einen Song geschrieben hat, der zum Soundtrack für eine ganze Zeit geworden ist, dann ist das doch der Hammer.“

Nach der Zugabe erfrischen Schenker und Co. sich kurz in ihren Garderoben, dann geht es auch schon zurück ins Hotel. Das ist der Augenblick, an dem auch Klaus Meine (67) ein paar Sätze spricht, obwohl er während einer Tour eigentlich keine Interviews gibt. Er will seine empfindliche Stimme schonen, die ihn in den 1980er-Jahren schon einmal mehrere Monate im Stich ließ. Natürlich sei das manchmal schon stressig, so lange auf Tour zu sein, sagt er. Aber ans Aufhören denke niemand mehr. „Die Chemie in der Band stimmt immer noch“, bestätigt Schenker. „Klar muss man schlechte Zeiten durchstehen“, weiß er. Schwieriger aber sei es, wenn es gut laufe. „Wenn das Ego der einzelnen Bandmitglieder so groß wird, dass sie nicht mehr in einen Raum passen, scheitern viele.“ Die Scorpions nicht. Das liegt an „der Kraft der Musik“, glaubt der Gitarrist. „Wir wissen, was sie uns gibt. Aber wir wissen auch, was unsere Musik den Menschen gibt.“