Berlin. Ein Jahr nach dem Germanwings-Absturz ist eine Mail des Copiloten Andreas L. aufgetaucht. Er schreibt darin von akuten Problemen.

Nur wenige Tage vor dem tödlichen Absturz der Germanwings-Maschine im vergangenen März hat der Copilot Andreas L.in einer letzten Mail an seinen Psychiater von seinen extremen Schlafstörungen geschrieben und um Hilfe gebeten. Die „Bild“-Zeitung zitiert aus der Mail. Darin heißt es, die Sehstörungen hätten sich verschlechtert, er habe deswegen extremen Stress und könne kaum noch schlafen.

Die Medikamente, die er deswegen nehme, würden in der verordneten Dosis nicht helfen, schreibt L. weiter. „Ich nehme jetzt seit 2 Wochen Mirtazapin, allerdings ließ sich bei 15 mg keine Wirkung feststellen, so dass ich auf 30 mg hochgegangen bin“, zitiert die Zeitung aus der Mail, die der Copilot der verunglückten Maschine am 10. März geschrieben hat. „Mit der höheren Dosis bin ich eher unruhiger und habe manchmal auch etwas Panik in Bezug auf die Augen.“

„Ich bräuchte dringend Hilfe dabei Schlaf zu finden“

Das Schlafen haben sich mit Mirtazapin nicht verbessert, schreibt er weiter, „und es gibt auch weiterhin Nächte, in denen ich gar nicht schlafe.“ In der Regel schlafe er maximal zwei Stunden pro Nacht, Entspannungstechniken würden ihm nicht helfen. „Ich bräuchte dringend Hilfe dabei Schlaf zu finden, den Stress zu reduzieren und für den Moment mit den Augen so umgehen zu können.“

Eine Behandlung durch einen Psychologen lehnt L. in der Mail ab. Er fühle sich durch den „oft genutzten tiefenpsychologischen Ansatz“ nicht wohl und missverstanden. Stattdessen schlägt er die Einnahme eines anderen Medikaments vor – Lorazepan. „Die Frage wäre, ob ich diese abends (anstatt dem Mirtazapin??) nehmen könnte, um dann zur Ruhe zu kommen und (hoffentlich) Schlaf zu finden.“

Am 24. März 2015 zerschellte die Germanwingsmaschine des Flugs 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen. 150 Menschen starben. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Copilot Andreas L. die Maschine absichtlich in den Sinkflug brachte. Den Piloten hatte er zuvor aus dem Cockpit ausgesperrt.

Er besuchte mehr als 40 Ärzte

Laut der Ermittlungsakten der französischen Staatsanwaltschaft besuchte L. in den Monaten vor dem Absturz mehr als 40 Ärzte.Viele der insgesamt 41 Mediziner haben demnach eine ernsthafte psychische Erkrankung bei dem 29-Jährigen diagnostiziert. Kontakt mit seinem Arbeitgeber nahm demnach allerdings keiner von ihnen auf, schreibt die „Bild“ unter Berufung auf die Akten, die aus 6000 Seiten bestehen.

Unter den Ärzten war demnach seine Hausärztin, die im Februar 2015 unter anderem eine Angststörung diagnostizierte und L. ein Schlafmittel verordnete. Wenige Tage später riet ihm eine Neurologische Klinik, baldmöglichst wieder eine Psychotherapie aufzunehmen. Im März wird der Pilot schließlich an eine psychiatrische Tagesklinik überwiesen. Die Mail an den Psychiater schrieb L. zusammen mit seiner Freundin an dem Tag der Überweisung.

HNO-Arzt hielt L. nicht für flugtauglich

Laut der Ermittlungsakten gab der HNO-Arzt von L. zwei Tage nach dem Absturz bei einem Polizeiverhör zu Protokoll, er habe nicht den Eindruck gehabt, dass sein Patient in Krisensituationen ein Flugzeug sicher fliegen könne. Ein Psychiater, der L. in den Jahren 2008 und 2009 behandelt hat, stellte ihm im Januar 2015 eine Bescheinigung zur Flugdiensttauglichkeit aus. Untersucht hat er ihn dafür laut der Akten nicht noch einmal.

Die Staatsanwaltschaft in Marseille hat L. nach Auswertung der Ermittlungsergebnisse als fluguntauglich eingestuft. (sdo)