Essen. Ein Gericht schenkte der ungewöhnlichen Erklärung eines vermeintlichen Handy-Sünders Glauben. Andere hatten mit Diktiergeräten Erfolg.

Mit einer ungewöhnlichen Erklärung ist ein vermeintlicher Handy-Sünder vor dem Amtsgericht Leverkusen einer Bußgeldstrafe entgangen. Er habe „starke Akne“ und mit dem Handy eine „schorfige Stelle hinter dem Ohr“ gekratzt. „Dem Mann konnte nicht nachgewiesen werden, dass er das Handy benutzt hat“, erklärt Dr. Ruth Reimann, Direktorin des Amtsgerichts.

Der als Zeuge geladene Polizist konnte seinen ersten Sinneseindruck – „eine Momentaufnahme“, wie Reimann sagt – nicht beweisen. Der Leverkusener wendete die 40-Euro-Strafe und den Punkt in der Flensburger Verkehrssünder-Kartei ab.

Erfolgschancen vor Gericht sind „eher gering“

Nur selten ist der Gang vors Gericht ein Erfolg, sagt Lars Kriebel, Anwalt für Verkehrsrecht in Duisburg: „Im Regelfall sind die Richter sehr unnachgiebig und man hat eher eine geringe Chance.“ Es reiche im Grunde genommen, dass Handy in der Hand zu halten, „aber es gibt Richter, die wohlwollend entscheiden“.

Das Handyverbot ist im §23 der Straßenverkehrsordnung geregelt. Im ersten Absatz heißt es dazu: „Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“

An Handy-Verbot gibt es nichts zu rütteln

Beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist die Haltung zum Telefonieren und Schreiben eindeutig: „Die Hände sollten während der Fahrt immer am Steuer sein“, sagt Anja Smetanin. Verstößt man gegen die Regeln, „sollte man dafür auch die Konsequenzen tragen“. Zwar gebe es technische Entwicklungen, die eine Neuformulierung der Regeln denkbar machen, aber jeder Autofahrer müsse sich fragen, ob er das Handy überhaupt braucht. „Wir müssen schließlich auch nicht jederzeit erreichbar sein.“

Die Direktorin des Amtsgerichts Leverkusen erklärt gegenüber dieser Redaktion, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Einzigartig ist der Fall jedoch nicht:

• 2012 geriet der Düsseldorfer Rechtsanwalt Joachim Müller in einer Tempo-30-Zone in einen Blitzer. Auf dem Foto glaubte die Polizei, ein Handy an seinem Ohr zu sehen. Vor Gericht konnte Müller allerdings beweisen, dass es sich hierbei um ein Diktiergerät handelte. Wegen der lauten Fahrgeräusche müsse er das Gerät direkt an sein Ohr halten. Das Verfahren wurde eingestellt, es blieb das Bußgeld von 30 Euro für die Geschwindigkeitsübertretung.

• Zu einer ähnlichen Erklärung hatte der Ex-Fußballprofi Sebastian Kehl 2009 angesetzt. Nach dem Training habe er in seinem Porsche in ein Diktiergerät gesprochen, „um festzuhalten, was der Trainer uns so alles gesagt hat”. Das Gericht glaubte dem Ex-Dortmunder nicht.

• Erfolgreicher war 2013 eine damals 29-Jährige aus Düsseldorf. Sie legte bei der Verhandlung sowohl das Handy als auch eine ähnlich aussehende Puderdose vor, mit der sie sich geschminkt hätte. Der Richter glaubte ihr. Das Verfahren wurde eingestellt.

• Überzeugt zeigte sich 2009 das Oberlandesgericht Köln von dem Einwand, der Beschuldigte habe statt eines Handys ein schnurloses Festnetztelefon benutzt. Ein Bonner Autofahrer schilderte, er habe das Gerät in der Jackentasche entdeckt und verwundert ans Ohr gehalten, als es klingelte. Ein Gerichtssprecher erklärte damals, von einem Festnetztelefon ginge keine Gefahr aus, weil es aufgrund der begrenzten Reichweite kaum als Mobiltelefon geeignet sei.

• Ausnahmen bestehen auch, wenn man das klingelnde Handy weiterreicht, wie das OLG Köln feststellte, und wenn der Motor durch ein Start-Stop-System etwa an einer Ampel ausgeschaltet wird. Das OLG Hamm entschied, wenn der Motor aus ist, dürfe der Autofahrer in dieser Zeit telefonieren.