Essen. Im Prozess um den Mordanschlag auf Manuel Charr hat der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Ein Streit soll die Tat ausgelöst haben.

Der fast tödliche Bauchschuss scheint schon vergessen, Opfer und Täter haben sich offenbar sechs Monate später wieder vertragen. Vor dem Essener Schwurgericht nennt am Donnerstag Profiboxer Manuel Charr (31) den Angeklagten Youssef H. (25) einen „sehr lieben, gutherzigen“ Menschen. Über Einzelheiten der Tat möchte er eigentlich nicht reden.

Am 2. September 2015 hatte die Tat die Öffentlichkeit erschüttert. Einer Hinrichtungsaktion gleich, so schien es, hatte Youssef H. den Profiboxer in einem Imbiss im Essener Stadtteil Altendorf überrumpelt und ihm einen Bauchschuss verpasst. Dann verschwand er. Das Leben von Charr konnten die Ärzte nur mit einer Not-OP retten.

Streitigkeiten wegen eines verlorenen Boxkampfs

Acht Tage später hatte sich Youssef H. der Polizei gestellt, schwieg aber zur Tat. Als Motiv hatte die Polizei Streitigkeiten wegen eines verlorenen Boxkampfs von Charr ausgemacht, über die H. sich im Internet lustig gemacht haben soll. Charr habe sich das nicht gefallen lassen und sei nach Essen gekommen. Aus einem Lokal in der Nordcity postete er im Internet, dass er in der Stadt sei. Darauf hätte Youssef H. ihn aufgesucht und geschossen.

Im Grunde bestätigte Youssef H. diese Version in seiner Aussage vor Gericht, die von seinem Verteidiger Sven-Henning Neuhaus verlesen wurde. Tatsächlich hätten sie sich per Internet regelmäßig gegenseitig beleidigt. Zum Schluss hätte Charr den Eindruck vermittelt, er hätte die Mutter und die Schwester von Youssef H. vergewaltigt. Deshalb sei er in den Imbiss gegangen. Um Charr eine Lektion zu erteilen, hätte er dann gezielt geschossen: ins Bein. Erst aus der Presse hätte er später erfahren, wie schwer er Charr verletzt hätte.

Neuhaus las weiter vor, wie sehr sein Mandant die Tat bereue und an die libanesischen Landsleute appelliere, keine Rache zu üben und den Rechtsstaat zu respektieren.

Opfer und Täter haben sich wohl miteinander versöhnt

Diese Läuterung deutet darauf hin, dass Opfer und Täter sich längst versöhnt haben. Tatsächlich kam Charr ohne jeden Schutz zum Gericht. Auf die Frage dieser Redaktion, ob er keine Angst vor dem anderen Familienclan habe, antwortete er freundlich: „Angst – ist ein Gefühl.“

Nachdem er vor dem Schwurgericht den Angeklagten mit freundlichen Worten als eine Art Samariter beschrieb, stoppte Richter Andreas Labentz ihn: „Ist gut, Herr Charr.“ Zur Tat selbst wollte Charr dann keine Angaben machen. Er wolle doch kein junges Leben zerstören.

Die Justiz gab sich damit nicht zufrieden, Staatsanwältin Birgit Jürgens beantragte Ordnungshaft für den unwilligen Zeugen. Der schien dann doch Angst zu verspüren und beriet sich erst einmal mit seinem Anwalt Peter Therstappen. Ergebnis: Er sagte dann doch aus.