Berlin. Deutschstämmige werden in Großstädten bald eine Minderheit sein, sagt ein Migrationsforscher. Eine neue Mehrheit sieht er nicht.

Der Migrationsforscher Jens Schneider sieht Deutsche als Ethnie in den Großstädten bald in der Minderheit. An deren Stelle trete aber auch keine neue Mehrheit, sagte er der „tageszeitung“ (Mittwochsausgabe) in Berlin. Werte wie Säkularismus und Demokratie würden dadurch allerdings nicht verschwinden.

„Im Gegenteil, diese Werte werden attraktiver, je weniger Menschen ausgegrenzt werden“, sagte der 54-jährige Forscher von der Universität Osnabrück. Es bestehe durchaus die Gefahr, dass sich isolierte Communitys bilden. Grund dafür sei weniger die demografische Entwicklung, sondern dass der Diskurs ethnisch-kulturelle Unterschiede überhöht. Wenn Rechtspopulisten und Islamisten behaupteten, dass das Miteinander nicht funktioniert, könne das zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden, warnte Schneider.

„Gebildete Menschen halten ihre Vorurteile oft für gut begründet“

Insbesondere an Schulen und in Arbeitervierteln, wo eine stärkere Diversität herrsche als in bürgerlichen Gegenden, sieht der Migrationsforscher die Chance, dass Vorurteile im täglichen Umgang verschwinden. Größere Schwierigkeiten macht er hingegen bei Akademikern aus, die auch in überdurchschnittlicher Anzahl in der rechtspopulistischen AfD vertreten seien: „Personen mit hohen Abschlüssen leben in Gegenden, wo sie kaum Berührungspunkte mit Einwanderern haben.“ Dazu käme: „Gebildete Menschen halten ihre Vorurteile oft für gut begründet, weil sie ja gebildet sind.“

Die wichtigste Lehre sei: „Wir müssen Integration viel entspannter sehen, müssen sie als Prozess begreifen, der über Generationen hinweg verläuft.“ Nicht alle Einwanderer würden bald einen guten Job bekommen oder gut Deutsch lernen, so Schneider. Es sei daher nicht sinnvoll „auf Biegen und Brechen die Erwachsenen integrieren zu wollen“, sagte der Migrationsforscher. „Aber man kann realistische Perspektiven schaffen und vor allem dafür sorgen, dass ihre Kinder gut in dieser Gesellschaft ankommen.“ (epd)