Berlin. Die Polizei hat es nicht leicht, in Social Media kein Fremdkörper zu sein: Duzen soll sogar zu Schadenersatzanspruch führen können.

Darf die Polizei da duzen, wo es fast alle tun? Oder „Euch“ schreiben? Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben sich mit dem Twittern der Polizei befassen müssen – und warnen vor zu kumpelhaftem Ton. Sogar Schadenersatz drohe. Für Facebook dürfte das ebenso gelten.

Wenig überraschend klärt das Gutachten zunächst, dass Twittern lediglich „informelles Verwaltungshandeln“ ist und Aufforderungen in Tweets keine Verbindlichkeit haben: Die Polizei kann über Twitter keinen Platz räumen.

„Euch“ weniger problematisch als „Du“

Aber auch beim informellen Handeln müsse die Polizei dem Gebot der Neutralität und Sachlichkeit folgen. Wenn Betroffene geduzt würden, komme eine Amtspflichtverletzung in Betracht. Das könne auch Schadenersatzansprüche auslösen. Die Juristen machen aber deutlich, dass das von dem Einzelfall und der Situation abhängt – und legen sich nicht fest.

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Noch schwammiger wird die Einschätzung, wenn sich ein Tweet an viele richtet, ohne dass die „Sie“-Höflichkeitsform genutzt wird. Das ist für manche Nutzer offenbar bereits ein Problem. „Wir duzen nicht, wir euchen“, antwortete die Polizei Frankfurt auf eine Beschwerde.

Das Gutachten dazu: „Es lässt sich allgemein nicht feststellen, ob in einem solchen Fall bei einer Aufforderung die Schwelle zur Ehr- und damit Amtspflichtverletzung bereits überschritten ist.“ Einen Freibrief zum „euchen“ gibt es also auch nicht.

Für Polizei in NRW ist „Du“ offiziell tabu

Der Polizei in Nordrhein-Westfalen ist das Duzen und díe Verwendung des „euch „Ende 2014 per Erlass untersagt worden, wie die Polizei Essen auf Facebook informierte und dabei gleich in gewohnten Ton zurückfiel: „Wir hoffen, dass euch die Umstellung nicht stört.“

Wie unterschiedlich Polizei mit der Frage umgeht, zeigt sich anschaulich in einem Tweet der Polizei Sachsen, weitergeleitet von der Polizei Berlin. Berliner schreibt „Sie“, Sachsen nutzt „euch“:

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Bundesregierung für informelle Sprache

Das Bundesinnenministerium hatte es in der Antwort auf eine kleine Anfrage locker ausgelegt: „Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass im Rahmen polizeilicher Öffentlichkeitsarbeit — so auch via Twitter — eine zielgruppengerechte, höfliche und bürgernahe Sprache verwendet werden sollte.“ Im Netz nutzten die Menschen üblicherweise auch eine eher informelle Sprachform. „Dies ist bei den Nutzern allgemein anerkannt. Deshalb ist es im Rahmen der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit auf dem Medium Twitter nicht erforderlich, stets zwingend die Höflichkeitsform als Anrede zu wählen.“

Vor Vorsicht rät das Bundestagsgutachten bei der Verwendung von Hashtags: Wenn die Polizei unter dem Hashtag einer Protestveranstaltung Informationen twittert, die nicht sicher der Veranstaltung zugeordnet werden können, drohen Probleme. Mit umfangreichen oder fälschlich Straftaten zuordnenden Hashtags könne die Polizei das gesamte Erscheinungsbild einer Demonstration negativ beeinflussen, was sie nicht dürfe. Bleibt deshalb jemand einer Kundgebung fern, hat die Polizei unzulässig ins Versammlungsrecht eingegriffen.

Fallstricke bei Fotos von Demos

Auch andere Rechte könnten gefährdet sein: Die Polizei sei nicht ermächtigt, Fotos von Personen zu zeigen, heißt es im Bundestagsgutachten. In der Vergangenheit hatte es bereits Aufregung um entsprechende Tweets gegeben. So kritisierten drei Frankfurter Rechtswissenschaftler in einem Aufsatz Tweets der Polizei Frankfurt während „Blockupy“-Protesten.

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Kritisiert hatten sie auch, die Polizei habe das Gebot der Neutralität verletzt.

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Aufrufe an sich sind kein Problem

Dass die Polizei über Twitter zu Mäßigung mahnt, beanstanden die Wissenschaftliche Dienste nicht: Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Beschluss zu Anti-Atom-Protesten in Brokdorf keinen Konflikt mit der Versammlungsfreiheit gesehen, wenn die Polizei von Veranstaltern und Teilnehmern verlangt, unfriedliches Verhalten zu unterlassen. „Dass dieses Verlangen nicht mehr auf die 1985 übliche Weise, sondern twitternd geäußert wird, führt wohl nicht zu einer qualitativ anderen Bewertung.“

Das Gutachten ist wie Hunderte andere in der vergangenen Woche öffentlich geworden auf Betreiben von FragdenStaat.de und abgeordnetenwatch.de. Zuerst berichtet darüber hat meedia.de. Wer den Auftrag für das Gutachten gegeben hat, ist nicht ersichtlich.