Berlin. Peter Lustig, der Erfinder der Kindersendung „Löwenzahn“, starb mit 78 Jahren nach langer Krankheit in Husum.
Der 26. Juni 1963 war ein historischer Tag, weit über Berlin hinaus. US-Präsident John F. Kennedy besuchte die geteilte Stadt, um an den Feierlichkeiten zum 15. Jahrestag der Luftbrücke teilzunehmen. Um die Mittagszeit hielt er vor dem Rathaus Schöneberg seine legendär gewordene Rede, die im Satz „Ich bin ein Berliner“ gipfelte. 450.000 Menschen jubelten ihm zu. Dass sie ihn überhaupt hören konnten, hatte ein damals 25-jähriger Tontechniker sichergestellt.
„Die Mikrofone waren vom Weißen Haus, die hatten Angst, dass jemand eine Bombe am Rednerpult platziert“, hat er später im Interview erzählt. „Ich habe nur das Kabel bekommen, über das die Rede kam, da habe ich meine Technik reingestöpselt.“ Er stand auf einem Gerüst, nicht weit von Kennedy entfernt. Er hieß Peter Lustig.
Die Welt als Wunder aus Rätseln
Wer sich mit Geschichte beschäftigt, stellt immer wieder fest, dass kuriose Zufälle wie dieser ihr eigentlicher Baustoff sind. Man ist trotzdem immer wieder aufs Neue erstaunt von ihnen. So wie es auch Peter Lustig Jahre später war, als er im Gespräch mit seiner Frau herausfand, dass sie seinerzeit nur wenige Meter von ihm entfernt gestanden hatte – ohne dass die beiden einander kannten. „Schon komisch“, pflegte Lustig in solchen Situationen zu sagen – immerzu bereit, die Welt um uns als Wunder aus Rätseln zu begreifen, auf die man dringend ein paar Antworten finden musste.
Das Leben von Peter Lustig in Bildern
Er war ein Neugierkünstler und ein großer Erklärer, und er war es auf eine ursympathisch bescheidene Weise. Schon komisch: Das sagte er auch oft in seiner Sendung „Löwenzahn“, und dann begann es sofort interessant zu werden. Warum hat ein Hund vier Beine? Warum spiegelt ein Spiegel? Warum regnet es? Warum gehen Schiffe nicht unter? Und wo wohnt eigentlich der Igel? Lustig stürzte sich in seiner bei Weitem nicht nur für Kinder packenden Sendung auf die nur scheinbar simplen Fragen des Lebens und ging ihnen so lange nach, bis er ein paar Antworten und viele neue Fragen gefunden hatte. Man hätte ihm stundenlang dabei zusehen können, diesem netten Herrn mit Nickelbrille und Latzhose, der in einem blauen Bauwagen wohnte und eine Türklingel namens Klaus-Dieter besaß, eine kleine Gitarre mit Puppenarmen und Augen aus Glühbirnen. Man lebte gern in einer Welt, in der es so freundliche Menschen gab wie Peter Lustig.
„Löwenzahn“ als Zufallsprodukt
Nun war dieser Peter Lustig natürlich eine erfundene Figur, eine Fernsehfiktion. Dass sie überhaupt zustande kam, hat Lustig selbst oft als eine Art Zufall beschrieben und dabei, wie es seine Art war, den eigenen Anteil heruntergeredet. Er kam 1937 als Peter Fritz Willi Lustig in Breslau zur Welt. Der Vater starb früh, die Mutter musste fliehen. Er ließ sich zum Rundfunktechniker ausbilden und studierte Elektrotechnik, dann landete er beim Sender Freies Berlin. Irgendwann, er war Tonmeister bei einem Konzert von Ton Steine Scherben, lernte er einen Regisseur kennen, mit dem er fortan Kindersendungen produzierte.
Dabei kam ihm sein Gespür für das Handwerk zugute, die Freude des Ingenieurs an der Präzision. Wer mit ihm zusammenarbeitete, erlebte ihn auch als einen, der nicht ablassen konnte, bevor er etwas für perfekt hielt. Hinter dem netten Onkel steckte ein harter Arbeiter, hart auch gegen sich selbst.
Lustig mochte Basteln, Tüfteln, Erklären
„Löwenzahn“ startete 1981 als eine Art Neuauflage der 1979 angelaufenen Sendung „Pusteblume“. Lustig zog in einen Bauwagen, der in der Sendung auf einer Wiese in einem Ort namens Bärstadt stand, sich tatsächlich aber in Berlin und Umgebung befand. Der „Löwenzahn“-Peter zimmerte sich dort aus altem Schrott einen neuen Lebensmittelpunkt zusammen. Aus ausgedienten Stühlen baute er sich eine Treppe aufs Dach des Bauwagens, das er fortan als Sonnendeck nutzen konnte. Das Basteln und Tüfteln gehörte zu diesem Peter Lustig genauso wie die Ausflüge auf Bauernhöfe, in Obstgärten und Fabriken, um dort den Leuten Löcher in den Bauch zu fragen.
Das ging bis 2005 so, dann zwang ihn der Lungenkrebs zum Rückzug. Man hörte nur noch sporadisch von ihm, während er seine Zeit mit seiner dritten Frau, mit vier Kindern und neun Enkeln teilte. 2007 erschien er in schwarzer Latzhose, als ihm Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verlieh. „Der kannte mich sogar“, erzählte er danach verblüfft dem „Playboy“, der ihm auch die Frage stellte, was denn einmal auf seinem Grabstein stehen solle. Er überlegte und sagte: „‚Jetzt weiß er alles.‘ Ja, das ist es! Das ist gut.“ Peter Lustig ist am Dienstag im Kreise seiner Familie unweit von Husum gestorben. Er wurde 78 Jahre alt.