Berlin . Am Samstagabend wird die neue „Miss Germany“ gekürt. Sie muss sehr schön, klug und selbstbewusst sein. Brauchen Frauen so ein Vorbild?

Im Abendkleid beim „Bachelor“ oder auf Stöckelschuhen bei „Germany’s next Topmodel“: Deutschland ist mal wieder auf der Suche nach der perfekten Frau – ob an der Seite eines Mannes oder auf dem Laufsteg. Auf Schritt und Tritt werden die Kandidatinnen von der Jury und den Fernsehzuschauern beobachtet. Doch nicht nur im TV lassen Frauen ihre Schönheit bewerten: Ohne Kamera – dafür mit steifem Lächeln und perfekter Pose – wird an diesem Samstag um die Krone der neuen „Miss Germany“ gekämpft. Eine Parallelwelt, die vielen als verstaubt gilt. Ist das noch zeitgemäß?

Das Schaulaufen der Schönen geht seit 1927 jährlich über die Bühne. Es zählt deutschlandweit zu den traditionsreichsten und bedeutendsten Schönheitswettbewerben. Noch ist Olga Hoffmann (24) die amtierende „Miss Germany“, vom 20. Februar an wird ihre Nachfolgerin den Titel für ein Jahr tragen. 24 Kandidatinnen kommen dafür derzeit infrage. Sie vereint vor allem ein Wunsch: „Die Mädchen haben Lust auf die Bühne und wollen Beifall kriegen“, sagt Horst Klemmer, der in den 60er Jahren die „Miss Germany Corporation“ gründete.

„Das Showgeschäft scheint die jungen Mädchen zu elektrisieren.“ So war es vor 50 Jahren, so ist es heute, sagt der 79-Jährige. Und es werden immer mehr: Gut 5000 bewarben sich allein in dieser Runde, wie Klemmer sagt. Von zehn Jahren waren es etwa 700. Der unumstrittene Leitfaden, an dem sich die Juroren orientieren, folgt den Kriterien: Anstand, Manieren und makelloses Aussehen. Nur wer das bietet, hat Chancen auf die Schärpe. Daran konnte das heutige Bild der Frau nicht rütteln; der Emanzipation seit den 1920ern zum Trotz.

Schönheitsköniginnen müssen auch redegewandt sein

Einen wichtigen Unterschied gebe es dennoch: „Unsere Mädchen müssen reden können“ – und das viel mehr als früher, sagt Klemmer. Mit Politikern vor laufender Kamera, am besten rhetorisch gewandt über gesellschaftlich relevante Themen. Mitte November vergangenen Jahres war die gebürtige Ukrainerin Hoffmann etwa bei Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) zu Gast, um über „Heimat – Identität – Glaube“ zu diskutieren. Und das habe sie „hervorragend“ gemeistert, wie Klemmer findet.

„Eine Miss Germany muss nicht nur gut aussehen, sie muss vor allem etwas darstellen und Deutschland angemessen repräsentieren können“, sagte er bei der Pressekonferenz zur diesjährigen Wahl. Auch Moderator Alexander Mazza, der diesmal wie schon in den Vorjahren die Wahl begleiten wird, betont, dass er sich beim anderen Geschlecht nicht allein am Äußeren orientiere. „Ich persönlich achte bei Frauen auf ihre Ausstrahlung. Und die drückt sich für mich durch ihre Augen, ihr Lächeln und ihre Körpersprache aus.“ Zudem finde er Humor attraktiv.

Männer beschreiben, was sie von Frauen erwarten. Es ergibt sich: Schaulaufen im Scheinwerferlicht, auf Stöckelschuhen – aber auch schlau statt nur hübsch.

Geschlechterforscherin: Miss-Wahlen befriedigen Sehnsucht nach Regeln

Ist das der Grund, weshalb das steife Lächeln der „Miss Germany“ bis heute überlebt hat? „Schönheitswettbewerbe inszenieren all das, was normale Frauen auch tun“, sagt Professorin Paula-Irene Villa, die an der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Bereich Gender Studies forscht. Sie seien gewissermaßen ein Spiegel des Frauenbilds, wenn auch in überspitzter Form.

„Auch früher wurde nie gesagt, dass es nur darauf ankommt, gut auszuschauen“, sagt Villa. Heute sei das Stereotyp einer gelungenen Frau nur vielschichtiger. Gute Bildung, was im Kopf haben, eigenständig für sich zu sorgen, sich um andere zu kümmern, Talente zu haben – idealerweise verkörpere „Miss Germany“ genau das in Perfektion und unendlich optimiert. „Das ganze Leben ist gewissermaßen ein Laufsteg und all das sind Qualitäten, von denen wir wissen, das wird auch von der richtigen Frau im Alltag erwartet.“

Auf der einen Seite Alphaweibchen, auf der anderen Seite Barbie. Denn egal wie emanzipiert die Anwärterinnen auf den Titel sind: Die Knigge-Regeln und das perfekte Lächeln müssen sitzen – wie vor 50 Jahren. Und auch das sagt aus Sicht von Nina Degele einiges über die Gesellschaft aus. „Schönheitswettbewerbe haben etwas Anachronistisches“, sagt die Professorin für Geschlechterforschung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Das Festhalten an diesem Muster stellt in ihren Augen auch eine gewisse Sehnsucht nach Sicherheiten und Regeln dar. „Denn ist es nicht auch schön, wenn man sagen kann: Das ist die Schönste, das hat eine internationale Jury festgestellt? Ich glaube, das hat für viele Menschen etwas unglaublich Beruhigendes.“ (dpa)