Hannover. Was bringt Menschen dazu, einen Brandsatz in eine Asylunterkunft zu werfen? Ein Prozess in Hannover stößt bei der Motivsuche ins Leere.

Fremdenfeindlich? Nein, das seien sie nicht grundsätzlich, lassen drei Angeklagte ihre Anwälte in einem Prozess vor dem Landgericht Hannover erklären. Die zwei Männer und eine Frau haben den Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im niedersächsischen Salzhemmendorf im vergangenen Sommer gestanden. Von tiefer Reue ist zum Prozessauftakt die Rede, die Gruppe lässt ihre Verteidiger um Entschuldigung bitten. Ihre Erklärungsversuche aber lassen viele Fragen offen.

Ein 31-Jähriger räumte ein, eine Brandflasche in die Wohnung einer Mutter aus Simbabwe und ihrer drei kleinen Kinder geworfen zu haben. Ein 25-jähriger Kumpel gestand, ihm beim Basteln des Brandsatzes in der heimischen Garage geholfen zu haben – sie benutzen eine leere Weinbrandflasche, Holzspäne und Benzin. Eine 24 Jahre alte Ex-Freundin, als einzige nüchtern, hatte das Trio mitten in der Nacht zum Tatort chauffiert.

Das Trio muss sich unter anderem wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes verantworten. Staatsanwältin Katharina Sprave warf ihnen eine Tat auf „unterster sittlicher Stufe“ vor. Der Vorfall in der kleinen Gemeinde bei Hameln hatte im vergangenen Sommer bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Molotowcocktail unter Kinderbett

Feuerwehrleute vor der Flüchtlingsunterkunft: Der Brandsatz war unter dem Bett eines Jungen (11) gelandet, der zum Glück in dieser Nacht in einem anderen Zimmer geschlafen hatte.
Feuerwehrleute vor der Flüchtlingsunterkunft: Der Brandsatz war unter dem Bett eines Jungen (11) gelandet, der zum Glück in dieser Nacht in einem anderen Zimmer geschlafen hatte. © dpa | Kreisfeuerwehr Hameln-Pyrmont

Der Molotowcocktail war unter dem Bett eines elfjährigen Jungen gelandet, der in dieser Nacht ausnahmsweise bei seiner Mutter im Nachbarzimmer geschlafen hatte - nur deswegen wurde bei dem Anschlag niemand verletzt.

Die Frau, die die beiden Männer zum Tatort gefahren hatte, ist selbst alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern. Was ein Molotowcocktail sei, habe sie vorher nicht gewusst, sagte sie. In ihrer Erklärung heißt es auch über den 31-Jährigen, sie habe „bis zuletzt nicht geglaubt, dass er Ernst machen würde.“ Sie habe aber den Jüngeren, mit dem sie kurz liiert war, nicht im Stich lassen wollen.

Während sie nüchtern war, sagen die beiden Männer, sie seien stark betrunken gewesen. Zusammen habe man vor der Tat Rechtsrock gehört. Der 31-Jährige, von den beiden anderen als Haupttäter bezeichnet, will sich ansonsten nur an Bruchstücke erinnern können. Seinen Anwalt lässt er vortragen: „Ohne eine derart erhebliche Alkoholisierung hätte ich niemals eine solche Tat begehen können.“

Angeklagter verweist auf armenischen Freund

Ihm sei damals nicht bewusst gewesen, dass die Wohnung bewohnt gewesen sei. „Ich sehe mich nicht als rechtsextrem an und auch nicht als rassistisch“, ließ er seinen Verteidiger verlesen. Als Beleg wird ein Freund des Mannes angeführt: Der komme schließlich aus Armenien.

Der 25-Jährige, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, beschrieb sich als klassischen Mitläufer. „Ich bin mir sicher, dass ich mich nüchtern nie an der Tat beteiligt hätte“, ließ er in seiner Erklärung verlesen.

Offenbar noch viel zu gut an die Nacht erinnern können sich die Opfer. Sie leiden unter den Folgen der Tat, wie bei der Aussage der 34 Jahre alten Frau aus Simbabwe deutlich wurde. Ihre Kinder hätten Angst und würden sich seitdem nicht mehr trauen, allein zu schlafen. Auch spielten sie nicht mehr draußen vor dem Haus. Sie selbst sei in Therapie. (dpa/law)