Berlin. Am Dienstag sind zwei Züge der Bayerischen Oberlandbahn zusammengestoßen. Elf Menschen starben. Aber sind Privatbahnen unsicherer?

Fährt man in Privatbahnen genauso sicher? „Ja“, sagt Moritz Huckebrink vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA). „Auch sie werden von uns kontrolliert. Das EBA überwacht, ob die Unternehmen grundlegende Sicherheitsanforderungen und gesetzliche Bestimmungen einhalten beziehungsweise umsetzen.“ Dies geschehe sowohl durch Stichproben als auch anlassbezogen. Für alle Unternehmen würden einheitliche Vorgaben gelten.

Beispiel: Kennt ein Lokführer die Strecke nicht, muss ein kundiger Lotse mitfahren. Auch Klaus-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn in Hamburg sieht keine Unterschiede in der Sicherheit. Die Lokführer allerdings würden in den einzelnen Unternehmen ausgebildet. Qualitätsunterschiede gebe es aber dennoch nicht: „Auch, weil die Gewerkschaft darauf ein Auge hat.“

Das Streckennetz werde ohnehin weiter von der Deutschen Bahn betrieben. Das gelte auch für die Signalsteuerung. Normalerweise werden Züge ausgebremst, die ein rotes Signal überfahren. Auch bei überhöhter Geschwindigkeit sorgten Überwachungsmagnete für eine Zwangsbremsung – zumindest an den meisten Strecken. Laut Deutscher Bahn sei das Sicherungssystem erst vor einer Woche überprüft worden. Dabei habe es keinerlei Beanstandungen gegeben.

Die schwersten Zugunfälle in Deutschland – eine Chronologie

8. November 1951: Im oberbayerischen Bahnhof Walpertskirchen kommen 16 Menschen um, als ein Personenzug wegen eines Fahrdienstleiterfehlers auf einen Nahgüterzug auffährt.

18. Dezember 1954: Im Hauptbahnhof Dortmund kollidiert ein ausfahrender Nahverkehrszug mit einem einfahrenden Kinder-Sonderzug. Eine Weiche war wegen Bauarbeiten falsch gestellt. 15 Tote, 71 Verletzte.

5. Oktober 1961: Im Hamburger S-Bahnhof Berliner Tor fährt ein Personenzug auf einen Bauzug, den der Fahrdienstleiter übersehen hatte. 28 Tote, 55 Verletzte.

6. Juli 1967: An einem Bahnübergang in Langenweddingen bei Magdeburg fährt ein Tanklastzug mit 15.000 Litern Benzin wegen einer nur halb geschlossenen Schranke auf den Bahndamm und kollidiert mit einem Zug und explodiert. 94 Menschen sterben.

22. Juni 1969: Im Bahnhof Hannover-Linden explodiert ein Güterwaggon mit Munition. Zwölf Tote, 30 Verletzte.

9. Februar 1971: Am Bahnhof Aitrang im Allgäu entgleist der TEE 56 „Bavaria“ in einer Kurve vermutlich infolge eines Bremsendefekts. Ein Schienenbus prallt gegen den umgestürzten Steuerwagen. 28 Tote, 42 Verletzte.

27. Mai 1971: Auf der Strecke Wuppertal - Radevormwald stößt ein als Schülersonderzug fahrender Schienenbus mit einem Nahgüterzug zusammen. Ursache ist unter anderem ein vereinfachtes Signalsystem auf der Strecke. 46 Tote, 25 Verletzte.

21. Juli 1971: In Rheinweiler bei Freiburg entgleist der D 370 „Schweiz-Express“ vermutlich wegen eines technischen Defekts in einer Kurve. 23 Tote, 142 Verletzte.

5. November 1973: Auf der Strecke Kassel - Bebra fährt ein D-Zug wegen Bremsenversagens auf einen anderen auf. 14 Tote, 65 Verletzte.

8. Juni 1975: Auf der Strecke München - Lenggries stoßen zwei Eilzüge infolge von Fahrdienst- und Fahrplanfehlern frontal zusammen. 41 Tote, 122 Verletzte.

22. Juli 1975: Im Bahnhof Hamburg-Hausbruch prallt ein Nahverkehrszug frontal auf einen Schnellgüterzug. Elf Tote, 125 Verletzte.

31. Oktober 1982: Bei Potsdam fährt ein Güterzug auf einen vollbesetzten Personenzug. Der Lokführer des Güterzuges übersah bei dichtem Nebel Signale. Acht Tote, 55 Verletzte.

29. Februar 1984: Im Bahnhof Hohenthurm bei Halle fährt der D-Zug Berlin-Saarbrücken auf einen Personenzug auf. Der Lokführer übersah bei Nebel ein Haltesignal. Elf Tote, 46 Verletzte.

11. Oktober 1985: Bei Magdeburg stoßen auf einem wegen Bauarbeiten nur eingleisig befahrbaren Streckenstück ein Personenzug und eine Diesellok frontal zusammen. Als Ursache gilt Versagen des Fahrdienstleiters. 13 Tote, 40 Verletzte.

3. Dezember 1988: Bei Görlitz stoßen ein Kohlezug aus Polen, dessen Lokführer ein Haltesignal übersah, und ein Zug der DDR-Reichsbahn frontal zusammen. Acht Tote, vier Verletzte.

2. Februar 1990: Im Bahnhof Rüsselsheim stößt ein ausfahrender S-Bahn-Zug mit einem einfahrenden Zug zusammen. Ein Fahrer hatte ein Haltesignal übersehen. 17 Tote, 72 Verletzte.

15. November 1992: In Northeim in Niedersachsen rast der D-Zug Innsbruck - Kopenhagen in einen Güterwagen, der wegen eines abgefallenen Puffers entgleist war. Elf Tote, 52 Verletzte.

29. September 1994: Zwei Nahverkehrszüge stoßen bei Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein frontal zusammen. Sechs Tote, 20 Verletzte.

5. Juli 1997: Ein Güterzug verliert bei Marburg Stahlrohre. Ein Rohr bohrt sich in die Seite eines entgegenkommenden Regionalexpresszugs. Sechs Menschen werden getötet, zehn verletzt.

3. Juni 1998: Im niedersächsischen Eschede entgleist der ICE 884 wegen eines gebrochenen Radreifens. 101 Menschen sterben.

6. Februar 2000: Vor dem Bahnhof von Brühl entgleist kurz nach Mitternacht der D-Zug 203, der sich auf dem Weg von Amsterdam nach Basel befand. Neun Menschen sterben, 149 Passagiere werden verletzt, ein Teil von ihnen schwer.

11. Juni 2003: In Baden-Württemberg kommen bei einem Zusammenstoß zweier Regionalzüge bei Schrozberg in der Nähe von Schwäbisch Hall sechs Menschen ums Leben.

5. Mai 2004: In Weyhe bei Bremen überrollt ein Güterzug drei unmittelbar neben den Gleisen spielende Kinder. Die drei Jungen im Alter von vier Jahren sind auf der Stelle tot.

26. April 2005: Im Oberallgäu wird bei einem Unglück der Zugführer getötet. 15 Insassen des Zuges, der auf der Strecke Ulm-Kempten am Übergang Unterwengen bei Dietmannsried mit einer Baumaschine zusammen stoßt, werden verletzt.

19. Juli 2005: Auf einem unbeschrankten Bahnübergang im oberbayerischen Landkreis Miesbach sterben zwei junge Männer. Ein Zug hat ihr Auto erfasst und 40 Meter mitgeschleift.

25. August 2005: Beim Zusammenstoß eines Regionalzuges und eines Autos an einem beschrankten Bahnübergang im thüringischen Sollstedt kommen zwei Frauen ums Leben.

22. September 2006: Auf einer Teststrecke im Emsland rast ein Transrapid mit rund 200 Stundenkilometern in einen mit zwei Personen besetzten Werkstattwagen. 23 Menschen sterben.

4. Dezember 2007: In Germersheim in Rheinland-Pfalz werden drei Kinder im Alter von 11, 13 und 14 Jahren beim Spielen auf den Gleisen von einem Zug erfasst und getötet.

29. Januar 2011: Beim Zusammenstoß eines Personenzuges mit einem Güterzug auf einer eingleisigen Strecke in Hordorf bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt kommen zehn Menschen ums Leben, 18 Reisende werden schwer und 25 verletzt.

1. August 2014: Bei einem Unfall in der Nähe des Mannheimer Hauptbahnhofs werden 35 Menschen verletzt. Ein Güterzug hatte einen Eurocity mit 250 Passagieren auf dem Weg von Graz nach Saarbrücken gerammt. Zwei Waggons mit 110 Menschen kippten um. Als Ursache gilt menschliches Versagen. Der Lokführer des Güterzuges hat nach Ansicht der Ermittler mehrere Signale ignoriert.

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Privatzüge spielen im Fernverkehr kaum eine Rolle

Die beiden verunglückten Züge von Bad Aibling werden von der Bayerischen Oberlandbahn GmbH unter der Marke Meridian betrieben. Das Unternehmen ist Teil des französischen Verkehrskonzerns Transdev, der mit 83.000 Mitarbeitern in 20 Ländern tätig ist und 6,6 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Die Transdev bezeichnet sich als größter privater Nahverkehrsanbieter für Bahnen und Busse in Deutschland.

Mit der Bahnreform von 1994 öffnete sich das deutsche Schienennetz für private Eisenbahnunternehmen. Der Marktanteil ist seitdem kontinuierlich gestiegen.

Lag die Betriebsleistung der Privatunternehmen 2003 noch bei 9,9 Prozent, macht sie laut Wettbewerbsreport 2015/16 im Nahverkehr inzwischen 29,3 Prozent aus, im Güterverkehr sogar 33,6 Prozent. Nur im Fernverkehr spielen Privatzüge kaum eine Rolle.