Berlin. Das Zika-Virus breitet sich auch. Die WHO rief den globalen Gesundheitsnotfall aus. Doch wer kann sich anstecken? Das sind die Fakten.
Die Verunsicherung ist groß: Das von Mücken übertragene Zika-Virus scheint sich explosionsartig zu verbreiten, besonders in Lateinamerika. Am Montag erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den globalen Gesundheitsnotfall. Sie spricht von drei bis vier Millionen möglichen Ansteckungen auf dem amerikanischen Kontinent. Allein in Brasilien gebe es 1,5 Millionen Verdachtsfälle. Bei Schwangeren könnte eine Infektion Schädelfehlbildungen der Kinder verursachen. Gleichzeitig warnt die WHO aber vor Panik. Das Zika-Virus sei nicht mit Ebola zu vergleichen. Für wen eine Infektion gefährlich ist und ob sich die Menschen in Deutschland sorgen müssen – die wichtigsten Fakten.
Was bedeutet die Ausrufung eines globalen Notfalls?
Die WHO bezeichnet es als Public Health Emergency of International Concern (PHEIC) – den globalen Gesundheitsnotfall. Das ist der Fall, wenn eine Situation eintritt, die „ernst, ungewöhnlich oder unerwartet ist, die bedeutend ist für die Volksgesundheit auch außerhalb der Grenzen des betroffenen Staats und die sofortiges internationales Handeln erfordern kann“. Zuletzt wurde der Notfall wegen Ebola ausgerufen. In dieser Situation kann die WHO Empfehlungen an die Länder ausgeben, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten.
Aus Sicht der Wissenschaftler hat dieser Schritt Vorteile. „Ein globaler Notfall würde mehr internationale Unterstützung für Brasilien bedeuten, zum Beispiel bei der Mückenbekämpfung, und auch die Impfstoffentwicklung würde schneller vorangehen“, sagt Dr. Dennis Tappe, Facharzt für Mikrobiologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM).
Was ist das Zika-Virus?
Das Zika-Virus gehört zu der Familie der Flaviviren, die auch für Krankheiten wie das Dengue- oder Gelbfieber verantwortlich sind. 1947 wurde es erstmals bei einem Affen aus dem Zikawald Ugandas festgestellt. Seit Jahrzehnten taucht das Virus vereinzelt in Asien auf. Ein erster großer Ausbruch menschlicher Infektionen wurde zunächst 2007 in Mikronesien, 2013 noch einmal auf Inselstaaten im pazifischen Raum registriert. Im Frühjahr 2015 tauchte es in Brasilien auf.
Wie wird das Virus übertragen?
Das Virus wird von Mücken der Gattung Aedes übertragen. Vor allem die Gelbfiebermücke war in den bislang bekannten Ausbrüchen der Hauptüberträger. Auch die Asiatische Tigermücke könnte das Virus übertragen. Sie hat sich mittlerweile bis nach Südeuropa ausgebreitet. „Auch in sehr wenigen Regionen Süddeutschlands ist sie gesichtet worden, man weiß jedoch nicht, ob diese Mückenpopulationen das Zika-Virus übertragen könnten“, sagt Tappe, beruhigt jedoch: „Mückenarten werden in Deutschland überwacht. Wenn es einen Ausbruch gäbe, würden wir es bemerken.“ Sollte sich die Krankheit durch die Tigermücke auch auf anderen Kontinenten ausbreiten, sei ein künftiges Risiko etwa für Südeuropa nicht auszuschließen, „dort finden die Mücken bessere klimatische Bedingungen als in Deutschland“.
In wenigen Fällen wurde auch von anderen Ansteckungswegen berichtet. „Es sind Einzelfälle bekannt, in denen eine sexuelle Übertragung von Mann zu Frau stattgefunden hat“, erklärt Tappe, „das betraf nicht nur die akute Phase der Krankheit, sondern auch die Wochen danach, in denen sich der Virus in der Samenflüssigkeit befunden hat.“ Es könne also passieren, dass ein Mann in die Risikogebiete reist, dort erkrankt und seine Frau nach der Rückreise ansteckt. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) erwähnt diese Möglichkeit.
Welche Symptome treten auf?
„Nur ein Fünftel der Betroffenen entwickelt überhaupt Symptome“, sagt Katja Angeli, Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Treten Symptome auf, dann handelt es sich meist um leichtes Fieber, einen Hautausschlag, Schmerzen in Gelenken und Muskeln, Kopfschmerzen und eine Bindehautentzündung. Die Beschwerden treten meist drei bis zwölf Tage nach dem Mückenstich auf und halten bis zu einer Woche an. Laut dem RKI wurden bislang bei bestätigten Zika-Virus-Infektionen nur wenige Todesfälle berichtet. Meist im Kontext von bereits bestehenden Gesundheitsproblemen.
Für wen ist das Virus gefährlich?
Da es vor dem Jahr 2007 noch keinen großen Zika-Ausbruch gegeben hat, sei im Moment noch wenig über mögliche Komplikationen durch eine Infektion bekannt, sagt die WHO. Für große Unsicherheit sorgt die Vermutung, dass eine Infektion der Mutter bei ungeborenen Kindern zu einer Schädelhirnfehlbildung, einer sogenannten Mikrozephalie, führen könnte.
„Der Kopfumfang bei der Geburt der Babys liegt deutlich unter 32 Zentimetern, und die Kinder sind häufig geistig behindert oder sie versterben bereits vor der Geburt“, erklärt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am BNITM. Bewiesen ist der Zusammenhang noch nicht. „Was man noch gar nicht abschätzen kann, ist, ob noch Co-Faktoren vorhanden sein müssen“, sagte Christina Frank vom RKI. Das Auswärtige Amt rät Schwangeren vor Reisen in die Risikogebiete ab.
Wie dramatisch ist die Situation?
Das brasilianische Gesundheitsministerium vermeldete Ende 2015 erstmals eine steigende Anzahl von Mikrozephaliefällen, die mit einer Epidemie von Zika-Fällen einherzugehen schien. Die WHO korrigiert die gemeldeten Fälle in Brasilien mittlerweile fast täglich nach oben. Doch die scheinbar hohe Fallzahl könnte auch unnötig Angst schüren. So vermeldet zwar auch das brasilianische Gesundheitsministerium bis dato 4180 gemeldete Fälle von Mikrozephalie.
Allerdings sind 3448 Fälle davon nach Angaben der Behörden noch gar nicht untersucht worden, bei weiteren 462 bestätigte eine Untersuchung den Verdacht nicht. Nur für 270 Fälle ist die Diagnose Mikrozephalie laut den Angaben bestätigt und nur bei sechs davon wurde der Zika-Virus nachgewiesen. „Es werden mehr Studien benötigt, um den Zusammenhang zu charakterisieren. Es sind Studien geplant, um mehr über die Risiken einer Zika-Infektion während der Schwangerschaft herauszufinden“, schreibt unter anderem das US-Gesundheitsministerium, das Frauen ebenfalls von Reisen etwa ins nahe gelegene Mexiko abrät.
Beängstigende Ausbreitung des Zika-Virus’
Kann man sich auch in Deutschland mit dem Virus anstecken?
„In Deutschland sind von Oktober 2015 bis Januar 2016 fünf bestätigte Fälle bei Reiserückkehrern aufgetreten. Eine Übertragung in Deutschland ist nicht bekannt“, sagt Angeli vom Bundesgesundheitsministerium. Theoretisch ist eine Ansteckung jedoch möglich. Wenn Reisende das Virus mit nach Deutschland bringen, kann es von einer Mücke übertragen werden. Doch zum jetzigen Zeitpunkt „besteht für Schwangere in Deutschland überhaupt keine Gefahr“, beruhigt Tappe, da nicht einmal eine Übertragung durch die Tigermücke nachgewiesen sei.
Auch Hermann Gröhe (CDU) hält die Gefahr einer Übertragung des Zika-Virus zurzeit für eher gering. Die nötigen Verwaltungsschritte zur Überwachung von möglichen einzelnen Infektionen von zurückkehrenden Urlaubern seien bereits eingeleitet worden, sagte der Bundesgesundheitsminister der „Rheinischen Post“. Es sei eine Meldepflicht für Arboviren, zu denen neben dem Zika-Virus etwa das Dengue-Fieber gehört, auf den Weg gebracht worden. Die Gesundheitsämter vor Ort erhielten dadurch die notwendigen Informationen, um im Bedarfsfall Vorkehrungen zu treffen.