Rio de Janeiro. Das Zika-Virus beschäftigt mittlerweile Gesundheitsexperten in der ganzen Welt. Wie gefährlich ist der Erreger? Wir geben Antworten.

Männer in gelben Schutzanzügen versprühen im Sambódromo in Rio de Janeiro Chemikalien, damit hier Hunderttausende moskitofrei Karneval feiern können. Und Brasiliens Militär hat der heimtückischen Mücke namens Aedes aegypti sogar den Krieg erklärt, 220.000 Soldaten sollen ihr im ganzen Land den Garaus machen. Das Zika-Virus hat sich dramatisch verbreitet – und könnte auch die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro überschatten. Die Welgesundheitsorganisation hat nun sogar den „globalen Notfall“ ausgerufen. Wir zeigen, warum das Zika-Virus derzeit Experten in aller Welt beschäftigt:

Wie viele Fälle gibt es bisher?

Die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Margaret Chan, spricht von einer explosionsartigen Ausbreitung. Möglicherweise gibt es nach Angaben der WHO allein in Brasilien schon 1,5 Millionen Fälle. Die Dunkelziffer ist sehr hoch, weil nur etwa 20 Prozent eine Infektion überhaupt bemerken und die Diagnosemöglichkeiten in dem Land gerade in ländlichen Regionen unterentwickelt sind. Zudem ähnelt das Virus dem Dengue-Erreger, der von der gleichen Moskitoart übertragen wird. In ganz Amerika kann es laut WHO ohne rasche Gegenmaßnahmen zu drei bis vier Millionen Ansteckungen kommen. Mehr als 20 Länder des Doppelkontinents sind bisher betroffen.

Beängstigende Ausbreitung des Zika-Virus’

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor einer Ausbreitung des gefährlichen Zika-Virus gewarnt und einen globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die massive Häufung eines zu kleinen Schädelvolumens bei Neugeborenen (Mikrozephalie) steht in Zusammenhang mit einer Zika-Infektion bei Schwangeren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat vor einer Ausbreitung des gefährlichen Zika-Virus gewarnt und einen globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die massive Häufung eines zu kleinen Schädelvolumens bei Neugeborenen (Mikrozephalie) steht in Zusammenhang mit einer Zika-Infektion bei Schwangeren. © Getty Images | Mario Tama
Brasilianische Forscher konnten das Zika-Virus in Gehirnen von Babys nachweisen, die mit einer Schädelfehlbildung geboren wurden.
Brasilianische Forscher konnten das Zika-Virus in Gehirnen von Babys nachweisen, die mit einer Schädelfehlbildung geboren wurden. © Getty Images | Mario Tama
Allein in Brasilien wurden bis heute mehrere Tausend Fälle dieser sogenannten Mikrozephalie ermittelt. Wegen des zu kleinen Gehirns sind geistige Behinderungen die Folge. In sechs Fällen hatten Schwangere sich mit dem Zika-Virus infiziert, bei Hunderten weiteren Fällen besteht ein entsprechender Verdacht.
Allein in Brasilien wurden bis heute mehrere Tausend Fälle dieser sogenannten Mikrozephalie ermittelt. Wegen des zu kleinen Gehirns sind geistige Behinderungen die Folge. In sechs Fällen hatten Schwangere sich mit dem Zika-Virus infiziert, bei Hunderten weiteren Fällen besteht ein entsprechender Verdacht. © REUTERS | UESLEI MARCELINO
Im Norden Brasiliens nahm die dramatische Ausbreitung des von der Moskitoart Aedes Aegypti übertragenen, mysteriösen Zika-Virus in Amerika vor einem Jahr ihren Ausgang. Das Virus wurde schon in rund 50 Ländern nachgewiesen.
Im Norden Brasiliens nahm die dramatische Ausbreitung des von der Moskitoart Aedes Aegypti übertragenen, mysteriösen Zika-Virus in Amerika vor einem Jahr ihren Ausgang. Das Virus wurde schon in rund 50 Ländern nachgewiesen. © dpa | Gustavo Amador
Insgesamt ist der zuerst in Afrika aufgetauchte Erreger kaum erforscht; normalerweise löst er relativ harmlose Symptome wie leichtes Fieber und Hautausschlag aus.
Insgesamt ist der zuerst in Afrika aufgetauchte Erreger kaum erforscht; normalerweise löst er relativ harmlose Symptome wie leichtes Fieber und Hautausschlag aus. © dpa | Jeffrey Arguedas
Schwangere warten auf ihre Untersuchungen,...
Schwangere warten auf ihre Untersuchungen,... © REUTERS | JORGE CABRERA
...um das gesundheitliche Befinden ihrer ungeborenen Kinder kontrollieren zu lassen.
...um das gesundheitliche Befinden ihrer ungeborenen Kinder kontrollieren zu lassen. © REUTERS | JOSUE DECAVELE
Die Regierung in Brasilien, wo das Virus besonders verbreitet ist, verteilt in einer großangelegten Kampagne Informations-Material in Form von Postern an allen Orten, wie hier in einem Krankenhaus in Guatemala.
Die Regierung in Brasilien, wo das Virus besonders verbreitet ist, verteilt in einer großangelegten Kampagne Informations-Material in Form von Postern an allen Orten, wie hier in einem Krankenhaus in Guatemala. © REUTERS | JOSUE DECAVELE
Bisher gibt es keinen Impfstoff – Forschungs- und Präventionsmaßnahmen werden massiv hochgefahren...
Bisher gibt es keinen Impfstoff – Forschungs- und Präventionsmaßnahmen werden massiv hochgefahren... © REUTERS | JUAN CARLOS ULATE
...wie Forscherin Clara Ocampo, Leiterin und Koordinatorin des Internationalen Zentrums für Medizin und Forschung (CIDEIM) im kolumbianischen Cali.
...wie Forscherin Clara Ocampo, Leiterin und Koordinatorin des Internationalen Zentrums für Medizin und Forschung (CIDEIM) im kolumbianischen Cali. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA
Neben Brasilien ist Kolumbien besonders stark betroffen: Hier wurden ebenfalls mehrere Zehntausend Zika-Infektionen registriert. Der kleine Gustavo Henrique ist ebenfalls betroffen.
Neben Brasilien ist Kolumbien besonders stark betroffen: Hier wurden ebenfalls mehrere Zehntausend Zika-Infektionen registriert. Der kleine Gustavo Henrique ist ebenfalls betroffen. © REUTERS | UESLEI MARCELINO
Kolumbien rät Frauen daher dazu, geplante Schwangerschaften aufzuschieben...
Kolumbien rät Frauen daher dazu, geplante Schwangerschaften aufzuschieben... © Getty Images | Mario Tama
...das Auswärtige Amt in Berlin sagt: „Schwangere sollten generell von vermeidbaren Reisen in Zika-Epidemie-Gebiete absehen.“
...das Auswärtige Amt in Berlin sagt: „Schwangere sollten generell von vermeidbaren Reisen in Zika-Epidemie-Gebiete absehen.“ © REUTERS | UESLEI MARCELINO
Welche Länder sind betroffen? Welche Symptome treten auf? Wer ist der Überträger?
Welche Länder sind betroffen? Welche Symptome treten auf? Wer ist der Überträger? © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
In Brasilien werden großflächig Pestizide eingesetzt,...
In Brasilien werden großflächig Pestizide eingesetzt,... © Getty Images | Mario Tama
sowohl im Freien,...
sowohl im Freien,... © REUTERS | JORGE CABRERA
...als auch in den Häusern. Das soll die Mücken töten.
...als auch in den Häusern. Das soll die Mücken töten. © dpa | Oscar Rivera
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus werden potenzielle Brutplätze der Moskitos vernichtet.
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus werden potenzielle Brutplätze der Moskitos vernichtet. © REUTERS | ALVIN BAEZ
Soldaten werden ebenfalls zur Hilfe herangezogen.
Soldaten werden ebenfalls zur Hilfe herangezogen. © Getty Images | Mario Tama
Sie gehen von Haus zu Haus und informieren über die Situation. 220.000 Soldaten schickt die brasilianische Regierung in den Zika-Kampf.
Sie gehen von Haus zu Haus und informieren über die Situation. 220.000 Soldaten schickt die brasilianische Regierung in den Zika-Kampf. © Getty Images | Mario Tama
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Droht eine Zika-Ausbreitung auch in Deutschland?

Nein. Denn hier gibt es die betreffende Moskitoart nicht. Bisher gibt es nur vereinzelte Fälle durch rückkehrende Touristen. Allerdings halten Experten es für möglich, dass Zika auch durch ungeschützten Sex übertragen werden kann. „Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass es zukünftig zu einer Übertragung von Zika-Viren über angesiedelte Moskitos in Deutschland kommen wird“, betont der Leiter des Instituts für Virologie an der Uni Bonn, Christian Drosten.

Ist das Zika-Virus wirklich für Schädelfehlbildungen verantwortlich?

„Der Verdacht auf eine Fruchtschädigung bei Infektionen mit dem Virus während der Schwangerschaft liegt nahe“, sagt der Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Jonas Schmidt-Chanasit. Der Kopfumfang der Babys liege deutlich unter 32 Zentimetern. „Die Kinder sind häufig geistig behindert, weil das Gehirn unterentwickelt ist, oder sie versterben bereits vor der Geburt.“ In Brasilien gibt es etwa 4180 Verdachtsfälle dieser sogenannten Mikrozephalie – aber: erst 268 sicher bestätigte Fälle. Bei sechs Frauen konnte nachgewiesen werden, dass sie sich zuvor mit Zika infiziert hatten. Dabei fällt die Mikrozephalie scheinbar so stark aus, dass die Babys kaum Überlebenschancen haben. 68 Babys starben seit Beginn der systematischen Erfassung am 22. Oktober 2015.

Was ist der beste Schutz?

Relativ sicher ist man ab einer Höhe von 2200 Metern, darüber kommt die Moskitoart Aedes aegypti in der Regel nicht vor. Schwangere sollten bei den an sich harmlosen Symptomen wie leichtes Fieber, Hautrötungen und Kopfschmerzen einen Arzt aufsuchen. Für Touristen gilt: lange Kleidung, mit Moskito-Spray einsprühen und in Hotels die Fenster geschlossen halten. Aber: Die Moskitoart ist tagaktiv, was den Zika-Kampf so schwierig macht. Wie hilflos einzelne Regierungen sind, zeigt der Rat, Frauen sollten Schwangerschaften lieber erstmal verschieben – in El Salvador wird sogar geraten, bis 2018 zu warten.

Warum gibt es diese rasante Ausbreitung in Lateinamerika?

Weil es hier den idealen Nährboden gibt. Ein großer Kontinent, viel Reiseverkehr, eine stark verbreitete, das Zika-Virus übertragende Moskitoart, die sich im südamerikanischen Sommer rasch vermehrt – und ungeschützte Menschen. Es gibt bisher keinen Impfstoff gegen Zika. „Das Virus frisst sich praktisch durch“, sagt Dennis Tappe, ebenfalls Virologe am BNITM. „Die Moskitos nutzen jede Wasserfläche, um ihre Eier abzulegen“, analysiert Tappe. „Wenn die menschliche Mobilität nicht so hoch wäre, wäre auch die Verbreitung geringer.“ In einem Inselstaat wie Singapur, wo es vor einigen Jahren viele Malaria- und Denguefälle gab, sei eine Epidemie-Eindämmung weitaus leichter.

Wie ist Zika nach Lateinamerika gekommen?

Ein Moskito der Art Aedes aegypti. Solche Mücken sind für die Verbreitung des Zika-Virus verantwortlich.
Ein Moskito der Art Aedes aegypti. Solche Mücken sind für die Verbreitung des Zika-Virus verantwortlich. © REUTERS | JAIME SALDARRIAGA

Das Virus ist 1947 erstmals bei einem Affen aus dem Zikawald Ugandas in Afrika festgestellt worden. Es tauchte anschließend vereinzelt auch in Asien auf und dann stärker ab 2013 in Französisch-Polynesien. Hier infizierten sich bis zu zehn Prozent der Bevölkerung – aber es war eben ein isolierter Inselstaat. Es haben sich zwei Zika-Genotypen herausgebildet – der afrikanische und der asiatische. Der asiatische tauchte dann plötzlich im Frühjahr 2015 in Brasilien auf. „Es muss ihn jemand aus Asien oder Ozeanien eingeschleppt haben und dann in Brasilien erkrankt sein“, glaubt Tappe. Durch Moskitos, die die Person gestochen haben, kann er dann weiterverbreitet worden sein.

Ist die Fußball-WM 2014 in Brasilien der Auslöser?

Gúbio Soares vom biologischen Institut der Universität Bahia in Salvador vertritt diese These, die viel zitiert wurde. Besucher der Fußball-WM hätten das Zika-Virus damals in das Land eingeschleppt. „Das ist völlig spekulativ“, meint dagegen der Virologe Tappe.

Was wird nun zur Bekämpfung getan?

Das Kernproblem ist Brasilien. Staatspräsidentin Dilma Rouseff ist schwer unter Druck, eine tiefe Wirtschaftskrise setzt ihr zu, sie hat nur noch zehn Prozent Zustimmung. Sie lässt alle Kräfte bündeln. Zehntausende Soldaten sollen die Mücken mit Chemikalien bekämpfen. Am 13. Februar sollen drei Millionen Häuser von 220.000 Soldaten besucht und moskitofrei gemacht werden. Fokus des Einsatzes ist der am stärksten betroffene Nordosten des Landes. Insgesamt soll der Einsatz in 356 Städten und Gemeinden stattfinden. Für die Bekämpfung der Mücke wurden die Mittel auf 1,87 Milliarden Real (422 Millionen Euro) erhöht. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, denn ohne eine Eindämmung könnten viele Touristen von einem Besuch der Olympischen Spiele absehen, die am 5. August beginnen. Aber: Dann ist Winter und die Gefahr durch Moskitos viel geringer.

Die WHO ruft den globalen Notstand aus – Was passiert nun?

Für die betroffenen Länder werden die Warn- und Vorsichtsmaßnahmen deutlich verschärft, womöglich müssten Flugreisende sich auf verschärfte Gesundheitskontrollen einstellen. Auch Staaten außerhalb der Seuchengebiete können aufgefordert werden, Maßnahmen einzuleiten, die eine Ausbreitung des Erregers oder seines Überträgers verhindern sollen.

Die WHO will in jedem Fall zügig Forschungsanstrengungen verstärken. „Wir brauchen eine koordinierte internationale Antwort“, sagte die WHO-Direktorin Margaret Chan. Denn der Ausbruch in Französisch-Polynesien, auch hier war es der asiatische Zika-Genotyp, ging auch einher mit einem Anstieg des Guillain-Barré-Syndroms, das mit Lähmungserscheinungen verbunden ist und auch Männer betrifft. Vorrangig müssen nun vor allem die Moskitos eliminiert werden. Trotz der wohl gerade für Schwangere gefährlichen Epidemie warnt der Leiter der WHO-Abteilung für Viruskrankheiten, Marcos Espinal, aber vor globaler Panikmache: „Zika ist nicht Ebola“.

Zuletzt hatte die WHO im August 2014 wegen Ebola in Westafrika einen globalen Notstand erklärt. Davor hatte die WHO die Schweinegrippe (2009) sowie die Verbreitung der Kinderlähmung (2014) als globalen Gesundheitsnotstand bezeichnet. (dpa)