Berlin. Gerade im Winter ist es für Wohnungslose schwer, eine Bleibe zu finden. Städte lassen sich viel einfallen, um das noch zu erschweren.

Wer auf einer Städtereise oder beim Großeinkauf in der Heimat versucht hat, in der Innenstadt eine Parkbank zu finden, wurde bestimmt schon einmal enttäuscht. Vor allem im Winter oder bei Regenwetter bleibt nur der Weg in ein Café oder ein Geschäft. Für Wohnungslose scheidet diese Variante aber aus. Große Firmen und Städte lassen sich zudem immer Neues einfallen, um Obdachlose von öffentlichen Plätzen fernzuhalten.

Für einige der Maßnahmen gibt es sogar einen Fachbegriff: „defensive Architektur“. Beispiele dafür kennt man schon seit Jahrhunderten: Hebebrücken an Burgen, Spitzen auf Zäunen oder Spikes gegen Tauben an Gebäuden.

Im vermeintlichen Kampf gegen Obdachlose wirken bauliche Maßnahmen in Großstädten wie London, Paris oder Guangzhou in China längst nicht mehr nur defensiv. Mit Betonpyramiden, Stahlspitzen und Metallwellen gehen Firmen und Städte in die Offensive. Sie verbauen Plätze, auf denen sich Obdachlose oder Touristen sonst ausgeruht hatten.

In Deutschland sind die Maßnahmen, um Wohnungslose von Plätzen zu vertreiben, nicht so drastisch wie in anderen Ländern. Doch auch hier zeichnet sich ein Trend ab, öffentliche Orte ungemütlicher zu gestalten. Werena Rosenke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sagt: „Parkbänke sind an vielen Orten in Großstädten abgebaut worden – so auch an den Bahnhöfen“. Und dort wo Bänke ausgetauscht oder neu errichtet würden, besäßen sie meist mehrere Armlehnen oder bestehen aus Metallgittern, die verhindern sollen, dass sich dort jemand hinlegt. Hinzu komme der schleichende Prozess der „Privatisierung des öffentlichen Raums“, so Rosenke. Einkaufszentren und Ladenpassagen verdrängten Parks oder Plätze.

Klassische Musik als Mittel der Vertreibung

In Essen wurde ein Platz nahe des Hauptbahnhofs im vergangenen Jahr mit klassischer Musik beschallt, um Obdachlose und Drogenkonsumenten von dort fernzuhalten. Hotels und Organisationen wie die Verbraucherzentrale hatten zuvor den „Arbeitskreis Heinrich-Reisner-Platz“ gegründet, der auf die Idee mit der Dauerbeschallung kam. Nach Angaben der Hoteliers und Geschäftsleute brachte die ungewöhnliche Maßnahme den gewünschten Erfolg – die Obdachlosen zogen weg.

Doch ausgerechnet an einigen Bahnhöfen der Republik gibt es gleichzeitig eine Abkehr von „defensiver Architektur“. Ein Beispiel findet man etwa in Berlin, wo einzelne U-Bahnhöfe bei Temperaturen unter drei Grad Celsius auch in der Nacht geöffnet bleiben, um Obdachlose zu schützen.

In Berlin gibt es Abkehr von „defensiver Architektur“

Regina Berchner von der „Zentralen Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot“ in Berlin nennt ein weiteres Beispiel: „Im Kleinen Tiergarten im Stadtteil Moabit gibt es eine sogennante ,Trinkerhalle’. Menschen, sitzen dort trocken in einer Art Orchestermuschel, die aber einsehbar ist.“

Berchner kann sich zwar nicht vorstellen, dass Unternehmen und Städte in Deutschland auf die Idee kommen, Metallspitzen gegen Obdachlose zu errichten, anderen EU-Ländern traut sie aber solche Methoden zu. „Ungarn hat etwa eine ganz harte Politik gegen Obdachlose, was dazu führt, dass Wohnungslose von dort auch die Reise in andere Länder wie Deutschland antreten.“ Die ungarische Regierung hat im Jahr 2013 ein Gesetz erlassen, das Obdachlosen den Aufenthalt an vielen öffentlichen Plätzen – etwa rund um Stätten des Weltkulturerbes – verbietet. Wer sich nicht an das Verbot hält, muss 500 Euro zahlen. Da die Obdachlosen dafür selten Geld haben, landen sie im Gefängnis.