Berlin. Laut einer Studie ziehen die neuen Bundesländer mehr Menschen an, als sie verlieren. Davon profitieren aber längst nicht alle Regionen.

Mehr als zwei Jahrzehnte ist die Bevölkerung in Ostdeutschland geschrumpft. 1,8 Millionen Menschen verließen seit dem Mauerfall-Jahr 1989 die Regionen zwischen Rügen und Erzgebirge – zumeist gen Westen wegen Ausbildung und Arbeit. Dieser Trend ist nun offenbar gestoppt, wie eine am Dienstag in Berlin vorgestellte Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigt. „Seit 2012 ziehen die fünf Flächenländer im Osten mehr Menschen aus dem Westen oder dem Ausland an, als sie umgekehrt verlieren“, sagte Institutsleiter Reiner Klingholz.

Von dieser Trendwende profitierten allerdings lediglich 15 Prozent der Kommunen darunter insbesondere ostdeutsche „Leuchttürme“ wie Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt oder Potsdam, Rostock und Wismar. 85 Prozent der Gemeinden erlebten weiterhin mehr Ab- als Zuwanderung. Besonders in den ländlichen Regionen bleibe die Situation schwierig. „Das Gefälle zwischen den Wachstums- und Schrumpfregionen wird damit immer größer“, warnte Klingholz.

Guten Hochschulen, günstige Lebenshaltungskosten

Für die Studie mit dem Titel „Im Osten auf Wanderschaft“ untersuchte Klingholz gemeinsam mit Co-Autor Manuel Slupina die Einwohnerentwicklung von insgesamt 2695 ostdeutschen Kommunen. Gefördert wurde die Untersuchung von der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD). Untersucht wurden Wanderungsbewegungen in den fünf Kategorien Bildungswanderer (18 bis 24 Jahre), Berufswanderer (25 bis 29 Jahre), Familienwanderer (30 bis 49 Jahre), Empty-Nest-Wanderer (50 bis 64 Jahre, deren Kinder aus dem Haus sind) und Ruhestandswanderer (65 Jahre und älter).

Vor allem die Großstädte aber auch kleinere Universitätsstädte wie das thüringische Ilmenau ziehen vor allem junge Bildungswanderer an und ernteten damit die Früchte des Aufbau Ost, sagte der Instituts-Direktor. Mit guten Hochschulen und günstigen Lebenshaltungskosten in sanierten Gebäuden seien diese Städte zu neuen Magneten geworden. Weil sich in vielen Großstädten auch der Arbeitsmarkt verbessert hat, würden Menschen dort auch nach der Ausbildung bleiben, während die kleinen Uni-Städte die Jungen nach Ende des Studiums zumeist wieder verlieren. „Damit verfügen die ostdeutschen Flächenländer endlich wieder über national und international wettbewerbsfähige Städte“, sagte Klingholz.

Landflucht der jungen Generation

Allerdings gebe es auch überall Ausreißer. So seien beispielsweise das thüringische Suhl, das sächsische Hoyerswerda oder Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt Verlierer dieser Entwicklung.

Die Kehrseite dieser Entwicklung sei, dass die Großstädte vor allem junge Einwohner aus den ländlichen Regionen abziehen. Erfreulicherweise konnten sich aber auch einige der mittelgroßen Städte in einem schrumpfenden Umfeld vor allem dank der Empty-Nest- und Ruhestandswanderer stabilisieren, die für das Alter eine gute Infrastruktur suchen.

Die Ostbeauftragte Gleicke sprach von einer erfreulichen Entwicklung, die aber in ihren Augen noch keine Trendwende sei. Wer das Schrumpfen abwenden wolle, müsse auch Zuwanderung von außen zulassen, betonte die SPD-Politikerin. Nur mit Binnenwanderung sei das nicht zu erreichen. (epd)