Dinslaken. Von Dinslaken aus zog er als Salafist in den Krieg in Syrien, war sogar bei Hinrichtungen dabei. Ab Mittwoch steht Nils D. vor Gericht.

Nils D. gehört zu denjenigen, die von Dinslaken-Lohberg aus nach Syrien in den Krieg zogen und noch leben. Und er ist das erste Mitglied der „Brigade Lohberg“, das sich vor einem Gericht zu verantworten hat. Vielleicht gibt er Antworten auf die vielen noch unbeantworteten Fragen: Wie konnte der Dinslakener Stadtteil zur Salafisten-Hochburg werden? Wie konnte der Prediger Mustafa T. junge Menschen dazu bringen, sich zu radikalisieren und in den Krieg zu ziehen?

Der Angeklagte, der sich Abu Ibrahim nannte, ist jetzt 25 Jahre alt, ist Konvertit, hatte Drogenprobleme, ist vorbestraft und brach eine Lehre ab. Über einen Cousin bekam er Kontakt zur Salafisten-Szene in Lohberg. Hier wurde er Teil einer Gruppe, deren Gesinnung als radikal-religiös bezeichnet wird. Mitte Oktober 2013 reiste er nach Syrien, schloss sich dort dem Islamischen Staat (IS) an. Anfang November 2014 kehrte er zurück, stand unter Beobachtung der Polizei und wurde am 10. Januar 2015 verhaftet, nachdem er in abgehörten Gesprächen mit Taten prahlte, die er verübt haben wollte.

Lohberger Salafist drohen bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe

Als Zeuge in den Terrorprozessen von Celle und Düsseldorf hat der 25-Jährige bereits ausgepackt . Er habe als Mitglied einer Spezialeinheit, einer Art Geheimpolizei des IS, Deserteure gejagt, berichtete er freimütig. Laut Anklage gehörte D. der Terrormiliz von Oktober 2013 bis November 2014 ein Jahr lang an. Mit Sturmhaube, Kalaschnikow und Sprengstoffgürtel sei er zum Aufspüren von Abweichlern und Deserteuren ausgerückt. 7000 und 9000 Euro aus seinem eigenen Vermögen soll er investiert haben, um seinen Aufenthalt in Syrien zu finanzieren.

Nach seiner Rückkehr nach Dinslaken wurde Nils D. am 10. Januar 2015 verhaftet. Spezialkräfte holten den Heimkehrer damals aus seinem Kleinwagen. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Nach Einschätzung der Behörden hat die Brigade Lohberg an Bedeutung verloren. Das heißt aber nicht, dass im Dinslakener Stadtteil nicht weiterhin Salafisten aktiv seien. Der IS versuche weiterhin, Anhänger zu finden. Die Salafisten seien aber nicht mehr so aktiv wie noch vor einigen Jahren.

Projekte sollen Kinder über Salafisten-Propaganda aufklären

Die Caritas startete im Frühjahr 2015 das Projekt „Je suis Muslim“ . Auch wenn zu dieser Zeit Lohberg aus den Schlagzeilen verschwunden war, es grummelte im Stadtteil. Die Caritas wollte nicht wegschauen. Mit dem Angebot der offenen Tür wollte man Jugendliche stärken, die Nachteile erfahren, weil sie aus Lohberg kommen. Diese Situation nutzen nämlich Salafisten aus und die Caritas will mit ihrem Angebot bewirken, dass die Jugendlichen nicht auf die Propaganda-Botschaften des IS hereinfallen. Leider ruht dieses Projekt zurzeit, da die zuständige Mitarbeiterin seit längerer Zeit ausgefallen ist und noch ausfällt.

In den Startlöchern steht der Kinderschutzbund mit der Anlaufstelle „Wegweiser“. Offiziell wird das Projekt in einigen Tagen vorgestellt. Schon jetzt ist aber ein Sozialarbeiter vor Ort unterwegs, um sich und seine Aufgabe – die Präventionsarbeit gegen Salafismus – bekannt zu machen.

Es ist ein niederschwelliges Angebot: Eltern, Angehörige, Lehrer, Sozialarbeiter und Vertreter von Jugendverbänden können sich hier informieren, wenn sie glauben, dass ein Jugendlicher in die gewaltbereite, radikale Szene abzugleiten droht. Hier will „Wegweiser“ eingreifen und individuelle Lösungen gemeinsam mit dem Betroffenen und dessen sozialem Umfeld finden.