Berlin. Immer mehr lokale Netzwerke bringen Nachbarn zusammen. Sie unterscheiden sich grundlegend von Facebook. Nicht nur im Tonfall der User.

Der Code auf dem Zettel im Briefkasten verspricht vieles: Die Bohrmaschine vom Nachbarn nebenan, Konzerte in der Bar um die Ecke, ein Sprachtandem oder Klavierunterricht, den der pensionierte Musiklehrer zwei Straßen weiter anbietet. Kryptische Kombinationen wie „8xL45a“ flattern in einigen Stadtteilen derzeit in die Briefkästen der Anwohner: Sie sind der Schlüssel, um sich bei dem Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de anzumelden.

Denn auch das ist ein Versprechen des hyperlokalen Netzwerks: Wer hier schreibt, teilt und kommuniziert macht das ausschließlich im Kreise der echten Nachbarschaft, in einer geschützten Umgebung, zu der Zaungäste wie Google, Facebook und Co. keinen Zugang haben, wie es auf der Webseite heißt. „Wir glauben, dass Nachbarschaft die Antwort auf viele gesellschaftliche Fragen ist“, sagt die Mitgründerin Ina Brunk unserer Redaktion.

Alternative zum traditionellen Verein

Das Netzwerk hat hehre Ziele: Dort wo den traditionellen Vereinen die Mitglieder fortbleiben und sich Familienstrukturen zunehmend auflösen, will es die Menschen wieder näher zusammenbringen. In den vergangenen Jahren kletterte die Zahl der Singlehaushalte kontinuierlich nach oben: Laut Statistischem Bundesamt wird inzwischen mehr als ein Drittel aller deutschen Haushalte nur von einer Person bewohnt.

Nützlich, geschützt, privat – damit buhlt das Netzwerk nebenan.de um Kunden.
Nützlich, geschützt, privat – damit buhlt das Netzwerk nebenan.de um Kunden. © nebenan.de

Der Dienst funktioniert wie viele kleine soziale Netzwerke, die unabhängig von einander existieren. „Die Größen der Netzwerke unterscheiden sich sehr stark“, sagt Gründerin Brunk. Menschen, die ein Nachbarschafts-Netzwerk gründen wollen, melden sich mit ihrer Absicht bei den Dienstleistern. „Niemand kennt die eigene Nachbarschaft so gut wie die Menschen, die dort leben. Deshalb überlassen wir es den Bewohnern zu definieren, welche Straßen dazu gehören.“, sagt Brunk. Mindestens zehn Nachbarn müssen sich zusammenfinden. „Auf einer Party, auf der nur einer tanzt, ist es ja auch langweilig“, so die Gründerin. Die Macher prüfen Namen und Adressen und liefern die digitale Infrastruktur. Rund 80 Nachbarschafts-Netzwerke sind so schon über ganz Deutschland verteilt entstanden. Im größten tauschen sich 570 Nachbarn aus.

Die beiden Geschäftsführer von nebenan.de sind in der Berliner Start-up-Szene keine Unbekannten. Christian Vollmann arbeitete unter anderem bei Jamba, Till Behnke gründete die Spendenplattform Betterplace. Das Gründerteam besteht aus sechs Leuten. Im Dezember endete die Testphase der Plattform, seither ist der kleine, freundliche Bruder von Facebook in ganz Deutschland verfügbar.

Freundlicher Umgang der User untereinander

Wie bei Facebook hat der Nutzer eine Timeline, in der die Beiträge der Nachbarn erscheinen. Anstatt der Gefällt-mir-Funktion gibt es einen Danke-Knopf. Ordnung verleihen der Benutzeroberfläche ein halbes Dutzend Kategorien: „Teilen & Helfen“, „Zu verschenken“, „Marktplatz“, „Verloren und Gefunden“ sowie „Empfehlungen“ und „Sicherheit“.

Was auffällt: Der Tonfall in den meisten Gesprächen ist weitaus gesitteter als bei Facebook oder Twitter. Die Nutzer sprechen sich freundlich an, bedanken sich, wünschen einen schönen Tag. Schließlich begegnet man sich auf der Straße oder in der Schlange beim Bäcker.

Die Idee der digitalen Nachbarschaftspflege ist nicht neu. In Deutschland gibt es einige ähnlicher Projekte: Zum Beispiel die App „Do me a favour“ („Tu mir einen Gefallen“) oder die Seiten Lokalportal, Nachbarschaft.net und Wirnachbarn.

Natürlich geht es der GmbH nicht nur um Nächstenliebe – sondern auch ums Geldverdienen. „Für private Nutzer ist der Dienst auch auf längere Sicht kostenlos. Wir planen aber auf langfristig kostenpflichtige Profile für kleine Geschäfte in der Nachbarschaft auf denen sie werben können“, sagt Brunk. So seien die lokalen Läden nicht mehr darauf angewiesen mit Zetteln im Briefkasten zu werben. In dem Fall würde dann ein Zettel reichen – einer mit einem Code drauf.