Mexiko-Stadt. „El Chapo“ war der meistgesuchte Drogenboss der Welt. Liebes-SMS an eine Schauspielerin brachten Ermittler auf die Spur.

Liebe macht bekanntlich blind – und im Fall von Joaquín Guzmán zudem noch unvorsichtig. Was seinen Jägern über Jahre hinweg nicht gelang, schaffte die mexikanische Schauspielerin Kate del Castillo (43) in den vergangenen Monaten offenbar spielend: dass einer der meistgesuchten Verbrecher der Welt selbst die minimalsten Sicherheitsvorkehrungen in den Wind schoss. Er sandte verliebte SMS an die Schauspielerin und ließ seine Anwälte Treffen mit ihr organisieren. Mit anderen Worten: Er exponierte sich. Riskant für einen Großganoven, dem 2500 Geheimdienstler, Computer- und Telekommunikationsfahnder, Polizisten und Militärs aus zwei Ländern auf den Fersen sind.

Aber dem 58 Jahre alten Guzmán – genannt „El Chapo“ (der Kurze) – war das egal, wenn er nur die Frau seiner Träume treffen konnte, mit der er seit 2012 Kontakt hielt. Die Mimin und der Mafioso hatten, so zumindest zeigt es der SMS-Verkehr, eine gegenseitige Schwäche füreinander, die dem Chef des „Sinaloa-Kartell“ zum Verhängnis wurde.

„Ich werde dich hüten wie meinen Augapfel“

Die Tageszeitung „Milenio“ veröffentlichte am Mittwoch lange Teile des Nachrichtenaustausches der beiden zwischen dem 25. September und dem 9. November, der zum Teil über Guzmáns Anwalt Andrés Granados lief, zum Teil verschlüsselt und mit Pseudonymen versehen war. So schrieb Guzmán am 25. September als „Papá Olvidado“: „Ich werde alles super herrichten für Dich, dass kein Detail fehlt... Vertraue mir, dass es Dir gut gehen wird... Du bist das Beste der Welt... Ich werde Dich besser hüten als meinen Augapfel.“

Getarnt als „M“ antwortete del Castillo in dem gleichen liebevollen Ton: „Ich bin überwältigt, dass Du mich beschützen willst. Niemand hat mich jemals beschützt. Ich habe kommendes Wochenende frei.“ Nach Angaben eines Regierungsbeamten ist der SMS-Wechsel authentisch. Die Staatsanwaltschaft werde sich in Kürze zu den veröffentlichen Nachrichten äußern, kündigte Innenminister Miguel Angel Osorio Chong an. Kate del Castillo, die sich seit der Festnahme Guzmáns in Schweigen hüllte, meldete sich über ihren Twitter-Account und schrieb kryptisch von „manipulierten Geschichten“, die vom „wahren Thema“ ablenken sollten. „Ich freue mich darauf, bald meine Version der Story mit euch zu teilen.“

El Chapo soll 18 Kinder haben

Joaquín Guzmán, in dritter Ehe verheiratet und angeblich Vater von 18 Kindern, war offenbar regelrecht besessen von der Schauspielerin. Selbst in seinem Versteck in Los Mochis, wo er aufgespürt und vor einer Woche festgenommen wurde, hatte er die DVDs ihrer TV-Seifenoper „La Reina del Sur“ („Die Königin des Südens“) aus dem Jahr 2011 dabei.

Am Anfang dieser bizarren Beziehung zwischen Drogenboss und Darstellerin stand eine kurze Twitter-Nachricht, die Kate del Castillo vor vier Jahren absandte: „Ich glaube heute mehr an Joaquín Guzmán als an die Regierungen, die nichts tun und Wahrheiten vorenthalten“, schrieb Del Castillo damals. 127 Zeichen im Kurznachrichtendienst Twitter, die heftige Reaktionen auslösten. Die Regierenden schäumten, die Bevölkerung wunderte sich.

Und die durchschnittlich begabte Schauspielerin Del Castillo war plötzlich in aller Munde. Guzmán, Anfang 2012 mal wieder auf der Flucht, fühlte sich geschmeichelt, sandte Blumen und seine Emissäre zu der Darstellerin.

Del Castillo, in Mexiko-Stadt geboren, Neu-Bürgerin der USA, Ex-Ehefrau eines mexikanischen Fußballers und Tochter des Schauspielers Eric del Castillo, spielte schon als Kind in Filmen mit. Später machte sie dann Karriere in Telenovelas. Und heute ist Kate del Castillo spezialisiert auf Rollen aus dem Kriminellenmilieu.

„El Chapo“ schickte del Castillo Liebesbriefe aus dem Gefängnis

Ihr Kontakt zu Guzmán riss auch dann nicht ab, als dieser im Februar 2014 wieder eingefangen wurde. Er schrieb ihr aus der Haft handschriftliche Botschaften, sandte über das Datenschutzhandy Blackphone verschlüsselte Nachrichten und trug so auch an Del Castillo den Wunsch heran, sein Leben verfilmen zu lassen. Die Schauspielerin, inzwischen in Los Angeles lebend, stimmte zu und begann in Hollywood nach Produzenten zu suchen. So kam Sean Penn ins Boot, der seinerseits die Gelegenheit nutzen wollte, den Kokainkönig zu interviewen. Del Castillo stellte den Kontakt für das kontroverse Interview her, das vom „Rolling Stone“ veröffentlicht wurde. Das Treffen war Teil der Ermittlungen, die zur Festnahme des Drogenbosses führten.

Del Castillo und somit auch Guzmán wussten übrigens schon einen Monat vor dessen Ergreifung, dass ihre Kommunikation mitgelesen wurde. Am 9. November schrieb del Castillo: „Mein Begleiter sagt, dass sie mich anzapfen. Ich kann Dich jetzt nicht in Gefahr bringen. Es ist zu riskant.“