Berlin. Forscher bemerken seit Jahren einen starken Rückgang von Insekten. Die Nahrungskette ist in Gefahr. Grund ist offenbar ein Insektizid.

Das Insektensterben ist ein gesellschaftliches Problem, sagt Professor Randolf Menzel. „Wir müssen uns die Frage stellen: In welcher Umwelt möchten wir leben? In einer von Menschen gemachten, in der Pflanzen nur noch in Gewächshäusern entstehen?“ Randolf leitet als emeritierter Professor eine neurobiologische Arbeitsgruppe an der Freien Universität Berlin und erforscht dort auch das Verhalten der Honigbiene. Sie ist eines von vielen bestäubenden Insekten, deren Zahl in Deutschland beständig zurückgeht. Einen bedeutenden Anteil daran sollen extrem toxische Insektizide haben. „Dabei ist die Honigbiene noch das robusteste unter den bestäubenden Insekten, weil sie im Menschen einen Verbündeten hat und sozial lebt“, erklärt Menzel.

Nahrungskette in Gefahr

Anders ist es bei der Wildbiene, bei Schmetterlingen oder Hummeln. Es gibt keine Imker, die ihren Bestand schützen, und sie haben kein Volk, das ihnen Schutz gibt. Die Lage scheint dramatisch: Eine aktuelle Untersuchung des Naturschutzbundes (Nabu) Deutschland kommt zu dem Ergebnis, dass allein in Nordrhein-Westfalen die Biomasse der Fluginsekten in den vergangenen 15 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen ist. Beängstigend, nennt der Landesvorsitzende des Nabu Nordrhein-Westfalen, Josef Tumbrinck, die Beobachtungen. „Wenn uns die Fluginsekten fehlen, gerät die gesamte Nahrungskette in Gefahr: Blumen und Bäume werden nicht mehr bestäubt, und Mauerseglern und Schwalben fehlt die Nahrungsgrundlage.“

Bereits seit vielen Jahren geht die Zahl der Insekten in Deutschland stetig zurück. Als Gründe nennen Experten die Veränderung des Lebensraums durch Bebauung und landwirtschaftliche Nutzung. Dieser langfristige Schwund werde jedoch von einem noch stärkeren Rückgang seit Ende der 1990er-Jahre überlagert, sagt Tumbrinck. Weder der Klimawandel noch die Veränderung der Landschaft seien dafür verantwortlich, „sondern die sogenannten Neonicotinoide“.

Landwirte sehen zu wenige Alternativen

Diese Stoffklasse wird in der Landwirtschaft und in Gärten als Insektenbekämpfungsmittel eingesetzt. Zwar hat die Europäische Union drei von ihnen mit einem Moratorium belegt, doch es gibt andere, die eingesetzt werden dürfen, wie etwa Thiacloprid. Denn entscheidend bei der Bewertung eines Insektizids ist die tödliche Dosis, der LD50-Wert. Er besagt, ab welcher Dosis 50 Prozent der Tiere innerhalb von 24 Stunden sterben. „Doch die Folgen können viel langfristiger sein“, sagt Biologe Randolf Menzel. So verlieren die Honigbienen bereits bei einer Belastung von 50 Nanogramm Thiacloprid ihre Fähigkeit zu navigieren, ihr Gedächtnis und ihre Immunabwehr werden geschwächt. All das macht die Honigbienen auf Dauer anfällig für äußere Einflüsse wie die Varroamilbe oder schlechtes Wetter. Unmittelbar tödlich ist Thiacloprid für ein Tier erst bei 14.000 Nanogramm.

Landwirte bemängeln in der Diskussion die fehlenden Alternativen bei der Schädlingsbekämpfung. „Natürlich dürfen wir sie damit nicht alleine lassen“, bestätigt Menzel. Doch zwei Dinge müssten sich verändern: die Monokultur, in der Jahr für Jahr die gleichen Pflanzen auf den gleichen Flächen angebaut werden. Und der vorsorgliche Einsatz von Pestiziden, bevor überhaupt ein Schädling ein Bein auf den Acker gesetzt hat.