Grenoble. Nach dem Lawinenunglück bei Grenoble wird nun wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Die Opfer waren auf eine gesperrte Piste gefahren.

Nach einer tödlichen Lawine in den französischen Alpen ermittelt die Justiz wegen fahrlässiger Tötung. Die von den verunglückten Skifahrern benutzte Piste sei gesperrt gewesen, betonte Staatsanwalt Jean-Yves Coquillat am Donnerstag in Grenoble. Einen konkreten Beschuldigten gibt es nicht.

Eine Schülergruppe und ihr Sportlehrer waren von der Lawine erfasst worden. Bei dem Unglück, das sich am Mittwochnachmittag im Gebiet des Wintersportorts Les Deux Alpes südöstlich von Grenoble ereignete, fanden zwei französische Jugendliche sowie ein ukrainischer Tourist den Tod. Fünf weitere Menschen, unter ihnen der Lehrer, wurden bewusstlos und zum Teil schwer verletzt geborgen.

Über die Absperrnetze auf die schwarze Abfahrt

Erstmals seit gut einer Woche herrschte im Department Isère schönstes Wetter. Möglicherweise hat das den Leichtsinn beflügelt, der den Sportlehrer und 19 Schüler seiner Klasse des Lyoner Gymnasiums Antoine de Saint-Exupéry alle Warnungen vor der erhöhten Lawinengefahr in den Wind schlagen und gegen 16 Uhr in 2700 Meter Höhe die Absperrnetze einer schwarzen Abfahrtspiste umkurven lässt.

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Keine fünf Minuten später geht eine Lawine ab, die die Gruppe aus Lyon höchstwahrscheinlich selber auslöste. Die Schneemassen erfassten die unvorsichtigen Skifahrer auf halber Höhe der steilen Abfahrtspiste, die an dieser Stelle einen Korridor mit hohen Seitenwänden bildet, aus dem es kein Entrinnen gibt. Mitgerissen wird auch ein Wintersportler aus der Ukraine, der nicht zu der Gruppe gehört. Aber die Absperrungen der Piste Bellecombes 5 sind am Mittwoch keineswegs nicht nur von der Schulklasse aus Lyon missachtet worden.

Schneemassen türmen sich sieben Meter auf

Von anderen Skifahrern alarmiert treffen die ersten Rettungskräfte sehr rasch auf dem Hochplateau ein, wo die Lawine unterhalb der Piste zum Stillstand gekommen ist. Bis zu sieben Meter Höhe türmen sich ihre Schneemassen auf, unter denen die Vermissten verschüttet liegen. Dies, die weiterhin hohe Lawinengefahr und der Umstand, dass nur ein einziges Mitglied der Gruppe einen Lawinenpiepser bei sich führt, gestalten die Suche ebenso schwierig wie gefährlich.

Bereits gegen 16.30 Uhr nehmen mehr als 70 Personen, Gendarmen der Bergrettung sowie Bewohner von Les Deux Alpes, Lawinenhunde und ein mit einer Wärmekamera ausgerüsteter Hubschrauber an den Bergungsbemühungen teil. Doch für ein 16-jähriges Mädchen und den ukrainischen Touristen kommt jede Hilfe zu spät. Von drei Jugendlichen, die mit Atemstillstand ausgegraben werden, verstirbt ein 14-jähriger Junge nach seiner Evakuierung im Krankenhaus. Drei weitere Opfer, unter ihnen der Lehrer, werden schwer verletzt geborgen, befanden sich gestern jedoch außer Lebensgefahr.

Präsident Hollande kondoliert via Twitter

Bei Einbruch der Dunkelheit sind alle Vermissten gefunden. Doch das wissen die Rettungskräfte nicht, da zu diesem Zeitpunkt noch Unklarheit über die genaue Zahl der Schüler herrscht, die der Lyoner Gruppe angehörten. Erst um 20 Uhr, als die Gewissheit besteht, dass kein Lawinenopfer mehr fehlt, wird der Bergungseinsatz beendet.

Der tragische Unfall sorgt in ganz Frankreich für Bestürzung. Während Präsident François Hollande den Angehörigen der Toten und Verletzen per Twitter sein Mitgefühl ausdrückte, eilte Erziehungsministerin Najat Vallaud-Belkacem nach Lyon, wo ein Bus mit den unverletzten Schüler noch am späten Abend eintraf. Sportminister Patrick seinerseits machte dem Lehrer schwere Vorwürfe und fragte, „wie man Kinder nach starken Schneefällen auf eine Piste mitnehmen kann, die gesperrt war?“ „Die Jugendlichen hätten sich auf gar keinen Fall dort befinden dürfen“, schimpfte auch Jean-Paul Bonnetain, der zuständige Präfekt des Departments Isère. Bonnetain kündigte die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung an.

Im Hof der betroffenen Schule in Lyon gedachten Mitschüler am Donnerstag mit einer Schweigeminute der Opfer, wie die Regionalzeitung „Le Progrès“ berichtete. „Wir stehen noch unter Schock“, sagte einer der Schüler dem Blatt. Für den Abend war nach Angaben von Bürgermeister Gérard Collomb eine Gedenkfeier geplant. (mit dpa)